Mecklenburgs Ackerbau, Industrie und Handel. Von A. Türk, 1850

Mecklenburg dehnt sich von Abend gen Morgen wohl 25—27 geogr. Meilen weit aus, und von Mittag nach Mitternacht 13—17. Es lagert sich das Land zwischen der Unterelbe und der Ostsee. Erstere berührt die Städte Dömitz und Boitzenburg, wodurch Mecklenburg mit Hamburg, der Stadt des Welthandels, und der Nordsee in Verbindung steht. Die Ostsee bespült die nördliche Küste Mecklenburgs in 15—16 Meilen Länge, von Lübeck bis zu Pommerns Grenze, welche die Flüsse Recknitz und Trebel bilden. An der Ostsee liegen die Seestädte Wismar und Rostock, welche bedeutenden Handel mit Korn, Wolle, Eisen usw. treiben, wie die reiche Rederei beweist. Die Küstenflüsse der Ostsee, wie die Nebenflüsse der prächtigen Elbe, welche durch die Wasserscheide aus der Provinz Brandenburg kommend getrennt werden, befördern den Binnenhandel, nebst zwei Eisenbahnen, von denen die westliche, die Berlin-Hamburger Bahn fast neben der Elbe herläuft und nur den unfruchtbaren Westen des Landes durchschneidet. Eine Zweigbahn von Hagenow über Schwerin nach Wismar und Rostock erleichtert den Binnenverkehr, der übrigens durch Kanäle noch weit mehr gefördert werden könnte. Den Süden von Mecklenburg-Schwerin, wovon hier nur die Rede ist, durchschneidet die schiffbare Elde von Osten nach Westen, ein Nebenfluss der Elbe, wodurch die Städte Waren, Plau, Lübz, Parchim, Neustadt, Grabow und Dömitz in Verbindung mit Hamburg stehen.

Schreiber dieses hat vorzugsweise im Sinne, in nachfolgendem Aufsatze das Verhältnis des Ackerbaues und der Industrie und die Mittel zu besprechen, wodurch beide zu fördern, kann jedoch nicht unbemerkt lassen, dass Mecklenburg sich vorzugsweise für den Freihandel verbunden mit Finanzzöllen eignet, und dass den Mecklenburger ein dunkel Gefühl leitet, und daher seine Eingenommenheit gegen den preußischen Zollverein.


Mecklenburg ist vorzugsweise ein ackerbautreibendes Land, und die Produkte des Ackerbaues gestatten überall eine unbedingte Freiheit des Verkehrs. Da die Natur die Hauptrolle dabei spielt, so sind sie, nach dem Klima, der Lage und dem Grund und Boden der verschiedenen Länder, an Art, Quantität und Qualität verschieden, und keine menschliche Kunst ist im Stande, Früchte in großen Quantitäten zu erzielen, oder in gleicher Güte wie besser dazu geeignete Länder hervorzubringen, denen entweder das Klima, oder die Lage, oder Grund und Boden widerstrebt. Andrerseits sind die Gestehungskosten der ländlichen Erzeugnisse in den verschiedenen Ländern, eben weil die Natur die Hauptrolle dabei spielt, relativ gleicher; die Schwere derselben erlaubt nicht immer den Transport in größeren Entfernungen und sie können teils gar nicht, teils nur mit Mühe und großen Kosten auf längere Zeit aufbewahrt werden, ohne zu verderben.

Wenn auf solche Weise die notwendige Verschiedenheit der Produkte des Landbaues in den verschiedenen Ländern den gegenseitigen Austausch auf die Dauer sichert, wenn ein Land in den Produkten des Landbaues, die sich für dasselbe nicht eignen, oder die es aus irgend einem Grunde nicht in hinreichender Menge für seine Bevölkerung hervorbringen kann, niemals ein Übergewicht über diejenigen Länder gewinnen kann, die sich dazu eignen, oder einen Überfluss an den ländlichen Produkten hervorbringen, die jenem Lande fehlen, so ist damit zugleich ausgesprochen dass alle desfalls anzuwendenden künstlichen Mittel zweck- und erfolglos sein und dem Lande, welches sie anwendet, nur Nachteil bringen müssen. Wer daran zweifelt, der darf nur auf England und auf die Nachteile hinsehen, welche es sich durch die Getreidegesetzgebung zugezogen hat und jetzt endlich aufzugeben scheint. Künstliche Mittel, den Ackerbau zu heben, dienen nur zur Verteuerung des Lebensunterhaltes und bringen Entbehrung und Leiden über die zahlreichsten Klassen des Volks; darum sind sie verwerflich und die wahre Handelspolitik eines vorzugsweise ackerbautreibenden Landes fordert überall freien Verkehr mit den rohen Produkten des Ackerbaues. Bei den Produkten des Ackerbaues können Schutzzölle nur bleibende Nachteile herbeiführen, weil die künstliche, durch sie herbeigeführte Verteuerung der ländlichen Produkte eine bleibende sein muss. Der Raum, auf dem sie gebaut werden, kann nicht vergrößert werden, während die auf demselben wohnende Bevölkerung zunimmt. Die Nachfrage wächst aber stärker als das Angebot wachsen kann, deshalb ist ein Sinken der künstlich verteuerten Preise niemals zu erwarten.

Wenden wir uns nun von dem Handel, einer der Grundsäulen des Wohlstandes von einem Staate, zu den beiden andern, Industrie und Ackerbau, mit größerer Vorliebe, so geschieht es deshalb, weil Referent sich bewusst, beide besser zu kennen, und für beide mit gleicher Liebe eingenommen ist. Es gehört kein großer Scharfblick dazu, um zu erkennen, dass nicht nur die Industrie und der Ackerbau gleich wertvoll sind, sondern auch, dass der Ackerbau die Industrie nicht schaffen könnte, denn indem sie den Reichtum und die Zivilisation vermehrt, ist sie allein auch im Stande, den Ackerbau vorwärts zu bringen und vorteilhaft zu machen. Die Industrie verdankt dem Ackerbau wenig; bei weitem mehr verdankt der Ackerbau der Industrie. Dies ist eine Wahrheit, die in Mecklenburg noch manchen Gegner unter den Landleuten findet, und dennoch bedarf es nur eines Blickes auf die Hauptstaaten Europas. Überall, wo die Industrie blühet, ist der Ackerbau fortgeschritten, überall, wo die Industrie mangelt, ist der Ackerbau zurück, England, Belgien und Frankreich sind die bedeutendsten Fabrikländer in Europa, und sie sind die am besten angebauten. In Spanien, Italien, Russland, wo die Gewerbsamkeit noch wenig entwickelt ist, scheint auch der Ackerbau noch in seiner Kindheit zu sein. Und dazu ist der Boden in Spanien und Russland im Durchschnitt fruchtbarer als in Frankreich und England, Fragen wir in einem einzelnen Lande, welche Gegenden am besten angebaut sind, so finden wir, unter sonst gleichen Verhältnissen sind es diejenigen, in welchen die Fabriktätigkeit am bedeutendsten ist. Überall, wo man Fabriken findet, findet man auch einen fortgeschrittenen Ackerbau; überall, wo der Ackerbau auf niederer Stufe steht, schließt man mit Sicherheit, dass die Fabriken hier noch nicht im Gange sind.

Diese Erscheinung ist leicht erklärlich. Denken wir uns ein Dorf in einer sehr fruchtbaren Gegend, aber fern von Fabriken. Dies Dorf wird schwerlich mehr hervorbringen und hervorzubringen suchen, als es eben für sich braucht, denn an wen sollte es das Mehr abgeben? Errichten wir aber in diesem Orte eine Fabrik, die vielleicht 500 Arbeiter nährt, so wird das Erscheinen dieser Verzehrer die Grundeigentümer sogleich bestimmen, mehr, mannigfaltigere und bessere Früchte zu ziehen. Manches Stück Land, manches Dungmittel, das früher unbenutzt lag, werden sie jetzt in Anspruch nehmen, da der leichte und sichere Absatz ihnen sichern Lohn für ihre vermehrte Tätigkeit verheißt. Manche Verbesserung, die aus Mangel an Geld unterlassen war, wurde durch die aus dem bessern Absatz herfließenden Mittel ermöglicht. Frage man nur in den Städten des Landes nach, in welchen in den letzten Jahrzehnten Fabriken oder Manufakturen gegründet worden sind, welche Wirkungen diese hervorgebracht haben? Mögen einzelne Gewerke über Beeinträchtigung ihres Verdienstes klagen, im Ganzen wird man hören, dass der empfangene Arbeitslohn die Lage der Armen verbessert hat, dass die Grundbesitzer, die Handelsleute, kurz Schuster und Schneider gewonnen haben, und manche Arbeitskraft in Tätigkeit gesetzt worden ist, die früher unbenutzt war. Derselbe Vorteil, welcher dem Umkreise einer Fabrik aus dieser entspringt, erwächst einem ganzen Lande aus vielen Fabriken. Wer dies bezweifelt, der kann den Beweis für diesen Satz in der Geschichte aller Zeiten finden. Nirgends sind die Völker in dem Grade reicher, mächtiger, zivilisierter, als ihr Gebiet fruchtbarer und ausgedehnter ist, sondern je bedeutender, entwickelter und blühender ihre Industrien sind. Wo findet man wohl ein Volk auf Erden mit vielen Fabriken, das hinter einem Volke von gleicher Menge und gleicher Gebietsgröße, aber ohne Fabriken, zurückgestanden hätte? Wohl weiß ich, dass der Einwurf gemacht wird, und nicht bloß von den Schutzrednern des Ackerbaues: in England ist die Industrie sehr entwickelt und doch ist eben daselbst das Elend sehr groß. Es ließe sich freilich darauf antworten, dass die Armen in England mehr auszugeben haben, als manche Grundeigentümer in andern Ländern. Aber zugegeben, in England herrschte wirtlich ein sehr großes Elend, würde es geringer sein, wenn England weniger Fabriken hätte? Würden die Arbeiter dann weniger Not leiden als jetzt? Würde England reicher und blühender sein, wenn wir seine Fabriken uns wegdenken? — denn wegnehmen können wir sie nicht. Man hält sich die Augen zu, um die Wahrheit nicht zu sehen, und greift zu Vergrößerungsgläsern, um ein recht großes Elend zu erblicken.

Ferner heißt es: in den Städten, wo die Industrie am meisten entwickelt ist, findet man die meisten Armen; also ist es die Industrie, welche das Elend erzeugt. Die so sprechen, sehen die Sache nur oberflächlich an. Hat die Industrie, wenn sie in ein Land einzog, lauter Millionäre gefunden? Schafft sie die Armen? Nein! sie vermehrt sie nicht, sie vermindert die Zahl der Armen. Es ist vielleicht nicht in Abrede zu stellen, dass in den Fabrikstädten die meisten Armen sind. Was ist aber der Grund dieser Erscheinung? Wahrlich nicht die Gewerbetätigkeit in solchen Städten, sondern der Mangel an Erwerb außer ihnen. Wäre außer ihnen mehr Gelegenheit zum Verdienst, so würde die Arbeiterbevölkerung sich nicht in jene Städte drängen. Verlassen die Arbeiter das Land, um in die Städte zu wandern, dann geschieht es offenbar, weil sie hier mehr Hilfsquellen finden als dort. In Baiern sollen drei Fünftel der Arbeiterbevölkerung vom Lande in die Städte ziehen, und sollte es wohl in Mecklenburg anders sein, wo im Domanium wie in der Ritterschaft jede Wohnungsvermehrung gehindert wurde, um nicht die Armenversorgung zu vergrößern und dadurch die erkünstelte Übervölkerung in die Städte getrieben wurde?

Es ist offenbar Unrecht, zu behaupten, dass die Industrie das Elend vermehre: vielmehr vermindert sie es und schafft Reichtum, denn ihr wendet sich zu, wem der Ackerbau nicht das Notwendige gewährt. Es gibt Leute, welche sich einbilden, wenn die Zahl der Fabriken in Deutschland sich verringerte, so würde unser Ackerbau einen größeren Aufschwung nehmen. Denken wir uns alle Fabriken weg, so entziehen wir damit in Gedanken dem Ackerbau etliche Millionen Verzehrer. Könnte der Ackerbau diejenigen Leute beschäftigen, welche jetzt in Mecklenburg die Industrie ernährt, so sehr diese auch noch gegen andere Länder zurücksteht? Im Gegenteil, er müsste einen Teil seiner jetzigen Arbeiter entlassen. Wenn die Gewerbearbeiter aufs Land zurückströmten, dann würde dies freilich eine Menge Verzehrer gewinnen, aber nicht Verzehrer mit Geld in den Händen, und doch können nur solche der Entwicklung des Ackerbaues förderlich sein. Ist der Ackerbau wenig fortgeschritten, so liegt der Grund darin, dass die Industrie nicht ausgedehnt ist. Wenn in Gegenden, die keine Fabriken haben, solche entständen, wenn in den vorhandenen Fabriken die Zahl der Arbeiter zunähme, so fände der Ackerbau mehr Verzehrer, er würde mehr gewinnen, er würde den vermehrten Gewinn auf Verbesserungen wenden können, die er jetzt unterlassen muss, und der tatsächliche Beweis, dass der Ackerbau lohnend ist, würde Anstrengungen hervorrufen, von denen wir jetzt keine Vorstellung haben. Man sieht also, Ackerbau und Industrie sind keine Gegner, sondern haben einerlei Interesse. Die Entwickelung der Industrie bedingt die Entwickelung und das Gedeihen des Ackerbaues! das Schwinden der ersteren würde das Verderben des letzteren sein. Mecklenburgs Landleute werden gut tun und ein begangenes Unrecht wieder gut machen, wenn sie einen ehrlichen Bund mit der Industrie des Vaterlandes schließen. Ein solcher Bund ist um so fester und dauernder, je natürlicher er ist, da beide Zweige, Landwirtschaft wie Industrie, sich wechselseitig ergänzen und bedingen, gegenseitige Abnehmer und Kunden sind, und beide im Leben und Boden desselben Vaterlandes wurzeln. Die Klugheit wie die Gerechtigkeit fordern dies, und mögen daher die nachfolgenden Winke Beherzigung bei unfern Landleuten finden.

Unverkennbar tritt z. B. ein neuer Konkurrent in der australischen Wolle auf, welche seit kurzem so massenhaft auf den englischen Märkten erscheint, dass sie die deutsche Zufuhr schon überflügelt und in jüngster Zeit sogar auf unsern deutschen Wollmärkten aufgetreten ist. Überhaupt muss unsere deutsche Landwirtschaft und insbesondere die Mecklenburgs, zu dem Verständnis kommen, dass wir nicht im Stande sind, länger noch den Kampf mit den neuen Welten aufzunehmen, und dass wir uns frühzeitig an etwas Anders gewöhnen müssen, so ungern wir uns auch dazu verstehen mögen. Es ist für ein dicht bevölkertes Land, es ist für Deutschland mit seinem hohen Wert des Grundeigentums nicht möglich, die Konkurrenz mit einer Landwirtschaft auszuhalten, die in unabsehbaren Gefilden mit fruchtbarster Erde und wohlfeilsten Preisen betrieben wird. Jetzt, wo die ganze Erde durch Dampfschifffahrt verjüngt wird, können mit wenig Kosten und in kurzer Zeit die Bodenerzeugnisse der fernsten Länder auf die europäischen Märkte massenhaft geliefert und um Preise zum Verkauf gestellt werden, denen gegenüber wir gar nicht zu bestehen im Stande sind. Den neueren Nachrichten zufolge wird von England aus Alles versucht, die australische Wolle auf jede Weise zu veredeln und gleichzeitig die Herden zu vermehren; und wir fragen, wie es den nordischen Provinzen Deutschlands noch ferner möglich sein sollte, diesem Australien gegenüber, das unabsehbare fette Weiden dem Schafzüchter beinahe unentgeltlich bietet, den Wollhandel für die Zukunft behaupten zu können? Vom Jahre 1800 bis zum Jahre 1838 war die deutsche Wollausfuhr nach England in stetem Wachstum begriffen, so dass 1814 unsere Ausfuhr aus ganz Deutschland 3.595.146 Pfd., dagegen im Jahre 1848 ungefähr 29.000.000 Pfd. betrug. Inzwischen begann die Mitbewerbung von Australien, und während dieselbe von 1814—15 nur die Summe von 41.000 Pfd. betrug, stieg dieselbe im fortlaufenden Verhältnisse in der Art, dass dieselbe im Jahre 1841 bis auf 12.959.671 Pfd. wuchs, und schon im Jahre 1842 mit 17.323.111 Pfd.. die deutsche Einfuhr in demselben Jahre von 16.895.448 Pfd. übertraf. Im Jahr 1848 endlich beträgt die deutsche Einfuhr nur 14.500.990 Pfd.. während die australische auf 29.939.416 Pfd. stieg. In diesen Zahlen liegt unsere Zukunft des Wollhandels klar bezeichnet, und ähnliche Ergebnisse werden in Bezug auf das Getreide zu Tage kommen, was unleugbar Mecklenburgs Hauptausfuhr-Artikel sind, so dass man mit Sicherheit sagen kann, es stehen unserer Landwirtschaft wesentliche Veränderungen bevor, welche sie zwingen werden, statt ihr Heil vom Auslande und von England zu erwarten, sich an die vaterländische Industrie anzuschließen

Und nicht allein die Klugheit, nein auch die Gerechtigkeit fordert, dass Mecklenburgs Landwirtschaft sich mit der Industrie verbinde, denn wer trug die Schuld, dass die Städte im Hungerjahr von 18446 auf 47 sich nicht selbst helfen konnten? Wer anders als die größtenteils unbemittelte und ungebildete Übervölkerung, die aus dem Domanium und den Rittergütern in die Städte gedrungen war, wohin sie getrieben wurde, weil sie in der ländlichen Heimat kein Unterkommen finden konnte; wohin sie gelockt wurde, teils weil sie bei den Gewerben, ihrer Ansicht nach, im höheren Grade ihr Streben nach Unabhängigkeit befriedigen konnte und im ganzen eine weniger anstrengende Arbeit als bei dem Ackerbau habe, teils weil die Hoffnung auf bessere Löhne und die teilweise Erreichung solcher ihr vorschwebte, teils weil sie überhaupt den Arbeiterstand der Gewerbe über denjenigen der Landwirtschaft erhob. Ja, je größer die Bedrückungen waren, welchen sich hier und da die armen Tagelöhner auf dem Lande den reichen Bauern und vornehmen Gutsbesitzern gegenüber öfters unterwerfen mussten, desto sichtbarer war das Bestreben der ersteren, in die Städte überzusiedeln und ihre Söhne dem Gewerbestande zuzuführen.

Das nächste Mittel, die Städte zu heben und ihnen die Möglichkeit zu geben noch mehr Menschen durch die Industrie zu beschäftigen, wäre die Teilbarkeit des Grund und Bodens, namentlich der großen Güter in der Nähe der Städte, wodurch auch zugleich ein Teil der wenig gebildeten und mittellosen ländlichen Bevölkerung von der Übersiedelung in die Städte abgehalten würde. Wohl weiß ich, dass viel geschrieben und gestritten worden ist über den Nutzen und die Nachteile der Teilbarkeit oder Unteilbarkeit des Grund und Bodens; ohne dass zur Zeit noch etwas ausgemacht worden ist. Während einige behaupten, große und unteilbare Güter wären vorzuziehen, weil sie den größten Überschuss, an Erzeugnissen zu verschaffen und den Glanz der Familien zu erhalten geeignet wären, versichern andere, die größte Teilbarkeit sei im Gegenteil zu empfehlen, da der Anbau kleiner Stücken Feldes mit viel größerer Sorgfalt und Aufmerksamkeit unternommen werde und daher den größtmöglichen Ertrag zu gewähren im Stande sei. Wieder andere empfehlen eine Mittelstraße; sie wollen die einzelnen Parzellen nicht kleiner, als dass sich eine Familie davon ernähren könne, und weisen auf die Nachteile hin, welche die Zersplitterung des Grund und Bodens in allzu kleine Parzellen herbeiführe. Bei der großen Wichtigkeit der Frage verdient die Sache genauere Erörterung, Unstreitig hat jede dieser Ansichten gewichtige Gründe für sich, doch ist bei stärkerer Zunahme der Bevölkerung die erstere wohl die unhaltbarste, obgleich sie manchen Verteidiger unter Mecklenburgs Gutsbesitzern hat. Doch scheinen diese Herren zu verkennen, dass allzu große Güter teils wegen der Schwierigkeit einer überall gleich genauen Übersicht, teils auch wegen Mangels an ausreichendem Kapital zum gehörigen Wirtschaftsbetriebe, in der Regel nicht den größten Ertrag gewähren. Die Besitzer derselben übten bis zum Jahre 1848 und üben vielleicht wiederum einen Einfluss, der, wie Englands Beispiel zeigt, auf allen Klassen der Bevölkerung Mecklenburgs drückend lastet. Erheblicher sind jedenfalls die beiden anderen Ansichten. Soll ich offen meine Meinung aussprechen, so halte ich sie beide bedingungsweise für richtig, so sehr auf den ersten Anblick die eine die andere auszuschließen scheint. Ich halte die zweite für richtig in Gegenden, wo die Bevölkerung sich fast einzig und allein von dem Landbaue und den lokalen Gewerben ernähren kann, wie dies in Mecklenburg unbedingt der Fall ist. Dagegen ist die dritte gewiss richtig in den Gegenden, wo eine starke und fabrikartige Industrie sich entwickelt hat, wie in einzelnen Teilen von Sachsen, den Rheinländern usw. Sie enthalten eine viel stärkere Bevölkerung als der Ackerbau beschäftigen kann. Diese muss in Masse zu industriellen Beschäftigungen übergehen, um bei denselben ihren Unterhalt zu suchen. Bei einer zahlreichen Bevölkerung drückt die Konkurrenz der Arbeiter dm Arbeitslohn herab und der Erwerb der industriellen Arbeiter ist stets unsicher. Jede der sich in der neuesten Zeit immer öfter wiederholenden Krisen wirkt auf sie ein und schmälert ihren Verdienst oder beraubt sie desselben auf längere oder kürzere Zeit wohl ganz. Darin ist vorzüglich der Grund der unter diesen Klassen sich zeigenden Verarmung zu suchen, die nur zu häufig zur Entsittlichung, zu Lastern und Verbrechen führt.

Ich hoffe, die zukünftige Volksvertretung möge in allen ihren Teilen von wahrer Vaterlandsliebe geleitet sich entschieden gegen jede Bauernlegung und jegliches Fideikommiss und für die allmähliche Verkleinerung des Grund und Bodens aussprechen. Wären die Stände aber taub gegen die Stimme der Klugheit, der Gerechtigkeit und der Vaterlandsliebe, dann wird hoffentlich die Staatsregierung festhalten an dem Spruche: „Salus publica, suprema lex.“*) Diesen Grundsatz der römischen zwölf Tafeln sollte jede Regierung besonders dann ins Auge fassen, wenn es gilt, Gesetze und Institute zu verbessern, die der Hebung des Gewerbefleißes im Wege stehen. Werden die Hemmungen des Gewerbefleißes entfernt, so mehren sich demzufolge die Reichtümer des Landes. Vorteil, Wohl und Kraft der Regierenden und Regierten gehen Hand in Hand; sie gleichen dem Geiste und den Nerven im menschlichen Körper, welche nur bei gegenseitiger Gesundheit harmonisch wirken.

*) Die Sicherheit der Bevölkerung ist das höchste Gesetz.
Das öffentliche Wohl ist das oberste Gesetz.
Das Wohl des Volkes ist das oberste Gesetz.


Nun sei schließlich erlaubt, von den Bildungsmitteln zu reden, womit dem Ackerbautreibenden wie dem städtischen Gewerbsmanne zu helfen ist. Zuvörderst sei mir vergönnt, um sogleich alle Missverständnisse abzuschneiden, anzugeben, worin, nach meiner Meinung, diese Hebung der Ackerbautreibenden und Gewerbsleute nicht bestehen kann. Beide gehören dem Arbeiterstande an, und der Arbeiter soll nicht in eine Lage versetzt werden, die ihn der Arbeit überhebt. Ich verlange keine Verbesserungen, welche mit der Zeit den Arbeiter von seiner täglichen Arbeit entbinden: noch mehr, ich finde es gar nicht wünschenswert, dass er seine Werkstatt, seine Büdnerei verlasse, dass er seine Werkzeuge aus der Hand lege und aus dem Leben einen langen Feiertag mache. Die menschliche Natur ist auf eine Welt eingerichtet, in welcher die Arbeit zur Erhaltung des Lebens notwendig ist. Wer anders als ein Tor möchte unsere Abhängigkeit von den Naturgesetzen, von Hunger und Kälte behaupten und die Notwendigkeit eines beständigen Kampfes mit der Körperwelt aufgehoben wissen! Eine Welt, die uns alle Bedürfnisse ohne Anstrengung von unserer Seite gewährte, würde ein verächtliches Geschlecht aus uns machen. Der städtische gewerbliche, wie der ländliche Arbeiter darf nicht von seiner Arbeit befreit werden, denn dies würde ihn nicht erheben. Die körperliche Arbeit muss vielmehr wesentlich zu seiner Erhebung beitragen. Allein wenn die Arbeit wohltätig auf den ganzen Menschen wirken soll, so muss sie zu den übrigen Seiten des menschlichen Wesens, zu dem Bedürfnis nach freiem Genuss, zu dem Streben nach Einsicht, in einem gewissen Verhältnis stehen. Überschreitet sie dieses, so bewirkt sie Nachteil. Wenn sie das ganze Leben einnimmt, wie dies bei dem geringeren Bürger und Landmann unbedingt der Fall ist, so ist die Arbeit eine Last, ein Übel. Darum primum est vivere, deinde philosophari. Erst Brot, dann Weisheit. Mit der Arbeit müssen die höheren Bildungsmittel verknüpft werden, sonst erniedrigt sie, statt zu erheben. Das menschliche Wesen hat verschiedene Seiten, welche alle mehr oder weniger beschäftigt werden müssen, wenn sie nicht verkümmern und mit ihnen der ganze Mensch leiden soll. Mit den körperlichen Arbeiten müssen Erholungen, gesellige Unterhaltungen, Lernen und Nachdenken abwechseln. Der Mensch jeglichen Standes hat Vernunft, Gemüt, Einbildung, Kunstsinn, so gut wie Muskeln und Knochen, und es geschieht ihm großes Unrecht, wenn er durch die Sorge für seinen leiblichen Unterhalt ausschließlich zu körperlicher Arbeit genötigt wird. Das Leben sollte ein Wechsel verschiedener Beschäftigungen sein, durch welche jedes Vermögen in Tätigkeit gesetzt wird. Die Erhebung der Gewerbetreibenden in den Städten, wie des geringeren Landmanns soll ferner nicht darin bestehen, dass sie mit den sogenannten höheren Ständen auf eine Stufe gestellt werden. Sie sollen nicht in Herren und Damen verwandelt, nicht mit künstlichem Rang und neuen Titeln angetan werden. Ihre Veränderung soll eine innere, ihre Erhebung eine solche sein, die wahrhafte Achtung gebietet. Haben sie durch die Kraft ihres Willens, durch ausdauernde Anstrengung eine höhere, innere Würde erreicht, so werden sich die äußeren Abstände leicht ausgleichen. Mögen sie immerhin am Ende eines Tages eine reinere Kleidung anlegen, den Staub und den Schweiß von Gesicht und Händen waschen und sonst für die Gesundheit und Schönheit ihres Körpers sorgen — das geziemt jedem Menschen; — aber nicht, um in Kreise geputzter und parfümierter Herren und Damen einzutreten. Um seine eigene Veredlung soll der Arbeiter ringen, nicht um die Vorurteile, um die scheinbaren oder wirklichen Vorzüge der sogenannten höheren Stände.

Endlich ist es nicht meine Meinung, dass die arbeitenden Klassen durch ihre Erhebung zu politischer Obermacht gelangen sollen, so dass sie durch Stimmenmehrheit die Regierung zu Maßregeln nötigen können, welche ihre besonderen Vorteile begünstigen, die der übrigen Klassen aber verletzen. Keine Klasse, kein Stand soll herrschen; alle Teile der Gesellschaft sollen gleichen Schutz in der Regierung finden; ihre Gemeinzwecke sollen auf gleiche Weise vertreten sein. Keineswegs ist aber damit gesagt, dass die große Menge die Politik unbeachtet lassen soll. Sie mag sich namentlich in den Belehrungsvereinen mit politischen Fragen beschäftigen, um zur Einsicht in die öffentlichen Verhältnisse, in die gemeinsamen Zwecke, für welche der Staat zu sorgen hat, zu gelangen, aber nicht um diese Verhältnisse leiten zu wollen, sondern vielmehr um sich zu überzeugen, welche umfassende Kenntnisse und tiefe Einsicht es erfordert, die öffentlichen Angelegenheiten eines Gemeinwesens zum wahren Wohle Aller zu verwalten. Die Menge soll mit Ernst und Eifer das Gemeinwohl kennen lernen, um über die Grundsätze der Verfassung, über den Zweck und die Wirksamkeit öffentlicher Maßregeln nachzudenken; daraus erwächst keinem Staate Gefahr, sondern Kraft und Sicherheit. Der Grund zu Befürchtungen ist darin zu suchen, dass das Volk ohne Einsicht in die öffentlichen Angelegenheiten, ohne die Fähigkeit über das wahre Gemeinwohl nachzudenken, dennoch nach Mitteln greift, sich zu helfen, wenn ihm seine Lage unerträglich wird.

Wenn das Volk seine politische Blindheit abgelegt hat, werden seine politischen Handlungen nicht mehr zu fürchten sein. Wo aber die freie Presse auf das Volk einwirkt, wo Parteiblätter gelesen und Parteifragen verhandelt werden, da erniedrigen die aufgestachelten Leidenschaften die in ihrer Bildung vernachlässigte Menge zu Menschenverehrern und Menschenhassern, zum Spielball ränkevollen Ehrgeizes und zu Sklaven der Parteisucht; und dies wird so lange fortgehen, bis auch die Masse des Volts in politischen Dingen, statt blinder oder selbstsüchtiger Leidenschaften, einer durch eigenes Denken erlangten Einsicht folgt. Es gibt keinen andern Weg, das Volk durch Politik zu heben, als indem es veranlasst wird, über Politik zu denken, und dazu können allgemein durchgeführte Volksschulen und dann Belehrungsvereine für die Erwachsenen die beste Gelegenheit geben.

Anfangs beabsichtigte ich nicht, bei der Bekämpfung der Vorurteile gegen die Volksbildung so lange zu verweilen; allein die Wichtigkeit des Gegenstandes wie die Herrschaft der bekämpften Vorurteile bei den höheren Ständen, entspringend aus der Verwechselung der wahren mit der falschen Aufklärung, und endlich der Wunsch, die sogenannten höheren Stände warm und lebendig für die Volksbildung zu interessieren, so dass jeder freudig sein Scherflein dazu beitrage, bestimmten Schreiber dieses zu jener Erörterung. Die Wissenschaft hat sich in ihren großartigen Fortschritten zu weit vom Volke entfernt und dadurch sind auch die Freunde derselben in ein ganz unnatürliches Verhältnis zu dem Volke gekommen; aber soll dem Ackerbau und dem Gewerbefleiße geholfen werden, so muss die Wissenschaft im Volke durch Popularisation lebendig werden, so muss die Jugend nicht bloß der Schule gehören, nein, die engen Grenzen des Unterrichts müssen erweitert und neue Räume der Erkenntnis für die Jünglinge und Männer des Volks müssen geschaffen werden. Schon im Jahre 1844 interessierte sich lebhaft für die Volksbildung in zwei kleinen Schriften „über Volks- und Bürgerakademien“ und in der Anrede „an die wissenschaftlichen Beamten Deutschlands“ Dr. Stab, Prediger zu Jänichendorf bei Luckenwalde. Er suchte den Kastengeist zu bekämpfen, aber wo in Deutschland herrscht in höherem Maße der Kastengeist als grade in Mecklenburg? Er sagt sehr richtig! „Welchen Namen wir auch führen, Juristen oder Theologen, Mediziner oder Philosophen, Philologen, Doktoren, Professoren, Beamte. Pächter oder Eigentümer, Post- oder Forstoffizianten, lassen Sie uns Alle für das Volk arbeiten, denn wir leben Alle von dem Volke. Lassen Sie uns als wahre Volksmänner zum wahren Wohle desselben sein geistlichen Führer sein!“ Möge jeder nach seiner Neigung und seinen Kräften eins oder das andere Mittel, die Landwirtschaft und die Industrie zu heben und zu fördern, mit regem Eifer ergreifen. Wir können uns die Krankheit des Volkes nicht verhehlen, wir wollen es liebevoll ohne Eigennutz behandeln, damit es gesund werde in jeder Beziehung. Liebe zur Menschheit ist das heilige Gesetz des Christentums, dem wir Alle unterworfen und das einzige Mittel, die zerrissenen Volksverhältnisse wiederum zu heilen. Dazu sind wir Alle berufen, vermöge der ursprünglichen allgemeinen Amtsidee, nach welcher das Amt nichts anders als das Mittel ist, wodurch das Volksleben unter den heilenden und segnenden Einfluss der Wissenschaft gestellt, das Volksleben mit der Wissenschaft versöhnt werden soll.

Wenden wir uns nun zu den Mitteln, welche die Grundlage bilden, um bei allen landwirtschaftlichen Hantierungen einen höhern Grad von Vollkommenheit der Arbeiten hervorzurufen, so kann ich es nicht verhehlen, dass ich wünsche, die Erziehung möge ein methodisches Ganze bilden und der Kreis der Schule nach unten und nach oben erweitert werden. Wenden wir unsere Aufmerksamkeit zunächst auf den Betrieb der gewöhnlichen Bauern- und Büdner-Wirtschaften, so werden wir die Wahrheit bestätigt finden, dass die Art und Weise ihrer Bewirtschaftung ein deutliches Bild von der geistigen Entwicklung des Denkvermögens der Wirtschaftsführer liefert. Betrachtet man die Beschaffenheit des Anlage von Dungstätten, sowie die Behandlung des Düngers auf denselben, so kann man mit Sicherheit auf den Grad der Intelligenz, auf den Verstand oder Unverstand des Wirtschafters schließen. Überall, in Haus und Hof, findet sich ein getreuer Abdruck der Verstandesentwicklung. Nehmen wir die Feldbewirtschaftung zum Gegenstände unserer nähern Untersuchung, so stellt sich hier ein getreues Gemälde als Ausspruch des dabei entwickelten Denkvermögens dar. Die sogenannten Schlendrianswirtschaften, die vom Vater auf den Sohn forterben, entbehren öfters alle Intelligenz, und der Enkel kann sich manchmal keines weitem Fortschrittes rühmen, als der Urgroßvater vor einem Jahrhundert. Solche Wirtschaften, deren es in Mecklenburg nicht wenige giebt, tragen zu deutlich das Kennzeichen eines instinktartigen Mechanismus an der Stirne. Betrachtet man noch das Heer der Vorurteile und des Aberglaubens, welches in dem Gehirne des Landmanns spuckt und das den Fortschritten der Zeit hindernd in den Weg tritt, so sieht man sich hier noch in das dunkle Zeitalter früherer Jahrhunderte zurückversetzt. Alle Stände schreiten mit der Zeit vorwärts, nur der bedeutende Bauernstand, der wichtigste unter allen schon durch die Zahl, bleibt auf dem Stande des Beharrungsvermögens. Gehen wir auf den Grund dieser Erscheinung, so finden wir, dass die allgemeine Bildung, welche die Elementarschulen den Bauern gewähren, nicht hinreicht, bei demselben ein freies technisches Urteil zu entwickeln, so dass er selbständig das bessere und erprobte Verfahren von dem schlechtem und unzweckmäßigen auszusichten im Stande wäre. Es entsteht nun die Frage, welches sind die zweckmäßigsten Mittel, wodurch auf die Verbesserung des landwirtschaftlichen Betriebes bei dem Bauern- und Büdner-Stande eingewirkt werden kann?

Wenn der Verfasser dieses sich erlaubt, hier diejenigen Mittel anzugeben, welche zur Verbesserung des landwirtschaftlichen und gewerblichen Betriebes einzuwirken im Stande sein dürften, so kann er den Wunsch nicht unterdrücken, die Grundlage zu einer Verbesserung recht fest und sicher gelegt zu sehen und dämm zunächst für Stadt und Land zu empfehlen:

1) Spiel-, Bewahrungs- oder Kleinkinderschulen. Die ersten Eindrücke sind für das Leben die bleibendsten und das Triennium vom dritten bis zum sechsten Jahre ist für die Menschenbildung oft wichtiger als das Triennium des Gelehrten auf Universitäten. König z. B. zeigt sich in seiner Schrift „über die Erziehung des Landvolks zur Sittlichkeit“ (Halberstadt 1840) als ein sehr beredter Verteidiger der Kleinkinderschulen, und nachdem er den Zustand der aufsichtslosen Kinder im Einzelnen geschildert hat, sagt er: „Stumpf, roh müssen die so verwahrloseten Kinder werden; ich bin oft erstaunt, wenn ich die einst so hübschen Kinder in der Schule wieder fand; alle Anmut war verloren; das tierische Element lag auf ihrem Angesichte“. Wohl weiß ich, dass die Kleinkinderschulen als eine neue Form des grausamen Kinderzwanges ihre Gegner haben, aber ich meine, man richte Kleinkinderschulen ein, damit die Kleinen wieder frei und jung, mit einem Worte wieder Kinder werden. Daher sei die allgemeine Regel körperliche und geistige Beschäftigung, aber keine Arbeit. Heiter, kindlich beschäftigen, nicht lernen; spielen, nicht turnen; sprechen, nicht lesen; malen, nicht schreiben; zählen, nicht rechnen; viel Sand, viel Steinchen, viel Klötzchen, auch kein Mangel an Geschichtchen, Verschen, Liebchen; dabei Ordnung, Reinlichkeit, Wahrheit bis ins Kleinste und diese Tugenden werden in spätem Jahren sich nicht verwischen. Man denke sich nur den Segen einer solchen Einrichtung in seinem ganzen Umfange und sage mir, ob es wohl unwahrscheinlich ist, dass manches dieser Kinder auf seine Eltern zurückwirkt, so dass in ihrer Brust beim Anblick ihres ganz umgewandelten Kindes ungewohnte Gefühle rege werden.

Das zweite Glied in der Kette der Volksbildung und namentlich der ländlichen Bevölkerung bildet eine zweckmäßige elementare Schulbildung. Dieselbe soll die Hauptgrundlage jeder künftigen Berufsbestimmung bilden. Sie hat die Aufgabe zu lösen, vorzugsweise alle Geisteskräfte der Kinder harmonisch zu wecken, zu entwickeln und auszubilden. Erst dadurch wird der Mensch in die Sphäre seiner wahren Menschenwürde eingeführt. In dieser Hinsicht erscheint aber gewöhnlich bei der Elementar-Schulbildung eine bedeutende Lücke; denn häufig beschränken sich die Schulkenntnisse auf mechanische Fertigkeit im Bibellesen, Schreiben, etwas Rechnen ohne Einsicht und auf gedankenloses Hersagen auswendig gelernter Bibelsprüche und Liederverse, namentlich in mehreren ritterschaftlichen Schulen. Die Entwicklung und Stärkung der Verstandeskräfte bleibt dagegen brach liegen und dadurch ist es auch nur zu erklären, dass in bedeutenden Dorfschaften sich nicht einmal eine Persönlichkeit zu einem Schulzen findet, oder die Klage der Beamten, dass in diesem oder jenem Dorfe sich nicht Einer fände, welcher der Feder kundig, um eine Vormundschaftsrechnung zu führen. Ähnliche Erscheinungen müssen auch in Bayern vorkommen, deshalb schlägt Dr. Riederer in Freisingen in seinem Buche, betitelt: „Die Bildung des Landmanns, eine dringende Forderung der Gegenwart“, vor, baldigst die Anfertigung eines Leitfadens in Form eines Lese- oder Diktandobuches als Richtschnur für den Lehrer anzufertigen, in welchem die für die Landwirtschaft notwendigsten Vorbegriffe aus den Naturwissenschaften in eine auf die Fassungs- und Anschauungsgabe dieser Schüler berechnete Ordnung und Steigerung enthalten sind. Verwahren muss ich mich in diesen unsern Tagen, in denen man leicht zu Extremen greift, gegen die Beschuldigung, als wolle ich die Religion von der Schule ausgeschlossen wissen, bin aber der Ansicht, dass diese eben wünscht, der Mensch möge sich tempestive für seinen Beruf bilden.

Das dritte Glied in der Kette der Volksbildung sind die Sonn- und Feiertags-, auch Fortbildungsschulen, welche die Jünglinge vom 14—18. Lebensjahre in der Entwicklung ihrer Denkkraft weiter fortführen. Würde, was bei der Elementarschulbildung so häufig vermisst wird, die Aufsatzübung und das Denkrechnen, beides Lehrgegenstände, besonders dazu geeignet, die Denkkraft zu entwickeln, zu üben und zu stärken, nachgeholt, so dürften die bessern und zweckmäßigem Erfahrungen im Gebiete der Landwirtschaft leichtem Eingang finden. Der plötzliche Sprung aus der Elementarschule in das unbewachte Leben ist unter allen Umständen und in allen Ständen so gefährlich, dass die Erziehung notwendig darauf denken muss, demselben Stufen unterzulegen, welche das Wagnis etwas mäßigen. Nicht, um einige Prozente Wissens mehr unter das Volk zu bringen, oder einige Samenkörnlein der Schule vor dem Verlorengehen zu bewahren, müssen wir Fortbildungsschulen für die Halbjünglinge und Jünglinge gründen, sondern um ihrer Gesinnung auch fernerhin Meister zu bleiben und sie zur Gesetzlichkeit, zur Achtung vor Sitte und Recht zu gewöhnen. Fortbildungsschulen sind auf dem platten Lande wie in der Stadt gleich notwendig, weil in den oben bezeichneten Jahren Triebe und Neigungen erwachen, zu deren Bekämpfung der junge Mensch seine ganze Kraft zusammennehmen muss. Auf dem eigentlichen platten Lande, wo die ganze Einwohnerschaft von dem Ackerbau lebt, wo das Bedürfnis der Fortbildungsschulen am wenigsten fühlbar ist, und darum sich auch wohl keine Spur derselben findet, wie in Mecklenburgs Städten schon seit zwei Jahrzehnten und darüber, hat gleichwohl die Sache die geringsten Schwierigkeiten, wenn man sich anders mit einer Sonntagsschule im Sommer begnügt und im Winter die ohnehin müssigen Abende benutzen will. Finden die Sonntags- oder Feiertagsschulen als vermeintliche Entweihungen des Sonntags in der Geistlichkeit zu vielen Widerspruch, obgleich die Langeweile sie schon schaffen könnte, wenn Pfarrer und Schullehrer im Dorfe wohnen und dazu die Hand bieten, so greife man nun zum vierten Gliede in der Volksbildung, zur Errichtung von Winterabendschulen für erwachsene Jünglinge, wie sie in mehreren Gegenden Württembergs bestehen, denn sie bieten ein sehr wirksames Mittel dar, mit gutem Erfolge auf das künftige Berufsleben segensreich einzuwirken. Sollen aber diese Fortbildungsschulen in ihren verschiedenen Gestalten wirklich gesegnete Früchte tragen, so muss die erwachsene Jugend dahin gebracht werden, dass sie etwas lernen und sich für etwas Höheres als den Sinnengenuss bilden will, einmal weil Gesetz und Sitte es so befehlen, und dann, weil es Ehre und Vorteil bringt. Den ersten Schritt hat ohne Zweifel der Staat zu tun, indem er erklärt: das Schulverhältnis höre mit der Konfirmation nicht gänzlich auf, sondern werde, was die Zucht betrifft, durch die Behörde fortgesetzt, was den Unterricht, so werde er in keinem Falle plötzlich und ganz abgebrochen. Ist einmal das Vorurteil, die Konfirmation emanzipiere, mache den Knaben zum Manne, das Mädchen zur Dame, gebrochen, so ist in allen Ständen schon die Hälfte gewonnen; dann hört das Widerstreben gegen das Lernen auf, und das Lernen selbst ist bald getan.

Freilich der misslichste Punkt bei den Fortbildungsschulen bleibt zuletzt wieder die Finanzfrage i allein die Wichtigkeit des Gegenstandes, die zu hoffenden guten Folgen, noch mehr die Gefahr, welche aus der Vernachlässigung einer folgerechten Disziplinierung der niederen Klassen entspringt, wie uns dies zum Teil die vorhergehenden Jahre gezeigt haben, sollte eigentlich jedes finanzielle Bedenken niederschlagen, und die Reichen sollten aus purem Egoismus zu jeder die Gefahr vermindernden Einrichtung beisteuern. Der Staat, der Repräsentant der höheren Intelligenz eines Volkes, sollte doch wohl berechnen können, dass ein einziges Prozent weniger Dürftige die kostspieligste Einrichtung für Fortbildung in einer Gemeinde aufwiegt, dass es lediglich ein Vorschuss ist, welchen die Staatskasse der Armenkasse macht, wenn sie die Kosten für eine Zivilisationsanstalt des Volks trägt, ein Vorschuss, der sich reichlich verzinset. Sollen übrigens die Fortbildungsanstalten in Stadt und Land für das männliche und weibliche Geschlecht der niederen Volksklassen gedeihen, so werden Sittenbehörden oder Sittengerichte erforderlich sein, denn ohne dies oder etwas Ähnliches scheinen mir alle Vorkehrungen für den vielfach erkannten und oft mit großem Eifer erstrebten Zweck vergeblich.

Als fünftes Glied in der Kette der Mittel zur Verbesserung des landwirtschaftlichen Betriebes unter dem Bauern- und Büdnerstande möchte ich die Errichtung von Ortslehrvereinen vorschlagen. Diese Vereine müssten ihr Hauptaugenmerk auf eine zweckmäßige Auswahl von passenden Schriften richten und Dorfbibliotheken gründen, damit dadurch anerkannte Grundsätze und praktische Erfahrungen in dem Lesekreise verbreitet werden. Auf diese Weise würde die Klippe umgangen, die Volksbibliotheken durch die Prediger allein leiten zu lassen, welche zum Teil gegen die Verbreitung der Berufsschriften für die Landleute sind und nur eigentlich religiöse Schriften verteilt wissen wollen.

Das sechste Glied in der Kette dürfte der patriotische Verein mit seinen Distrikts Bauernversammlungen sein. Die Bauernversammlungen, durch den sel. Pogge zuerst bei uns in Mecklenburg angeregt, haben über Mecklenburgs Grenzen hinaus vorteilhaft einen rationellen Wirtschaftsbetrieb bezweckt und belebt, und das Andenken dieses Bauernfreundes wird noch lange in Mecklenburgs Bauernstand fortleben! So wie Mecklenburg in diesem Punkte allen deutschen Staaten voran geschritten ist, so ist es in dem siebenten Bildungsgliede der Verbesserungsmittel der Bauern- und Büdnerwirtschaften hinter allen Staaten zurückgeblieben, ich meine, in der Errichtung von Ackerbauschulen. Baiern, Württemberg, Baden, Nassau, Braunschweig, Preußen etc., haben in den letzten Jahrzehnten Ackerbauschulen errichtet. Also Länder, die im Verhältnis zu Mecklenburg weniger eigentliche Bauernwirtschaften aufzuweisen haben. Unbestritten gehört Mecklenburg zu den ackerbautreibenden Staaten und in diesen gehört der Bauernstand zu den bedeutendsten Volksklassen, von dessen Vervollkommnung und Wohlstand das Gedeihen der übrigen Stände mehr oder weniger abhängt. Aber die nächste und unmittelbarste Bestimmung solcher Ackerbauschulen für künftig selbst wirtschaftende Bauernsöhne schließt nicht aus, dass, wenigstens mit einzelnen solcher Schulen auch Veranstaltungen verbunden werden, welche es weniger wohlhabenden, ja selbst ärmeren Gliedern dieses Standes, die keine Aussicht zum eigenen Grundbesitz haben, möglich machen sollen, sich zu tüchtigen Aufsehern auszubilden. Wo Schulen dieser Art vorhanden sind, haben sie sehr wohltätig auf die Verbesserung des landwirtschaftlichen Betriebs unter den, Bauernstände eingewirkt. Der rationelle Wirtschaftsbetrieb von Landwirten aus dem Herrenstande findet im allgemeinen bei den Bauern weniger Anklang, weil sie solchen gewöhnlich mit einem allzu großen Aufwand von pekuniären Mitteln verbunden betrachten. Kehren dagegen Bauernsöhne aus Ackerbauschulen auf die heimatlichen Fluren zurück und blieben dieselben ihrer Einfachheit und Geradheit getreu, so hat sich bis jetzt immer die Erfahrung bestätigt, dass die von denselben mir Sachkenntnis; vorgenommenen Verbesserungen leichten Eingang finden. Das Misstrauen, welches gewöhnlich der eigentliche Bauer gegen die höheren Stände hat, fällt hier weg, und aus diesem Grunde finden zweckmäßige Verbesserungen bei demselben mehr Anklang, wenn er einen Vorgang von seines Gleichen aufgestellt sieht. Diese Behauptung könnte mit sehr vielen Beweisen belegt werden.

Das achte Glied in der Kette der Mittel zur Verbesserung der Ackerwirtschaften der Bauern und Büdner dürfte in dem Reisen von Bauernsöhnen in Gegenden, die sich durch einen rationellen Wirtschaftsbetrieb in einem oder dem andern Punkte auszeichnen, sowie in dem Diensteintritt derselben in musterhafte Wirtschaften zu suchen sein. Wenn der Ackerbau keine so schnellen Fortschritte macht, als die Industrie, so liegt dieses teilweise in der Natur und dem Wesen der Landwirtschaft, deren Elemente der Art, dass sie nicht eine schnelle, plötzliche Umgestaltung erlauben. Der Zustand der ritterschaftlichen Schulen mag in manchen Gegenden unseres Landes noch sehr kläglich sein; wir hoffen aber, die Regierung werde Maßregeln treffen, diesem Übelstande abzuhelfen und zu einem tüchtigen, die Denkkräfte des Landmanns weckenden Unterricht Gelegenheit geben, wie solches bereits in einem großen Teil unsers deutschen Vaterlandes geschehen ist.

Wendet sich Schreiber dieses nun zu den Bildungsmitteln für den Gewerbe stand, so geschieht es in der festen Überzeugung, dass der Landmann mit dem Gewerbetreibenden in einer beständigen Wechselwirkung steht, so dass der Gang der Ausbildung des Ersteren mit jener des Gewerbsmannes in einen gewissen Grad von Übereinstimmung gebracht werden muss, und umgekehrt, wenn sie für das allgemeine Wohl förderlich sein soll. Es lässt sich nicht in Abrede stellen, dass seit dem Friedensjahre 1815 Deutschlands und insbesondere Mecklenburgs Gewerbebetrieb sich vervollkommnet hat, wofür die Industrieausstellungen den glänzendsten Beweis ablegen. Deutschlands Gewerbsmann und seine Industrie ist in Folge des Aufschwungs der Bildung dieses Standes dem Landmanne vielfach vorangeeilt. Ist gleich Mecklenburgs Gewerbestand in einzelnen Gliedern mit der Bildung des Gewerbestandes im übrigen Deutschland auf gleicher Höhe geblieben, wenigstens bemüht, demselben Grade der Bildung eifrigst nachzustreben, so ist doch nicht in Abrede zu nehmen, dass bei allen Fortschritten, welche die Naturwissenschaft und besonders die Chemie in ihrer Anwendung auf Gewerbe in neuester Zeit gemacht haben, gerade von denen, für welche sie gemacht waren, die Gewerbetreibenden namentlich der kleineren Städte des Landes, am wenigsten beachtet und angewandt worden sind. Es fehlt ihnen die unentbehrliche wissenschaftliche Vorbildung, um die Prozesse vorzunehmen und zu leiten, welche dazu gehören, und erst die in Real- und polytechnischen Schulen gebildete kommende Generation wird dazu befähigt sein. Zählen wir nun die Glieder der gewerblichen Bildung auf, so möchte Schreiber dieses auch hier als Grundlage der künftigen gewerblichen Bildung

1) die Kleinkinder- oder Spielschulen ansehen, deren Errichtung in den Städten für die kleineren Bürger ebenso notwendig als bei der oft verkehrten Erziehung der höheren Stände für diese wünschenswert ist.

2) Die zweite Stufe in der städtisch-gewerblichen Bildung nehmen die sogenannten Bürgerschulen ein, die in den letzten zwei Jahrzehnten sich auffallend gehoben haben. Die Bildungsfortschritte in den Städten wurden hier im Verhältnis zum platten Lande mehr gefördert durch die weniger vorkommenden Schulversäumnisse, durch die Besetzung der Schulstellen mit besser unterrichteten und besser dotierten Lehrern, durch die vermehrte Unterstützung an Lehrmitteln für arme Schüler und durch die Hilfe, welche das Haus überhaupt der Schule bietet.

3) Eine höhere Stufe in der Bildung nehmen die sogenannten Realschulen ein in Mecklenburg, die nur in den größeren Städten des Landes vorhanden sind. Sie haben ihren Namen daher, weil in ihnen den sogenannten Realien, in Verhältnis zu den älteren Sprachen auf den Gymnasien, mehr Zeit gewidmet wird. Passender möchte der Name Gewerbeschulen sein, welche Bezeichnung unpassender Weise den Fortbildungsschulen hier und da gegeben wird, deren Leistungen schon wegen ihrer Einrichtung nur sehr mangelhaft sein können. Der Zweck und Nutzen der Realschulen kann offenbar kein andrer sein, da der größere Teil der Schülerzahl sich unbedingt dem Gewerbestande widmet, als die wissenschaftliche Ausbildung der Zöglinge für den gewerblichen Beruf. Haben diese Anstalten das Ziel im Auge, denen, die sich dem praktischen Gewerbsleben im Bereiche des Handwerks- oder des Fabrikbetriebes widmen wollen, Gelegenheit zur Erlangung einer ihren Bedürfnissen entsprechenden wissenschaftlichen Ausbildung darzubieten, so kann die Vervollkommnung des vaterländischen Gewerbewesens nur gefördert werden. Der allgemeinen Schulbildung muss sich eine wissenschaftliche Gewerbebildung anschließen, denn verdanken auch nicht alle Gewerbe ihre Entstehung der Wissenschaft, sondern dem Zufalle und der Erfahrung, so beruhen sie doch auf wissenschaftlichem Grunde und können nur durch die Wissenschaft erweitert, gehoben und mit größerem Erfolge betrieben werden. Insonderheit sind es die physikalischen, chemischen und mathematischen Wissenschaften, welche über alle Gewerbszweige das hellste Licht verbreiten, und ohne deren Kenntnis kein rationeller Gewerbsbetrieb möglich ist. Wissenschaftliche Bildung der Gewerbetreibenden ist und bleibt die Grundbedingung eines gedeihlichen Fortschritts der Gewerbe. Diese Bildung herbeizuführen und die Fackel der Wissenschaft in die Werkstätte der arbeitenden Klasse zu tragen, ist der Zweck der Gewerbeschule. Eine höhere polytechnische Schule, wie sie Hannover, Bayern und Sachsen aufzuweisen haben, fehlt in Mecklenburg noch gänzlich!

Doch soll ich die Grenzen dieser Schrift nicht überschreiten, so muss ich zur vierten Stufe der gewerblichen Bildung fortschreiten. Diese Stufe ist bestimmt, die Lehrlinge und Gesellen der Gewerbetreibenden an Sonntagen vom Besuche der Herbergen, Schankhäuser und Tanzböden abzuhalten, wozu die sich selbst überlassene unbeschäftigte Jugend nur zu geneigt ist, die Lücke der Schulbildung auszufüllen und die Theorie mit der Praxis zu verbinden. Sollen diese Art Fortbildungsschulen ihren Zweck nicht verfehlen, so müssen die Meister den Lehrern der Anstalt treulich die Hand bieten, ihren Lehrlingen die zum Unterricht erforderliche Zeit bereitwillig geben, wovon sie selbst den Vorteil haben, und diese Anstalten so dotiert sein, dass sie außer Rechnen, Schreiben, Zeichnen aus freier Hand nach Verzierungen und Arabesken usw., auch Unterricht in der Gewerbs-Geometrie, Naturlehre, Chemie und Mechanik, im Bossieren, Modellieren und Formen den Mitgliedern darbieten. Über die zweckmäßigste Einrichtung der Fortbildungsanstalten für Gewerbetreibende, sowie dazu erforderlicher Sammlungen und Apparate, vergleiche man die „Sonntagsschulen für Gewerbetreibende“ von Dr. J. A. W. Netto“ (Leipzig 1839).

Eine besondere Erwähnung verdienen noch fünftens, die Jünglings- oder Gesellen-Bildungsvereine und Lesezimmer. Diese Anstalten sind, wie die vorigen, hier und da ins Leben gerufen von den Gewerbevereinen, um den Gehilfen oder Gesellen Ersatz zu bieten für die Sonntagsschulen, worin mit den Lehrlingen zu sitzen diese sich zu gut hielten. Man hat die Behauptung aufgestellt, wo gute Volksschulen beständen, wären solche Anstalten nicht erforderlich: teils aber besuchen die Kinder die Schulstunden nicht immer regelmäßig und sind auch nicht zu der Verständigkeit gereift, den erteilten Unterricht sich genügend anzueignen, wozu sich erst in spätem Jahren die nötige Einsicht und Neigung findet, teils, selbst wenn die Schule besucht und benutzt wurde, vergessen sich die erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse in den nächsten Jahren, Die am besten eingerichteten Anstalten dieser Art finden sich zu Osnabrück, Elberfeld. Bremen, Darmstadt, Frankfurt a. M., Prag, Koburg u. s. w.

Als sechstes Mittel in der Kette der Bürgerbildung möchten die populären Vorträge von sachkundigen Männern über Chemie, Physik und Mechanik aufzuzählen sein. Manche Meister fühlen sehr wohl, woran es ihnen gebricht, sie haben ihr Handwerk erlernt, wie es die Väter betrieben; sie haben täglich vor Augen, welche Wirkung dies oder jenes Mittel, das sie in ihrem Geschäfte anwenden, auf die dargestellte Ware äußert, ohne sich selbst die Frage „Warum?“ beantworten zu können. Andre hatten wohl eine dunkle Ahnung, dass sie durch eine verbesserte Einrichtung ihres Handwerksgeräts, durch die Komplizierung desselben zu einer Maschine, ihr Fabrikat vollkommener und doch wohlfeiler darzustellen im Stande sein würden; aber sie blieben auf ihre alten Hilfsmittel angewiesen, da ihnen die zu jenen Verbesserungen erforderlichen Kenntnisse fehlten. Wollten sie ihre Belehrungen aus Journalen holen, so fanden sie überall Voraussetzungen und Kenntnisse, die sie nicht besitzen, und stießen in jeder Zeile auf technische Ausdrücke, wovon sie keinen Begriff haben. Bei mündlichen Vorträgen waren ihnen vielleicht Fragen gestattet, wodurch ihre Bedenklichkeiten gehoben wurden.

Als siebente Stufe in der Leiter der Bürgerbildung sind Industrie- oder Gewerbe-Ausstellungen zu betachten, Erscheinungen der neuen Zeit, die den Zweck haben, die höchsten Leistungen aller Gewerbe des Landes in einem Raum zu sammeln, teils um den Grad der Ausbildung derselben zu übersehen, teils um Andern Muster von vorzüglicher Arbeit hinzustellen, teils um den Verbraucher aufmerksam zu machen, dass er im Inlande dasselbe finden könne, was er nur im Auslande zu suchen gewohnt ist, teils endlich um die Gewerbe durch Preise, welche dabei erteilt weiden, zu ehren und zu weiteren Fortschritten zu ermuntern. Ob diese Zwecke alle erreicht werden, ist die Frage, weil einzelne Gewerbetreibende oft Schaustücke zu solchen Ausstellungen senden, die nie ein Bild des Gewerbezustandes im Ganzen von einem Lande liefern können. Mögen immerhin die Beihilfen zu den Transportkosten für die einzusendenden Gegenstände vom Staate Opfer fordern, und die Gewerbe-Ausstellungen nicht immer von den Gewerbetreibenden wegen der Entfernung des Orts besucht werden, es wird doch der Geschmack gebildet, neue Ideen geweckt und der Ehrgeiz angeregt; kurz, segensreich haben die Gewerbe-Ausstellungen gewirkt und wesentlich dazu beigetragen, den Flor der Gewerbe zu fördern. An einigen Orten sind beständige Gewerbe-Ausstellungen errichtet und mit gewerblichen Leihanstalten verbunden worden, um den in augenblicklicher Geldnot befindlichen Gewerbeleuten Vorschüsse auf Erzeugnisse ihres Gewerbefleißes zu geben, Anstalten, die zweckmäßig eingerichtet von großem Segen sind.

Den Schlussstein der gewerblichen Bildung machen achtens die Gewerbevereine, die teils nur lokale, teils ganze Länder umfassende sind. Die Lokal - Gewerbevereine sind Vereine aus verschiedenen Ständen gebildet, um sich gegenseitig zu unterrichten, belehrende Schriften in Umlauf zu sehen, neue Erfindungen zu besprechen. Muster auf gemeinschaftliche Kosten kommen zu lassen usw. Mecklenburg hat längst in den großem Städten des Landes, Rostock, Schwerin, Wismar, Güstrow, Parchim, solche Lokalvereine, die mehr und minder zur Hebung des Gewerbestandes beigetragen haben, obgleich eine rege Teilnahme und Mitwirkung zur Unterhaltung von Seiten der Gewerbetreibenden hie und da fehlt, während sie doch gerade zum Besten dieses Standes ins Leben gerufen sind. Aus der Vereinigung der Lokalvereine durch Deputierte der letztem entspringen die Landes-Gewerbevereine, wie solche Baiern, Württemberg, Sachsen, Hessen-Darmstadt und Hessen Kassel aufzuweisen haben. Mecklenburgs Gewerbevereine arbeiteten in den Jahren 1847 und 48 an einer solchen Vereinigung, und zu bedauern ist es, dass Schwerins Gewerbeverein, der von den übrigen Lokalvereinen des Landes diese Angelegenheit zu betreiben und mit der Regierung wegen einer Geldunterstützung zu diesem Zwecke zu unterhandeln beauftragt war, abschläglich beschieden worden ist. Wir verweisen in Betreff des erkannten Nutzens solcher Landes - Gewerbevereine und der darum bewilligten Unterstützung aus Staatsmitteln auf Baiern, das 47.000 fl., auf Württemberg, das 12.000 fl., auf Sachsen, das 21.000 Thlr., auf Darmstadt, das 8000 fl. und Kurhessen, das 7.000 Thlr. zu diesem Zwecke verwendet, und doch steht der Gewerbefleiß in diesen Ländern höher, wie bei uns. Bedürfen jener Länder Gewerbetreibende zur Gründung eines Landesvereines der Unterstützung aus Landesmitteln, um wie viel mehr Mecklenburg, das in Betreff des Gewerbefleißes jenen Ländern sehr nachsteht.

Außer den bisher gedachten Bildungsmitteln für den Bauern und Büdner, sowie für den Gewerbetreibenden in der Stadt, befördern auch die Industrieschulen für beide Geschlechter die höhere Bildung der genannten Klassen und sind daher dringend zu empfehlen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburgisches Gemeinnütziges Archiv
Ackerbau und Viehzucht war die Hauptbeschäftigung in Mecklenburg

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Bei der Feldarbeit

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Hauptsächliche Erwerbsquelle in Rostock war die Schifffahrt und ein ausgebreiteter Seehandel

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Töpferei in Mecklenburg, Mitte des 19. Jahrhunderts

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Kristallschleifferei in Wismar

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