Fortsetzung

Unterdessen dauerte der Zwist zwischen den beiden dänischen Königen fort, und Lübeck unterzog sich auf Ansuchen Erichs der undankbaren Aufgabe, auch hier zu vermitteln. Christoph war geneigt, seinem Oheim die Insel Gotland zu lassen, verständigte sich aber, um dessen weiteren Forderungen zu begegnen, auf einem Fürstentag zu Wilsnack, Februar 1443, mit den norddeutschen Fürsten, woraus in den Hansestädten das übertriebene Gerede entstand, es sei ein Bund der Fürsten mit Dänemark gegen die Städte im Werke. Herzog Barnim von Pommern verhandelte nun gleichzeitig mit Lübeck zwischen den beiden Königen, doch ebenfalls ohne Erfolgt. Die Hansestädte schlossen sich daher dem regierenden Könige an; eine Gesandtschaft der wendischen Städte und Danzigs brachte 1445 in Kopenhagen zur Vermählung Christophs mit einer Nichte des Kurfürsten Friedrich II. von Brandenburg Glückwünsche und Geschenke dar und erlangte dafür die noch ausstehende Bestätigung der hansischen Privilegien für Schweden und Norwegen. Erich gab seinen Unwillen kund, indem er erklärte, er werde von Gotland aus allen Verkehr nach den drei nordischen Reichen hindern, und bald mehrten sich die schon früher erhobenen Klagen über seine Auslieger. Doch erst 1448 einigten sich Lübeck und Danzig dagegen zu ernsteren Maßregeln, und zur Ausführung kamen diese nicht, weil andere Ereignisse eintraten. Zu Anfang des Jahres starb König Christoph plötzlich; zum Nachfolger erwählte der dänische Reichsrat Christian von Oldenburg, den Neffen des den Städten wohlgesinnten Herzogs Adolf von Schleswig-Holstein. Die Schweden aber erwählten V. einen eigenen König, Karl Knutson, und dieser sandte alsbald eine Kriegsflotte nach Gotland; Erich wurde in der Feste Wisborg belagert und entwich im Frühjahr 1449 von dort nach Pommern. Bald darauf aber brachte Christian durch List und Gewalt die Insel wieder in dänischen Besitz, und sein weiteres Streben ging natürlich darauf, Schweden zur Union der drei Reiche zurückzuführen. Er trat, wie sein Vorgänger, mit den norddeutschen Fürsten zu Wilsnack in Verbindung und führte den Krieg gegen Karl Knutson mit Söldnern, deren Sold größtenteils durch Wegnahme von Handelsschiffen beschafft wurde. Die Hansestädte, darüber erzürnt, waren zur Unterstützung des schwedischen Königs geneigt, blieben aber einstweilen neutral, weil wichtigere Sorge sie in Anspruch nahm in betreff der wiederum verwirrten Verhältnisse in England und Flandern.

Eine preußische Gesandtschaft, die im Frühjahr 1447 nach England ging, wurde durch Beschluss des bald darauf in Lübeck versammelten Hansetages ersucht, sich auch der gemeinsamen hansischen Beschwerden anzunehmen; nach Brügge entsandte derselbe Hansetag vier Vertreter der vornehmsten Städte, wie im Jahre 1434. Die Verhandlungen hatten an beiden Orten geringen Erfolg. Da die Engländer 1449 Gewalt übten, indem sie eine hansische Baienflotte von mehr als hundert Schiffen Wegnahmen, griff Lübeck zu dem schärferen, allerdings bedenklichen Mittel, englische Gesandte, die nach Preußen bestimmt waren, festzuhalten, womit Danzig und der Hochmeister keineswegs einverstanden waren. Der 1450 zu Lübeck versammelte Hansetag beschloss eine ernstliche Vorstellung an den König von England, gegen Flandern Verlegung des Stapels, wenn kein Ausgleich erfolge. Die im nächsten Jahre zu Utrecht fortgesetzten Verhandlungen führten zu einem vorläufigen Vertrage mit England, wobei Lübeck von den anderen Städten ermahnt wurde, die Ausführung nicht zu hemmen; in Bezug auf Flandern fand Danzigs friedfertiger Antrag, die Verlegung des Stapels noch ein oder zwei Jahre hinauszuschieben, keinen Beifall, sondern nach Lübecks Vorschlag wurde das öfters schon erprobte Mittel sogleich in Anwendung gebracht. Das Ergebnis war, dass der Ausgleich daselbst 1457 auf eine für die Hanse sehr ehrenvolle Weise zu stände kam 6, in England durch Vermittlung des Londoner Kontors der hansische Verkehr wenigstens vorläufig hergestellt wurde. König Heinrich VI. gewährte 1453 den Hansestädten, mit Ausnahme Lübecks, sicheres Geleit auf drei Jahre, 1456 schloss er auch Lübeck in das auf acht Jahre erneute Geleit ein, nachdem es seine ablehnende Haltung aufgegeben hatte.


Zu dem Zwist der nordischen Reiche war inzwischen noch ein schlimmerer Zwiespalt hinzugekommen: der Staat des deutschen Ordens ging aus den Fugen durch den Abfall der Landstände und Städte von der Ordensherrschaft. Sie huldigten 1454 dem Könige von Polen, auf dessen Gunst besonders Danzig wegen seines Getreidehandels angewiesen war; der Hass gegen das anmaßende Auftreten der Ordensritter, der Unwille über den Steuerdruck und über die den hansischen Handel störenden Handelsunternehmungen des Ordens überwogen das Gefühl nationaler Gemeinschaft. Der Orden aber fand einen Bundesgenossen an dem König von Dänemark, während Karl Knutson mit Danzig und Polen in Verbindung trat, und da die wendischen Städte auf Erhaltung guten Einvernehmens mit Dänemark Wert legten, die livländischen Städte samt ihrem Landmeister dem Orden treu blieben, und Königsberg, anfangs an dem Abfall beteiligt, bald zur Treue zurückkehrte, so drohte ein arger Zwiespalt in der Hanse. Lübecks Bestreben war auf Friedens Vermittlung gerichtet, entsprechend der vom Kaiser dazu ergangenen Aufforderung; Danzig dagegen verfolgte seine besonderen Interessen und blieb mit dem Orden in unversöhnlicher Feindschaft. Als der Danziger Rat die ersten Erfolge des Aufstandes meldete, antwortete Lübeck mit einem Glückwunsch, der aber auch auf das Bedenkliche des Unternehmens hinwies, und lehnte das Gesuch, Söldner anzuwerben und Geld darzuleihen, entschieden ab; es blieb dem Danziger Ratsherrn, der damals zum Hansetage nach Lübeck kam, überlassen, auf eigene Hand Söldner anzuwerben. Im folgenden Jahre, 1455, gewährte König Christian den wendischen Städten die Bestätigung der hansischen Privilegien in Dänemark und Norwegen und verlangte dafür, dass sie sich des Handels nach Schweden enthalten sollten; Danzig aber kündigte an, dass es seine Auslieger aussenden werde, und warnte vor dem Verkehr mit Dänemark, Livland und Königsberg. Der Kriegszustand auf der Ostsee wurde bedrohlich; eine Gesandtschaft der wendischen Städte, die mit Zustimmung des dänischen Königs 1456 nach Stockholm ging, um zwischen Schweden und Dänemark zu vermitteln, hatte keinen Erfolg. Da fügte es sich günstig, dass zu Anfang des folgenden Jahres König Karl durch Abfall des schwedischen Adels genötigt ward, sein Reich zu verlassen und nach Danzig zu fliehen; die Union der drei Reiche trat wieder in Kraft, und damit war ein Hauptgrund zur Fortsetzung des Seekrieges beseitigt. Anderseits geriet der Orden durch die Zuchtlosigkeit seiner unbezahlten Söldner in große Bedrängnis, und der dänische König hatte keine Neigung, ernstlich für ihn einzutreten. Danzig nahm nunmehr Lübecks gute Dienste für Vermittlung eines Waffenstillstandes zwischen Dänemark und Polen in Anspruch; dieser kam 1458 auf ein Jahr zustande, 1459 wurde er auf vier Jahre verlängert. Aber zwischen Polen und dem Orden ging der Krieg weiter, und Danzig bestand darauf, dass die zum Orden haltenden Städte, namentlich Königsberg und Riga, nicht durch hansische Zufuhr unterstützt würden. Im Frühjahr 1458 schrieb der Danziger Rat an Lübeck, man möge die ergangene Warnung vor dem Verkehr mit feindlichen Häfen nicht als eine Absage auffassen; sie sei in gleicher Weise ergangen wie seitens der wendischen Städte im dänischen Kriege; seien einige Bürger dieser Städte durch Nichtbeachten der Warnung zu Schaden gekommen, so könne dafür kein Ersatz geleistet werden, wie ja auch Danzig nach dem dänischen Kriege nichts erhalten habe; es sei billig, dass die befreundeten Städte Danzigs Feinde nicht durch Zufuhr unterstützten. Der Lübecker Rat antwortete darauf mit einer Beschwerde über Gewalttaten der Danziger Auslieger in den Lübecker Gewässern, namentlich im Fehmarsunde, berichtete aber zugleich, er habe Schritte getan, um den dänischen König zur Abberufung seines Kriegsvolkes aus der See und zur Annahme des Waffenstillstandes mit Polen zu bewegen; Danzig möge ebenfalls seine Seewehr zurückziehen. Danzig erklärte, es werde diesem Wunsche nachkommen, sobald es die Zusage des Königs in urkundlicher Form erhalte, aber das Verbot der Fahrt nach den Ordenshäfen müsse aufrecht erhalten bleiben. Darauf folgten die Waffenstillstands Verhandlungen, zu welchen sich Lübecks Gesandte zuerst nach Stockholm zu König Christian , dann nach Danzig begaben; hier bemühten sie sich auch um Ausgleich mit Riga, indem sie drei von den Danzigern genommene rigische Schiffe zurückkauften. Das Abkommen über die Zahlung machte noch einige Schwierigkeiten; Lübeck aber nahm sich auch ferner des Ausgleichs an, und Danzig gestattete im folgenden Jahre, wenn auch widerstrebend, die Fahrt nach Riga. Schon 1460 gab es neue Schwierigkeiten, und der Lübecker Rat ließ Strenge walten, indem er die Mannschaft eines Danziger Kaperschiffes, welches ein aus Livland kommendes lübisches Handelsschiff weggenommen hatte, dann aber in die Gewalt eines Lübecker Ausliegers geraten war, hinrichten ließ, worüber Danzig sich zwar heftig beschwerte, aber es blieb bei der Antwort, die einem Danziger Ratsherrn schon mündlich erteilt war, jene Mannschaft habe sich an befreundetem Schiff und Gut vergriffen. Als 1462 die Verlängerung des Waffenstillstandes zwischen Dänemark und Polen in Frage stand, brachten die Danziger Gesandten in Lübeck umständliche Klagen gegen Dänemark vor, doch beschloss man die Verlängerung auf ein Jahr. So dauerten unter mancherlei Reibungen die Bemühungen um Frieden fort, bis endlich 1466 der besiegte Orden, nach vergeblichen Versuchen Lübecks, ihm bessere Bedingungen zu verschaffen, sich den stolzen Forderungen Polens unterwarf und den Rest seines Gebietes von Polen zu Lehen nahm.

Danzig hatte, wie früher bei der Verbindung mit den Holländern, so jetzt bei der Vernichtung der Ordensherrschaft seinen Willen gegen die Absichten Lübecks durchgesetzt. Ein freundliches Verhältnis des Königreichs Polen zur Hanse hatte schon früher bestanden und fand auch jetzt statt, aber die Stütze für auswärtige Beziehungen, welche man früher an dem Hochmeister gehabt hatte, konnte der König von Polen nicht gewähren. Die Hansestädte waren um so mehr darauf angewiesen, durch mühsame Verhandlungen unter einander und mit fremden Staaten, ohne den Rückhalt einer schützenden Macht, aber dafür auch mit dem Bewusstsein der Selbständigkeit, die Vorteile ihres Bundes aufrecht zu halten. Was Lübeck und Danzig erreichen konnten, wenn sie sich zu gemeinsamem Handeln einigten, haben später die Erfolge des Jahres 1523 gezeigt; da verhalf ihre vereinigte Flotte den neuerwählten Königen von Dänemark und Schweden zum Besitz ihrer Hauptstädte, und die Handelsherrschaft der Hanse über den skandinavischen Norden wurde nochmals dadurch befestigt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Lübeck und Danzig nach dem Frieden zu Wordingborg