Peter Vischer und seine Söhne

Autor: Ueberlieferung
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Peter Vischer hatte in Nürnberg nach dem Vorbild italienischer Meister eine Erzgießerwerkstatt eingerichtet, und seine Söhne halfen ihm dabei. Da war der junge Peter, ein frischer, fröhlicher, aber ein wenig eigensinniger und jähzorniger, junger Bursch. Da war der fleißige Hans. Daneben stand Hermann Vischer. Ein besonders feinsinniger, träumerischer Mensch, der einmal in Italien gewesen war. Alle zusammen arbeiteten sie an den unzähligen Bildwerken des Sebaldusgrabes. Die schönsten sollen von Hermann Vischer sein.

Hermann soll von seinen Brüdern, aber auch von seinem Vater, nicht zum Besten behandelt worden sein. Man lachte über ihn, weil er immer so versunken war in seine Träume. Und besonders der Vater war unzufrieden mit ihm, weil er neue Wege ging in seiner Kunst

Da soll einmal ein Mädchen aus vornehmem Stand dem Hermann begegnet sein, das er über alles lieb gewann. Aber in damaliger Zeit konnte kein Mensch dran denken, daß ein vornehmes Fräulein sich mit einem bürgerlichen Sohn eines Erzgießers verbinden würde. So blieb Hermann allein. Aber wir haben vielleicht ein Bild von seiner Liebe in den Leuchterweiblein am Grab des Sebaldus. Da sitzt ein schönes Mädchen es ist eine Seejungfrau und hält eine Kerze in die Höhe. Sie ist ganz bei der Sache und schaut nicht rechts und links. Auf einem zweiten Bildwerk sehen wir das Leuchterweiblein immer noch bei der Sache, aber von hinten kommt eine Schlange dahergekrochen. Auf dem dritten Bildwerk ist die Schlange schon näher gekommen. Da wendet sich das Weibchen und vergißt seine Kerze. Voll Neugier schaut sie der Schlange in die glühenden Augen. Beim vierten Bildwerk aber hat sich das Weiblein wieder seiner Kerze zugewandt und hält sie wie vorher eifrig und unverwandt, als wäre nichts gewesen. Das Weiblein, das wir viermal abgebildet finden, soll also ein Bildnis der Liebsten des Hermann Vischer sein. Hermann soll bald, nachdem er seine Arbeiten am Sebaldusgrab beendet hatte, den Tod gefunden haben.

Es war im Winter. Hermann ging in einer engen Nürnberger Straße. Da kam ein Schlitten dahergejagt. Ein herrschaftlicher Kutscher vorn auf dem Bock und hinten im Sitz ein schönes Fräulein. Hermann soll wie gebannt stehen geblieben sein, sodaß die Pferde ihn umstießen und die Schlittenkufen über ihn hinweggingen.

Man sagt, daß das Fräulein, welches sich über Hermann Vischer beugte, bittere Tränen geweint habe.