Dargun

In einem östlichen Vorsprunge des jetzigen Großherzogthums Meklenburg-Schwerin gegen Pommern, der wichtigen Stadt Demmin gegenüber, liegt der Flecken Dargun, wenn auch wenig bekannt, dennoch seit uralter Zeit gleich merkwürdig durch seine Lage und seine innere Bedeutung, da es theils das Thor zu der über Demmin gegen Osten hin durch die Pene- und Trebel-Gewässer und Moore führenden Straße bildet, theils in einer angenehmen, mannigfaltigen, in sich abgeschlossenen Landschaft liegt, in deren Nähe sich seit alter Zeit angesehene werlesche und pommersche Rittergeschlechter ansässig machten; mehr als einmal ist es daher in alter Zeit in diesen Gegenden zu blutiger Entscheidung gekommen. In Demmin stießen die alten wendischen Länder Tolenze, Circipanien und Festland Rügen zusammen, und zu den Zeiten der Wendenbekehrung hatten die vorpommerschen Fürsten auf der alten Burg Demmin im Lande Tolenze ihre Residenz, von welcher noch die Ruinen vor der Stadt stehen; außerdem war das Land dahinter reich an Festen, wie z. B. Cummerow, Osten, Wolde u. a. Das nahe Dargun lag schon in dem berühmten wendischen Lande Circipanien (Land über der Pene, wendischen Ursprunges: Szyrzopania). Diese Landschaft Circipanien ward von einer der vier Völkerschaften der wilden, halsstarrigen und tapfern Wilzen, auch Leutizen oder Veletaben genannt, bewohnt. Circipanien lag zwischen der obern Recknitz bis Tribsees, der untern Trebel bis Demmin, der obern Pene und den Penequellen, der obern Nebel bis über den gutowschen See bei Güstrow. Die Herrschaft über dieses Land hatten sich die zu Demmin residirenden vorpommerschen Herzoge, welche sich noch spät Herren der Leutizen nennen, in der allgemeinen Verwirrung während der Bekehrungskriege angemaßt, wenigstens herrschten sie, so lange die Verwirrung dauerte, über Dargun und Malchin hinaus, und der pommersche Bischof von Camin behielt, trotz aller Gegenkämpfe des Bischofs von Schwerin, das Land, als ursprünglich zu Pommern gehörend, zu seinem Sprengel.

Der jetzige Ort Dargun besteht aus dem Schlosse mit der alten Klosterkirche oder dem Amte Dargun, dem eigentlichen jetzigen Flecken oder der Neubaute und dem Dorfe Röcknitz mit der Pfarrkirche, welches sich unmittelbar an den Flecken Dargun an-schließt. Dies alles bildet eine einzige Straße, welche sich von Kirche zu Kirche in bedeutender Ausdehnung an dem schmalen, von schönen Waldufern (dem „Thiergarten“) begrenzten Klostersee hinzieht und in der mit vorzüglichen Forsten geschmückten, angenehmen Gegend einen malerischen Anblick gewährt und einen eigenthümlichen Eindruck macht, um so mehr, wenn die Geschichte des Ortes den Geist belebt.


Schon in den wendischen Zeiten war Dargun oder Dargon eine alte Burg, welcher die meisten Ortschaften unterworfen waren, welche jetzt das Domanial-Amt Dargun bilden. Es herrschte an derselben zuletzt eine edle Wendenfamllie, deren Haupt der Edle Miregrav oder Mirognew (Sanftgroll) war. Noch jetzt steht der Burgplatz am Ende des ,,Thiergartens“, eines waldigen Bergrückens jenseit des Sees, dort wo derselbe dem Dorfe Röcknitz gegenüber au drei Seiten schroff und sumpfige Wiesen und Brüche abfällt. Hier ist die äußerste Spitze im Viereck umwallt und an der Landseite nach dem Thiergarten hin von drei bis vier Wällen geschützt. Zahlreiche Scherben aus der Wendenzeit zeugen außerdem für die Volkssage, daß dieser Ort die „alte Burg“ Dargun sei. Unter prächtigen Buchen ist jetzt im innern Burgplatze der Judenkirchhof.

Durch den letzten Kreuzzug gegen die Wenden im J. 1164 war der Zweck der gewaltigen Feldherren erreicht: das Volk war gebeugt, wenn auch das Land verheert war. Heinrich der Löwe stand auf dem Gipfel seiner Macht. Die Leutizierfürsten Kasimir und Bugislav zu Demmin waren schon für die Sache des Christenthums gewonnen und auch der Obotritenfürst Pribislav, der bei jenen Zuflucht gefunden hatte, wandte sich der deutschen Sache zu, wodurch er im J. 1166 das Erbe seiner Väter zum größern Theile wiedererhielt. So war die Ruhe einstweilen hergestellt und unter solchen Umständen ward im J. 1167 von der öden und bluttriefenden Burg Meklenblurg das obotritische Bisthum nach Schwerin verlegt, wo, in der neugegründeten sächsischen Stadt, es unter dem Schirm des tapfern Grafen Guncelin besser zu gedeihen in Aussicht stand. Die hart-näckigsten der Wenden waren die Rügier. Kaum hatten sie erfahren, daß Heinrich der Löwe im eigenen Lande beschäftigt sei, als sie in Masse aufstanden, um das verhaßte Joch des Dänenkönigs abzu-schütteln. Der König Waldemar zog also, in Begleitung seines kriegerischen Bischofs Absalon von Rotschild, des muthigen Streiters für die Kirche, im J. 1168 gegen Rügen und belagerte die Tempelfeste Arkona. Zu diesem Kriegszuge halfen von der Landseite die leutizischen und obotritischen Fürsten. Auch der Bischof Berno von Schwerin, der Apostel der Westwenden, erkannte die günstige Gelegenheit; von Schwerin aus zog er unter Schmach und Roth gen Osten bis Demmin, predigte unter dem wilden Volke die Lehre des Heils, stürzte die Götzen und taufte die Heiden. Die leutizischen Fürsten Kasimir und Bugislav nahmen ihn wohlwollend auf und erkannten ihn als Bischof ihres Reiches, Vorpommern oder Leutizien und Circipanien. So ward in diesen Gegenden das Christenthum befestigt, wenn es auch später wieder auf kurze Zeit zurückgedrängt ward. Auf diesen Kreuzzüge eilte auch Berno, voll heiligen Eifers für den Glauben und mehr mit den Eigenthümlichkeiten der Wenden vertraut, den Dänen gegen die Rügier zu Hilfe, stürzte mit Hülfe der neubekehrten Wenden, denen er das Panier des Glaubens vorantrug, am Tage des Sanctus Vitus, 15. Junii 1168, den Götzen Swanterit anf der Feste Arkona, welche gänzlich zerstört ward, und zwang das Volk zur Taufe.

In diesen Tagen des J. 1168 legte Berno auch den Grundstein zu dem ersten Gotteshause im Lande Circipene, indem er eine Kapelle zu Dargun gründete, rasch aufführte und zu Ehren der Heil. Jungfrau Maria in Gegenwart des Fürsten Kasimir weihte, der mit seinen Edlen der Kapelle die nöthigen Einkünfte verlieh, wie Berno ihr Zehnten abtrat. Nachdem Berno zunächst die Gegend um Schwerin geordnet hatte, führte er seinen Lieblingswunsch aus, indem er im J. 1170 bei der ersten, im J. 1164 im Lande der Kissiner zu Alt-Doberan (Althof) gegründeten Kapelle ein Cistercienser-Mönchskloster stifftete. Am 9. Sept. 1171 erreichte er die vollständige Bewidmung und Ordnung seines Bisthums, dem auch der Fürst Kasimir voll Dankbarkeit das Dorf Wotenick bei Demmin und andere Güter schenkte.

Unter So günstigen Verhältnissen gründete Berno im J. 1172 das zweite Cistercienser-Mönchskloster bei der Kapelle zu Dargun. Nach dänischen Nachrichten kamen die Mönche aus dem dänischen Kloster Esrom auf Seeland. Berno aber verpflanzte ohne Zweifel auch aus seiner Lieblingsstiftung Doberan Mönche. Diese beiden Klöster Doberan und Dargun sind die einzigen Cistercienser-Mönchskloster im Lande gewesen, und haben theils durch Reichthum und Ansehen, theils durch die segensreiche Wirksamkeit des Cistercienser -Ordens, der nach seiner Regel in allen Dingen, in Lehre, Beispiel und Arbeit, dem Volke thätig voranzugehen berufen war, unendlich viel Gutes geschaffen. Die Stiftung des Klosters geschah mündlich unter dem Schutze des Fürsten Kasimir. Der edle Miregrav mit seinen Brüdern Monich und Cotimar trat zur Gründung die Burg und das Gebiet weit umher, so weit die Feldmark des Ortes reicht, dem Kloster ab und die Fürsten und Edlen des Landes beschenkten es reich mit Dörfern umher. Am 30. Nov. 1173 bestätigte Berno, im J. 1174 der Fürst Kasimir durch schriftliche Urkunden das Kloster und verliehen demselben noch große Güter und Freiheiten; die Seelsorge des Ortes ward an die damals schon bestehende Pfarrkirche des Dorfes Röcknitz geknüfst. Gegenwärtig war bei diesen Verleihungen unter vielen Edlen des Landes und geistlichen Würdenträgern auch der Abt Walbert des dänischen Klosters Esrom. Der dänische Einfluß war damals in den östlichen Gegenden bedeutend, wie auch das Kloster Dargun von den Fürsten die Freiheit erhielt, den Ort mit Deutschen, Dänen und Wenden zur Ausübung der Künste und Handwerke zu bevölkern und diese beliebig nach ihren volksthümlichen Sitten und Rechten zu behandeln; daher machte das Kloster Esrom auch Ansprüche auf die Vaterschaft des Klosters, welche jedoch von dem General-Capitel des Ordens im J. 1258 dem Kloster Doberan zugesprochen ward.

Einige Jahre verflossen in Ruhe zum Segen des Landes. Da starb am 30. Dec. 1178 unerwartet Pribislav auf einem Turnier zu Lüneburg und der Sturz Heinrichs des Löwen war nahe: die Wenden erhoben sich wieder mit Ingrimm. Im Osten zertraten die unaufhörlichen Einfälle der Dänen und die kriegerischen Bestrebungen der brandenburgischen Fiirsten alle Keime der jungen Saat. Im J. 1182 fiel alleh Kasimir in einer Schlacht; sein Tod schreckte auch die östlichen Wenden auf. Und als bald darauf der Graf Guncelin von Schwerin und am 14. Jan. 1191 Bischof Berno starben, waren Empörung und Verwirrung allgemein. Es floß viel Blut und besonders litt die Gegend um Demmin fortdauernd bedeutend. Das Kloster Dargun ward zerstört und der wüste Ort gehörte in den Jahren 1185 und 1189 dem Bisthume Schwerin. Zwar machte das früher wiederhergestellte Kloster Doberan im J. 1209 den Versuch, eine Ansiedelung von Mönchen durchzusetzen, aber ohne Erfolg. Das Kloster blieb eine „Räuber- und Wildhöhle“, und erst im J. 1216 gelang es dem Bischofe Sigwin von Camin nach vieler Noth und Angst das Kloster wieder herzustellen und durch Mönche von Doberan wieder zu bevölkern. Bald blühte aber die Stiftung fröhlich und stark empor, reich mit Gütern und Freiheiten durch die Fürsten und Edlen des Landes beschenkt. Um diese Zeit kam das Land Circipene auch wieder an das obotritische Fürstenhaus.

So stand das Kloster, bis es nach der siegreichen Einführung der Reformation am 6. März 1552 von dem Herzoge Johann Albrecht I. aufgehoben ward. Die Güter desselben wurden fürstliches Eigenthum und bis heute von einem fürstlichen Amte zu Dargun verwaltet. Die Landesherren behielten aber den Ort lieb, hielten sich häufig daselbst auf und so entstand nach und nach aus dem Kloster ein großes herzogliches Schloß, welches sich unmittelbar an die Kirche anlehnt.

Dargun .

Auf unserm Bilde sehen wir, von der rostocker Seite her, das eine Ende des langgestreckten Ortes und zwar denjenigen Theil, den das Kloster einnahm: rechts die Klosterkirche, daneben das unmittelbar daran hangende Schloß, wie es im 17. Jahrhunderte entstanden ist, links daneben das im J. 1585 von dem Herzoge Ulrich erbauete Wirthschaftshaus, jetzt Brennerei, daneben eine Beamtenwohnung und umher Wirthschaftsgebäude, von denen einige noch aus der Klosterzeit stammen. Links führt eine herrliche Kastanien-Allee am See entlang vom Amte zum Flecken Dargun oder der Neubaute.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Mecklenburg in Bildern 1843