Der Meeresboden.

Die Nordsee steht in Bezug auf Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit ihres Grundes gegenüber allen anderen Meeren einzig da und muss, als sie noch Festland war, eine Musterkarte der verschiedenartigsten Flora gewesen sein. Von einzelnen Stellen des flacheren Teils an der schleswig-holsteinischen Küste wissen wir aus den gemachten Funden, dass hier große Wälder gestanden haben, an anderen Stellen sind Moor- und Torfbildungen nachzuweisen; im Übrigen besteht der Grund der Nordsee in bunter Abwechslung aus Kies, Lehm, Muscheln, Riffgrund, Sand, Schlick, Steinen und Ton, die sich je nach der Gegend durch verschiedene Farben unterscheiden. All diese verschiedenen Bodenarten kommen nun sowohl einzeln, wie mit anderen gemischt vor. Die Seekarten geben hierüber sowie gleichzeitig über die Tiefe den genauesten Aufschluss, so dass der Seemann über die Bodenbeschaffenheit der Nordsee viel genauer orientiert ist als es irgendein Landbewohner über sein engeres Vaterland, seine Provinz, seinen Kreis, sein kann.

Das hat aber auch seinen besonderen Grund, denn dem Seemann liegt daran, jederzeit zu wissen, wo er sich befindet und dies wird ihm durch die genauen Kartenangaben in Verbindung mit der außerordentlichen Verschiedenheit des Grundes ermöglicht. Er wird hierdurch, im Gegensatz zu allen anderen Meeren, in den Stand gesetzt, sich in der Nordsee nur nach Lotungen und Grundproben zurechtzufinden, so dass der Weg von Skagen nach dem Kanal oder nach Hamburg und Bremen auch bei Nebel und schlechtem Wetter und ohne ein Gestirn zu beobachten oder Land in Sicht zu bekommen, gefunden werden kann. — Das Verfahren hierbei besteht darin, dass man in bestimmten Abständen lotet und immer gleichzeitig Grundproben heraufholt. Die Angaben nebst dem zurückgelegten Schiffsweg werden dann auf Pauspapier im Maßstabe der Karte vermerkt und mit letzterer verglichen und dies so lange fortgesetzt, bis der Ort des Schiffes in der Karte aufgefunden ist. Die Grundprobe verschafft man sich dabei auf die sehr einfache Weise, dass das Lot unten mit Talg beschmiert wird, auf dem sich dann etwas vom Grunde ansetzt. Einmal ist dabei in des Verfassers Praxis auch mal ein Hosenknopf am Talg klebend gefunden worden, aber der brachte einem Kadetten 24 Stunden Arrest, muss wohl also nicht mit aus der Tiefe herausgezogen worden sein.


Was auf einem Dampfer mit Hilfe einer guten Karte und bei schneller und gleichmäßiger Fortbewegung leicht ausführbar ist, ist für Fischerboote, deren Ortsveränderung gering und die je nach Strömung und Wind hierher und dorthin vertrieben werden, außerordentlich schwierig. Hier muss dann langjährige Erfahrung eintreten. Von alten Nordseefischern sagt man, dass sie allein schon aus der Farbe des Wassers, die ja auch vom Grunde abhängt, und mit Hilfe des Lotes jederzeit, selbst nach mehrtägigem Umhertreiben im Sturm oder Nebel, genau wissen, wo sie sich befinden.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und See. Unser Klima und Wetter