Peters Zusammenkunft mit dem Könige August

Aber wozu diente ihm dies Manifest, wenn der Zar, wegen des einseitigen Friedens mit Recht wider ihn aufgebracht, bei dem Beschlusse beharrte, dass der Polnische Thron für erlediget zu achten sei? In der Ungewissheit über Peters Gesinnung, harrte August seiner Ankunft in der Stadt Thorn, wohin er ihn eingeladen hatte.

Der Zar hatte indes bei Solec an der Weichsel die Polnische Kronarmee besehen, und in Warschau, wohin er auf dem Strome hinab fuhr, die Glückwünsche der Polnischen Großen angenommen. Jetzt folgte er der Einladung des Königs, und fuhr weiter den Fluss hinunter nach Thorn. Schon eine Meile vor der Stadt kam König August dem Zaren auf dem Strom entgegen. Peter empfing ihn auf seinem Fahrzeuge, und fiel schnell versöhnet seinem alten Freunde gerührt in die Arme. Um die sichtbare Unruhe zu heben, die der König nicht zu verbergen vermochte, redete er ihm freundlich zu, das Vergangene zu vergessen: „Er begreife gar wohl, dass ein, für seine angeerbten Staaten besorgter, Fürst zu Schließung eines Friedens, wie der zu Alt-Ranstadt, sich bewogen finden können. Jetzt wären sie beide vollkommen gerächet, und keine Sorge vor den Schweden brauche sie weiter zu kümmern.“


So redete Peter, und die Großmut fand sich hier in schönem Bunde mit der Staatsklugheit. Denn wie viel weniger schwierig es sei, den König August wieder herzustellen, als das Polnische Reich, und die Auswärtigen über die Wahl eines neuen Königs zu vereinigen, dies leuchtete jeglichem ein. Aber eine minder großmütige Politik war es, wodurch er sich von der Verbindlichkeit der vorigen Verträge, die er, freilich unter sehr verschiedenen Umständen, zu Gunsten der Republik Polen geschlossen hatte, entbunden zu sein glaubte. Sehr offen erklärte er dies dem Minister des Königs, dem Grafen Flemming. „Vor allen meinen Bundesgenossen verlassen,“ sagte er „habe ich die Sache allein durchsetzen müssen und so will ich auch die Vorteile mit Niemandem teilen. Wissen Sie: nicht für Polen, und nicht für den König August erobere ich Liefland, ich erobere es, um es mit Russland zu vereinigen.“

Flemmingen war diese Sprache nicht unerwartet, und er erklärte bald, dass so wenig sein König, als, wie er glaube, die Republik Polen, sich Hoffnung machten, an den Eroberungen in Liefland Teil zu nehmen*).

*) Gordon I. S. 6. 7. Tagebuch I. S. 274-280.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Leben Peters des Großen. Bd 2