Lübeck und Danzig nach dem Frieden zu Wordingborg

Aus: Hansische Geschichtsblätter. 29. Jahrgang 1901
Autor: Hoffmann, Max, Erscheinungsjahr: 1902

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hanse, Hansa, Städtebund, Lübeck, Krieg, Graf von Holstein, Dänemark, Maßregeln, Handelssperren, Hansetage, Rostock, Wismar, Stralsund, Hansebund, Danzig, Privilegien
Inhaltsverzeichnis
  1. Fortsetzung
Der Krieg, welchen Lübeck in Gemeinschaft mit fünf Nachbarstädten zu Gunsten der Grafen von Holstein gegen Dänemark geführt hatte, war 1435 durch einen günstigen Frieden beendigt worden. Doch nur drei Städte, Hamburg, Lüneburg, Wismar, hatten bis zuletzt ausgehalten; Stralsund und Rostock, hatten schon früher ihren Sonderfrieden geschlossen, und der Hansebund als Ganzes hatte sich friedliebend erwiesen, wie es dem Wesen eines Handelsbundes entsprach. Es kam aber für, das fernere Ansehen der Hanse viel darauf an, dass sie in den mannigfachen Beziehungen ihrer auswärtigen Politik einheitliche Haltung bewahrte und sich auch vor entschlossenen Maßregeln nicht scheute. In diesem Sinne ist Lübeck als leitende Stadt des Bundes immer auf gemeinsames Vorgehen bedacht gewesen; es hat auf den Hansetagen manche gemeinsame Beschlüsse durchgesetzt, ist aber öfters auch durch selbständige Politik der anderen Städte gehindert worden, so dass die Bundeseinheit zu wünschen übrig ließ und kräftiges Auftreten manchmal unterblieb. Trotzdem hielt man in der Hauptsache zusammen und erreichte, dass der Bund durch freien Entschluss seiner Mitglieder, nicht durch Zwang einer Vormacht, sich solange behauptete, als die im Auslande erworbenen Privilegien noch wertvoll waren.

Unter jenen sich selbständig haltenden Städten kam besonders Danzig in Betracht, welches nicht nur am Ostseehandel stark beteiligt war, sondern auch mit England, Flandern, Holland in lebhaftem Verkehr stand. Es hatte die Beeinträchtigung dieses Verkehrs während des dänischen Krieges stark empfunden und die von seinem Landesherrn, dem Hochmeister des deutschen Ordens, mit Erfolg betriebene Friedensvermittlung gern gesehen. Der Hochmeister aber hatte sich schon in den Seeräuberkriegen am Ende des 14. Jahrhunderts als wertvoller Bundesgenosse der Hanse erwiesen, und für Verhandlungen mit auswärtigen Herrschern war seine durch Danzig zu gewinnende Mitwirkung sehr willkommen; es gab keinen anderen deutschen Fürsten, der mit gleichem Ansehen den Städten Beistand leisten konnte.

So war es ein erfreulicher Anfang gemeinsamen Vorgehens, dass im Herbst 1434, als der Friede zu Wordingborg noch nicht geschlossen war, aber in Aussicht stand, vier Bürgermeister der bedeutendsten Hansestädte, Lübeck, Köln, Hamburg, Danzig, auf Beschluss des vor kurzem gehaltenen Hansetages als Gesandte der Hanse und des Hochmeisters sich nach England und Flandern begaben, um die Abstellung vielfacher Handelsbeschwerden zu bewirken. Freilich hatte die Gesandtschaft nicht vollen Erfolg, aber man war in jenen Zeiten daran gewöhnt, erst durch öftere Verhandlungen zum Ziele zu kommen, und immerhin wurde der noch bestehende Verkehr gesichert, denn die mehrmonatliche Anwesenheit der Gesandtschaft verlieh den Bemühungen der in London und Brügge bestehenden Kontore größeren Nachdruck. Eine zweite Gesandtschaft, welche im Herbst 1436 nach London ging, brachte einen Vertrag zum Abschluss, der allerdings für die preußischen Städte bald zur Quelle neuer Streitigkeiten mit England wurde, im ganzen aber nicht unvorteilhaft war. Flandern und Holland hatten seit wenigen Jahren einen gemeinsamen Landesherrn, den Herzog von Burgund, welchem die hansischen Gesandten durch ein Schreiben des Hochmeisters empfohlen waren; aber die Verhandlungen mussten hauptsächlich mit den Landesobrigkeiten, den vier Leden von Flandern und dem Rat von Holland, geführt werden. Mit den Holländern, die während des dänischen Krieges als offene Feinde der wendischen Städte, d. h. Lübecks und seiner Nachbarstädte, aufgetreten waren, einigte man sich über einen Waffenstillstand, während dessen die gegenseitigen Forderungen ausgeglichen werden sollten; die Verhandlungen mit Flandern wurden zerrissen durch einen Aufruhr in Sluys, bei welchem über 80 hansische Schiffer und Kaufleute ums Leben kamen. Die wendischen Städte beschlossen darauf Abbruch des Handelsverkehrs mit Flandern und Holland, um ihren Forderungen mehr Nachdruck zu geben; die preußischen wollten nicht so weit gehen, sondern hielten eine Warnung an alle hansischen Schiffer und Kaufleute für genügend. Dem flandrischen Zwist gab nun das Brügger Kontor eine günstige Wendung, indem es beim Herzog von Burgund die Erlaubnis erlangte, den hansischen Stapel nach Antwerpen zu verlegen; diese Maßregel hatte den Erfolg, dass im September 1438 eine hinreichende Sühne zustande kam. Dagegen entbrannte der Zwist mit Holland nach vergeblichen Ausgleichversuchen zu offenem Kriege; aber die preußischen Städte und der Hochmeister versagten dem Kriegsbeschluss der wendischen Städte ihre Mitwirkung, um so mehr, da ein in Lübeck vorgelegtes Schadenverzeichnis, betreffend die der preußischen Schifffahrt während des dänischen Krieges von den Ausliegern der wendischen Städte zugefügten Verluste, noch keine Erledigung gefunden hatte. Man kam so weit auseinander, dass Schiffe, die aus den wendischen Städten nach Danzig kamen, dort mit Beschlag belegt wurden. Auf die Beschwerde darüber erwiderte der Hochmeister, diese Maßregel werde aufhören, wenn man die preußischen Schiffe unbehindert durch den Sund segeln lasse. Inzwischen aber hatten die Holländer ihre bewaffneten Schiffe ausgesandt, und diese, unbekümmert um Danzigs Friedensbestrebungen, nahmen an der französischen Küste 23 preußische und livländische Schiffe weg, die sich, weniger vorsichtig als die Schiffe der wendischen Städte, zu weit hinaus gewagt hatten. Man war in Danzig darüber sehr unwillig, brach aber dennoch den Verkehr nicht ab, sondern forderte nur Schadenersatz, und die Holländer gaben die kluge Antwort, sie würden ihn leisten, wenn erst der Friede mit den wendischen Städten hergestellt sei.

Um dieselbe Zeit trat in Dänemark ein Thronwechsel ein, und auch von dieser Seite her ergab sich für Danzig ein Anlass, sich der entschiedener vorgehenden Politik Lübecks anzuschließen. König Erich VII., mit dem schwedischen Reichsrat zerfallen und bei einem großen Teil des dänischen Adels unbeliebt, hatte sich 1436 nach der Insel Gotland zurückgezogen und war im folgenden Jahre nur auf kurze Zeit zurückgekehrt, um die Thronfolge einem seiner Verwandten aus dem pommerschen Herzogshause zuzuwenden. Als der dänische Reichsrat darauf nicht einging, sondern den Herzog Christoph von Bayern, Erichs Schwestersohn, zum Thron berief, blieb Erich grollend auf Gotland; die dänischen Edlen aber, welche 1439 den neuen König in Lübeck begrüßten, schlossen dort mit den wendischen Städten einen Vertrag, welcher der Hanse gute Aussichten eröffnete. Die Städte sagten ihre Hilfe zu, dass das Reich Dänemark zu Frieden und gutem Regiment komme; dafür sollten sie ihre Privilegien daselbst bestätigt erhalten ; die Holländer sollten, solange sie der Städte Feinde wären, vom Verkehr in Dänemark ausgeschlossen sein; der Sundzoll sollte von keinem Kaufmann, der in die Hanse gehöre, erhoben werden. Die letzte Bedingung war für Danzigs Handel wichtig, denn seine Schiffe mussten diesen während des dänischen Krieges von Erich eingeführten Zoll entrichten, obgleich der Friede von Wordingborg allen Hansegenossen den Genuss der alten Privilegien und Gewohnheiten in den drei nordischen Reichen zusicherte. Als Erich im Frühjahr 1437 von Gotland nach Preußen herüberkam, um sich der Freundschaft des Hochmeisters zu versichern, hatte ! er auf die Beschwerde des Danziger Rats erwidert, die Zollfreiheit stehe nur den vier Städten zu, welche den Frieden zu Wordingborg geschlossen hätten. Danzig fragte deshalb bei Lübeck an und erhielt, ebenso wie auf eine frühere Anfrage, die Antwort, in der Friedensurkunde sei alles wohlverwahrt; aber, fügt die zweite Antwort hinzu, es wird wenig davon gehalten, denn auch die vier Städte haben nur für ihre Schiffe, nicht für die darin enthaltenen Güter, Zollfreiheit, und des Königs Gnade verkürzt uns, nachdem wir ihm doch viele Dienste geleistet haben. Jetzt war die Gelegenheit günstig, bei dem neuen Könige die Zollbefreiung vollständig durchzusetzen; nur musste Danzig dann auch auf die feindlichen Maßregeln der wendischen Städte gegen die Holländer eingehen. Dies war deshalb unbedenklich, weil auch Lübeck nicht zur äußersten Feindschaft entschlossen war, sondern den Faden der Verhandlungen durch das Brügger Kontor fortspinnen ließ; es kam nur darauf an, günstige Bedingungen durchzusetzen. Aber in Danzig überwog das Interesse an ungestörter Fortdauer des einträglichen Getreideverkaufs nach Holland und der Einfluss des mit König Erich befreundeten Hochmeisters.

Die wendischen Städte verkündeten ihr schon früher gegen Holland erlassenes Handelsverbot 4 im Frühjahr 1440 in der verschärften Form, dass sie sich auch selbst alle Zusendung von Kaufmannsgütern verbaten, bis ihr Streit mit Holland ausgetragen sei. Sie verständigten sich mit König Christoph zu gemeinsamer Seerüstung; dagegen fuhr die holländische Flotte aus mit dem Aufträge, dem rechtmäßigen Könige Erich Beistand zu leisten. Lübecks Aufforderung zu gemeinsamer Abwehr der Holländer beantwortete der Danziger Rat mit höflicher Ablehnung, doch würden die preußischen Schiffe sich der Fahrt durch den Sund enthalten, und es sei ernstlich verboten, den Holländern Güter zuzuführen. Da der Befehlshaber der beiden Sundschlösser Krok und Helsingborg noch zu König Erich hielt, gelangte die holländische Flotte ungehindert in den Sund, wich aber bald, ohne ernstlichen Kampf zu versuchen, nach Marstrand und noch weiter zurück; ihre Führer zogen vor, mit dem neuen Könige Verhandlungen anzuknüpfen, zumal da die Sundschlösser sich ihm nach kurzer Gegenwehr öffneten. Bald gingen unter dänischer Vermittlung holländische Gesandte nach Lübeck, und auch hier überwog nunmehr die Neigung zum Frieden. Der im März 1441 zu Lübeck versammelte Hansetag hielt zwar noch das Verbot der Fahrt durch den Sund oder Belt aufrecht, gegen den Wunsch der preußischen Städte; aber bald darauf kamen in Kopenhagen die Verträge zum Abschluss. König Christoph bestätigte einerseits der Hanse, anderseits den Holländern ihre Handelsrechte in Dänemark; zwischen den wendischen Städten und den Holländern wurde ein zehnjähriger Waffenstillstand vereinbart, der später verlängert wurde, als die Ausgleichung der gegenseitigen Ansprüche durchaus nicht gelang; den preußischen Städten gestanden die Holländer Schadenersatz für die genommenen Schiffe zu. Über den Sundzoll wurde bestimmt, dass die Hansestädte ihre Zollfreiheit durch Vorlegen ihrer Privilegien beweisen sollten; einstweilen versprach der König, auf die Erhebung des Zolles von ihnen zu verzichten.

Auf dem nächsten Hansetage, 1442 zu Stralsund, haben denn auch die Städte ihre Privilegien geprüft und den König ersucht, einen Tag zur Verhandlung darüber anzusetzen; aber die Sache ist unerledigt geblieben. Die zu Rostock für September 1442 angesetzte Verhandlung fand nicht statt, weil Christoph seine beabsichtigte Reise nach Deutschland aufschob ; als er im Februar 1443 nach Lübeck kam, waren dort keine Vertreter der anderen Städte zugegen. Dann traten andere Verhandlungsgegenstände in den Vordergrund. Immerhin mag jener Verzicht auf Erhebung des Sundzolls einige Jahre gegolten haben, denn erst 1447 findet sich in den Rezessen der preußischen Städte wieder die Klage, dass er erhoben werde. Aber von da an mussten sie ihn zahlen; das Danziger Schaden Verzeichnis aus dem Jahre 1462 enthält die Beschwerde, dass Danzigs Kaufleute von langer Zeit her durch diesen Zoll zu merklichem Schaden gekommen seien, und die Dänen erwiderten damals, ihr König habe den Zoll in freiem Besitz und alter Gewohnheit vorgefunden. Die vier wendischen Städte blieben im Besitz ihrer Vergünstigung; der in dieser Frage von Danzig verschuldete Zwiespalt in der Hanse hatte dauernde Folgen.

Als die Holländer sich der Zahlung des Schadenersatzes entziehen wollten, konnte Danzig, des fortdauerden Verkehrs sicher, Zwangsmittel anwenden. Eine Teilzahlung wurde 1443 durch Verhaftung einiger holländischer Kaufleute in Danzig erzwungen und dann ein Zoll auf holländische Güter eingeführt, über dessen Fortbestehen Amsterdam noch im Jahre 1456 klagte. Das den wendischen Städten vorgelegte Schadenverzeichnis wurde, nachdem die Vertreter der preußischen Städte auf dem Hansetage von 1441 nochmals daran erinnert hatten, soweit es Lübeck betraf, erledigt, indem Lübeck soweit entgegenkam, dass es den Vorschlag des Schiedspruchs einiger pommerscher Städte annahm; dagegen blieben die Mahnungen an Hamburg, Wismar, Rostock, Stralsund vergeblich. Man legte also auf Güter dieser Städte, die nach Preußen kamen, ebenfalls einen Zoll; doch wurde dieses „Schadegeld“ 1445 aus Rücksicht auf die Bundesgemeinschaft wieder aufgehoben.*) Weiteren Mahnungen schenkten jene Städte kein Gehör; dem Lübecker Rat, dessen Vermittlung der Hochmeister in Anspruch nahm, blieb nichts übrig, als die ablehnenden Antworten einzusenden.

*) Der Pfundmeister des Ordens in Danzig erinnerte bei diesen Verhandlungen, dass Lübeck weit mehr Verkehr in Danzig habe als jene Städte zusammengenommen. Wie viel Entschädigung Lübeck infolge des Schiedsspruchs der pommerschen Städte zahlte, ist nicht ersichtlich.

Danzig

Danzig

Königliches Schloss zu Königsberg

Königliches Schloss zu Königsberg

Die Langgasse in Danzig

Die Langgasse in Danzig

Greifswald

Greifswald

Kloster Oliva bei Danzig

Kloster Oliva bei Danzig

Stralsund vor der Alten Fähre

Stralsund vor der Alten Fähre

Magdeburg, 1631

Magdeburg, 1631

Magdeburg, Der Dom

Magdeburg, Der Dom

Stettin, am Hafen

Stettin, am Hafen

Braunschweig Stadtansicht

Braunschweig Stadtansicht

Bremen Marktplatz

Bremen Marktplatz

Greifswald Stadtansicht

Greifswald Stadtansicht

Goslar Stadtansicht

Goslar Stadtansicht

Elbing Stadtansicht

Elbing Stadtansicht

Berlin und Kölln

Berlin und Kölln

Lübeck Das Holstentor

Lübeck Das Holstentor

Lüneburg Stadtansicht

Lüneburg Stadtansicht

Magdeburg Stadtansicht

Magdeburg Stadtansicht

Rostock Stadtansicht

Rostock Stadtansicht

Stettin, das Alte Schloss

Stettin, das Alte Schloss

Stralsund Stadtansicht

Stralsund Stadtansicht

Wismar, Stadtansicht

Wismar, Stadtansicht

Hamburg, Blick auf die Unterelbe

Hamburg, Blick auf die Unterelbe

Hamburg, Flet in der Altstadt

Hamburg, Flet in der Altstadt