Handelsvölker der Gegenwart

Fourier sagte einmal: „Der Handel ist die Kunst, für sechs Franken zu verkaufen was drei kostet, und zu kaufen für drei Franken was sechs werth ist.“ Diese scharfsinnige Erklärung könnte zur Noth jeder Schulknabe geben; freilich wüßte er noch nicht, wie sie praktisch und im Großen wahr zu machen, welche Waaren je nach Zeit- und Völkerverhältnissen sich am besten dafür eignen, wo die bestgelegenen Anschaffungs- und Absatzplätze zu finden, und wie die Beförderung der Waaren von einem Orte zum andern am vortheilhaftesten zu bewerkstelligen. Um dies alles im Großen durchzuführen, bedarf es nicht minder schöpferischer Geisteskraft, als um Schlachten zu gewinnen und auf dem wissenschaftlichen Gebiete neue Eroberungen zu machen.

Allerdings hängt die Frage, ob ein Volk im Handel emporkommen wird, zunächst von mancherlei äußern Umständen ab, von seiner Lage, von günstigen Zeitverhältnissen, von der Neigung seiner Regierung die Industrie zu heben und eine nationale Handelspolitik zu befolgen. Zu gewinnreichem Verkehr nach innen und außen sich aufzuschwingen, wird besonders einem Lande schwer, dessen Kaufleute keine Kapitalkraft und keine stehenden Verbindungen mit andern Ländern haben. Der Kredit geht nur so weit, als man gekannt ist oder baares Geld vorzeigt; daher halten die Kaufleute, welche bereits feste Verbindungen im Auslande haben und über bedeutende Kapitalien gebieten, Handel und Gewerbe in ärmeren Ländern in Abhängigkeit. Allein es ist nicht minder durch die Geschichte bewiesen, einerseits – daß mit der Zeit auch ein armes Land sich Kapitalien und Kredit erarbeiten kann, andererseits – daß die günstige Lage allein den Handel nicht festhält. Es sind vielmehr die Bedingungen für Handelsblüthe auch im Volkscharakter zu suchen. Denn gleichwie nicht jedermann ein kaufmännisches Genie ist, so zeigt sich auch das Handelstalent verschieden den Völkern angemessen; weil aber keines ohne Handel bestehen kann, so versucht sich jedes darin auf seine Weise, so viel es kann und versteht. Es kommen dabei nicht nur seine besseren Fähigkeiten an den Tag, seine Kühnheit und Klugheit, sein organisatorisches Geschick, seine Kraft und Ausdauer, sondern der Handel ist auch wie der Krieg, er ruft alles hervor, was von Raubsucht und Ränken in einem Volke vorhanden ist. Die Bedeutung eines Volkes im Welthandel und die Mittel wodurch es sie sich erringt, sind daher auch eine Probe seiner guten und schlechten Eigenschaften.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Land und Leute in der alten und neuen Welt, Band III