Zwölf Wochen im Segelschiff. — Cuxhaven — Auf Deck — Sturm — Im Kanal — Fischfangversuche — Steuermann — An den Pumpen — Das Passieren der Linie und die Taufe — Windstille Regen — Delphine — „Land in Sicht!“ — Die südwestafrikanische Küste — Die Walfischbai

Langsam und keuchend brachte uns der Schleppdampfer aus dem Hafen und erst nachmittags gingen wir in der Nähe von Cuxhaven vor Anker, woselbst wir noch 500 Fässchen Pulver einzuladen hatten, die im Hafen von Hamburg nicht hatten an Bord genommen werden dürfen. Die Verladung dauerte etwa 3 Stunden. Dann wurden die Anker wieder gelichtet. Die Absicht des Kapitäns, heute Abend noch in See zu gehen, konnte indessen nicht verwirklicht werden. Fort ging‘s, an der ,,alten Liebe“ vorbei. Allein der Wind schlug um, so dass die Ausfahrt bis zum Morgen verschoben wurde. Doch auch der folgende Tag erwies sich als ungünstig, so dass wir nochmals liegen bleiben mussten. Mit uns warteten noch weitere zwölf Segler auf günstigen Wind. Einzig eine englische Barke versuchte es, auch mit ungünstigem Wind hinauszukommen, kehrte aber schon mittags wieder in den Hafen zurück. Die Zeit wurde uns schon ordentlich lange; wie sollte es wohl erst auf hoher See werden, war doch die Reisedauer auf 60 Tage veranschlagt! Der nächste Morgen brachte Abwechslung. Über Nacht hatte der Wind umgeschlagen, und frühzeitig wurden die Anker gelichtet. Ein Lotse kam an Bord, der uns von der gefährlichen Küste ins offene Fahrwasser leitete, worauf der Kapitän die Führung des Schiffes übernahm. Der Wind war sehr günstig und fast pfeilschnell flog unser Segler durch die Wellen. Bald waren die starken Befestigungen Cuxhavens unseren Augen entschwunden, der immer stärker werdende Wind versetzte das Schiff in ein unheimliches Schwanken, und schon kennzeichnete nur noch ein langer, dünner, am Horizont sich hinziehender Streifen das Festland. Gegen Mittag kam die Insel Helgoland, die unlängst von England an Deutschland abgetreten wurde, in Sicht. Unser Kurs führte uns aber soweit an der Insel vorüber, dass wir außer den hohen, roten Tonfelsen nichts unterscheiden konnten. Zum Mittagstische erschien kaum die Hälfte der Passagiere; der Großteil war bereits seekrank. Ich selber fühlte mich noch sehr wohl; der gute Appetit ging mir überhaupt auf der ganzen Seereise nie aus. Fremdartig war mir die Tafeleinrichtung. Viereckige, feste Rahmen dienten zur Aufnahme der Teller. Man wollte auf diese Weise allzu großen Bewegungen der Teller vorbeugen, doch half diese Vorsichtsmaßregel nichts, sobald die Schwankungen des Schiffes eine bestimmte Grenze überschritten. Ich sollte mich gleich davon überzeugen! Schon mehrere Wellen waren über Bord gekommen und hatten den einen oder andern gehörig durchnässt. Eben hatte ich die Suppe ein geschöpft, als das Schiff so bedenklich ins Schwanken geriet, dass mein Löffel in dem vollständig entleerten Teller nichts mehr zu tun bekam. Nachmittags hielt ich mich immer auf Deck auf, rauchte meine Pfeife und malte mir die Zukunft aus. Gegen Abend fühlte ich mich etwas unwohl, ohne aber gerade seekrank zu sein. Mit 2 Kollegen war ich der einzige, der noch ziemlich gesund war. Die See wurde immer aufgeregter und mit einiger Besorgnis schauten wir die Hunderte von Wellen, die mit ihren Gischt-gekrönten Kämmen ein grausig prächtiges Schauspiel boten. Vom fernen Westen her wälzten sich dunkle Wolkenmassen, und man brauchte kein Seebär zu sein, um doch mit Sicherheit eine unheimliche Nacht voraussehen zu können. Auch der Kapitän unterhielt sich mit dem Steuermann sehr angelegentlich. Kurz nach dem Nachtessen vernahmen wir die ersten fernen Donnerschläge. Die Nordsee, als wildes Gewässer unter den Seefahrern bekannt, wurde vom Sturme furchtbar gepeitscht, so dass unser sonst gut gebautes Schiff krachte und stöhnte, dass man glauben konnte, es müsse im nächsten Augenblick aus den Fugen gehen. Die Nacht war rabenschwarz, der Sturm heulte mit unveränderter Kraft, furchtbar rollte der Donner, und Schlag auf Schlag fuhr der zuckende Blitz in die unermessliche Wasserwüste. Unsere Brigg tanzte gleich einer Nussschale auf den Wellen; bald stand sie auf dem Kiel, bald auf dem Steuer, dazu goss der Regen in Strömen herunter. Jetzt war die Reihe auch an mich gekommen, den Letzten, der von der Seekrankheit befallen wurde. Ich legte mich in die Koje und ließ mich hin und her werfen. Doch schon nach einer Stunde fühlte ich mich wohler, worauf ich wieder auf Deck stieg. Der Sturm wütete weiter, unser „Adolph“ stöhnte und krachte noch immer und stieg unverdrossen auf die Kämme die hohen Wellen, um sich im nächsten Augenblick in einen Abgrund zu stürzen. Meine Kollegen waren derart von der Seekrankheit befallen, dass sie bei einem anfälligen Schiffbruch wohl keine großen Anstrengungen gemacht hätten, sich zu retten; leichenblass lagen sie am Boden und ließen sich widerstandslos von einer Wand an die andere wälzen.

Gegen Mitternacht legte sich der Sturm; auch das Gewitter hatte nachgelassen, so dass man gegen Morgen etwas schlafen konnte. Bei Anbruch des neuen Tages herrschte vollständige Windstille; auch die Nordsee hatte sich geglättet und schien kraftlos dazuliegen. Eine prächtig reine Luft lagerte über dem Meeresspiegel. Kein Lüftchen regte sich, schlaff hingen die Segel herunter. Welch ein Unterschied zwischen gestern und heute! Gestern ein wütendes, unbändiges Element, das mit Tod und Verderben schreckte, heute eine glatte Wasserfläche.


Den Tag über zeigten sich viele wilde Enten und Seemöwen, von denen wir einige schossen. Gegen Abend erhob sich wieder günstiger Wind, der uns über Nacht eine gute Strecke vorwärtsbrachte. Die Nacht war mild und mondhell, sodass wir meilenweit sehen konnten; eine Menge von Fischerbooten und Segelschiffen kreuzte unsern Kurs.

Am folgenden Tage liefen wir in die Straße von Calais ein, die von Fahrzeugen aller Art, vom schwersten Dampfer bis zum gebrechlichen Fischerboote geradezu wimmelte. Einen imposanten Anblick gewährten die stolz dahinrauschenden, prächtigen Viermaster (Vollschiff) mit 35—40 straff ausgespannten Segeln.

Vom Kanal aus konnten wir mit bloßem Auge die englische Küste mit ihren weißen Kreidefelsen beobachten; später unterschieden wir deutlich prächtige Hügelketten mit grünen Wiesen; abends sahen wir die Leuchtfeuer von Dover und Calais. In der folgenden Nacht entrannen wir nur mit knapper Not einem großen Unglück. Ein von England kommender Schoner geriet in unsern Kurs. Beide Schiffe fuhren einander entgegen, ohne dass eines Miene machte, auszuweichen. Erst im letzten Momente drehte der Schoner weg; wir fuhren so hart an einander vorüber, dass wir uns gegenseitig gemütlich die Hand zum Gruß hätten reichen können. Stattdessen überschütteten sich die Kapitäne beidseitig mit Ausdrücken, die in keinem Komplimentierbuch stehen.

Am übernächsten Tage hatten wir den Kanal hinter uns und liefen in den atlantischen Ozean ein. Lange sollten wir nun kein Land mehr zu Gesicht bekommen. Da der Wind umgeschlagen hatte, erreichten wir nur mühsam unter fortwährendem Kreuzen die Höhe von Madeira. Schließlich erreichten wir die Gegend der Passate, von denen ich von den Matrosen und Schiffsoffizieren schon einiges gehört hatte. Man versteht hierunter die zwischen den Wendekreisen herrschenden ständigen Ostwinde, welche von den Segelschiffen nach Möglichkeit ausgenützt werden. Auch wir taten dies in vollem Maße. In dieser Gegend sahen wir die ersten Schweinsfische, oder, wie, sie der Seemann nennt, „Springer“. Diese Fische, die in großen Herden vorkommen, erreichen ein Gewicht bis zu 50 Kg. Das Fleisch ist sehr schmackhaft und ziemlich fett. Der Kopf des Fisches ist lang und rüsselförmig, daher wohl der Name Schweinsfisch. Eine sonderbare Eigenschaft dieser Fische ist die, dass sie, sobald sie ein Schiff eingeholt haben, stets vor dem Kiel herschwimmen und dabei die tollsten Sprünge machen. Eine Herde dieser Fische folgte auch unserem Fahrzeug. Schnell brachten die Matrosen die Harpunen her, und der Bootsmann stellte sich auf das Sprungtau am Kiel, in der Rechten die Harpune zum Wurf bereit haltend. Zweimal warf er, ohne zu treffen; endlich beim dritten Versuch saß die Harpune im Rücken eines der Fische. Schnell wurde die Leine angezogen, um den Fang an Bord zu nehmen. Doch wir sollten uns vergeblich auf den frischen Braten gefreut haben! Sei es, dass die Harpune nicht tief genug eingedrungen war oder, dass wir etwas zu hitzig ans Werk gingen — kurz, als wir den Fisch, der ein hübsches Gewicht hatte, bald in Deckhöhe hatten, riss die Harpune aus und unsere Beute verschwand in der Tiefe. Das war umso ärgerlicher, als seit unserer Abreise unsere Kost nur aus hartem, gesalzenem Ochsenfleisch und wöchentlich einmal aus gesalzenem Schweinefleisch bestand, eine Abwechslung uns daher doppelt willkommen gewesen wäre.

Wir hatten die einförmige Seereise schon ziemlich satt. Um mir die Zeit zu vertreiben, half ich den Matrosen bei ihrer Arbeit; auch erwirkte ich mir beim Kapitän die Erlaubnis, steuern zu lernen. Eine Stunde später stand ich schon am Steuerrad, wo man mir dessen Handhabung und den Kompass erklärte, wobei ich mich als eifrigen Schüler erwies. Schon in der dritten Stunde durfte ich das Schiff nach vorgeschriebenem Kurse allein leiten, worauf ich nicht wenig stolz war. Konnte ich nachts nicht schlafen, so begab ich mich von nun an ans Steuer, um den diensthabenden Matrosen abzulösen, was immer mit Freuden akzeptiert wurde. So verkürzte ich mir die Zeit recht bedeutend.

In der Nähe der kanarischen und kapverdischen Inseln sahen wir die ersten Bootwale, eine kleine Walfischart. Günstiger Passatwind brachte uns bald in die südamerikanischen Gewässer. Einzelne Schiffe, Seemöwen und Seeschwalben waren alles, was wir zwischen Himmel und Erde etwa zu sehen bekamen. So verlief die Reise eintönig bis zum 17. Oktober. Seit zwei Tagen wehte der Wind sehr stark, um sich am genannten Tag zum Sturm zu erheben. Schon am Morgen wurde die See furchtbar gepeitscht. Unser Schiff war wieder das Spiel der Wellen, doch es sollte noch anders kommen. Nachmittags 2 Uhr brach unter fürchterlichem Krachen der Vormast, der im Fallen das Schiff auf die Steuerbordseite mit sich riss, so dass das Fahrzeug den unmittelbar auf das Deck einher stürzenden Wogen schutzlos preisgegeben war. Wir glaubten uns alle verloren. Die Brustwehr der Steuerbordseite stand schon tief unter Wasser. Der überhängende Mast mit dem schweren Segelwerk drohte das Schiff jeden Augenblick kielüber zu reißen. Aber wie auf einen Schlag waren alle auf Deck und jeder stellte seinen ganzen Mann. Die donnernden Kommandos des Kapitäns wurden pünktlich und ruhig ausgeführt; nach wenigen Augenblicken waren Teer- und Draht-Taue gekappt, so dass sich das Schiff wiederaufrichten konnte. Noch einige Minuten und wir waren vorläufig gerettet. Interessant war es, nach diesem ernsten Augenblick den Seelenzustand der Mannschaft zu studieren. Die älteren Seeleute waren kalt und ruhig, nur ihr blitzendes Auge verriet, dass sie erst vor wenigen Minuten an einem schweren Rettungswerk teilgenommen; die jungen Matrosen dagegen und der größte Teil unserer Leute zitterten vor Aufregung am ganzen Leibe und waren eine Weile außer Stande, ein Wort hervor zu würgen. Froh, die größte Gefahr überwunden zu haben, segelten wir weiter; aber am schweren Gang des Schiffes konnte man sehr gut fühlen, dass irgendwo etwas nicht mehr in Ordnung sei. In der folgenden Nacht legte sich der Sturm; zwei Tage später hatten wir wieder das prächtigste Wetter. Doch nicht lange, und vor uns tat sich eine neue Gefahr auf. Der Schiffszimmermann rapportierte, dass das Fahrzeug, wahrscheinlich in der Nacht vom 17. Oktober, leck geworden und dass sich im Schiffsraum schon einige Fuß hoch Wasser befinde. Die Aufregung ob dieser Hiobspost war eine allgemeine. Eine große Gefahr hatten wir überwunden, um vielleicht in eine noch größere zu geraten. Sofort wurden die Pumpen in Bewegung gesetzt; alle mussten mit anfassen, selbst unser Hauptmann und Expeditionschef griff tüchtig zu. Es wurde abteilungsweise gearbeitet, so dass die Pumpen nie stille standen. Als der Zimmermann nach zweistündiger Arbeit das Lot sinken ließ, verkündete er, dass das Wasser um 40 cm gesunken sei. Mit neuem Mut wurde weiter gepumpt; zur Aufmunterung ließ der Kapitän einige Flaschen Cognac fließen. Gegen Abend versagten die Pumpen. Als der Zimmermann das Lot neuerdings sinken ließ, rief er freudig: ,,Lengs“, d. h. wir sind am Ziel! Wir hatten also ausgepumpt und freuten uns herzlich, die anstrengende Arbeit fertig zu haben. Die Nacht über, sowie am folgenden Tage mussten die Pumpen jede halbe Stunde neuerdings in Bewegung gesetzt werden.

Inzwischen waren wir dem Äquator nahegekommen. Die Hitze war groß. Wind hatten wir fast keinen; das Meer lag ganz ruhig, und es drang daher auch nur wenig Wasser ins Schiff. Der Schiffszimmermann gab sich redlich Mühe, das Leck aufzufinden und auszubessern, was ihm indessen nicht vollständig gelang. Endlich, am fünfzigsten Reisetage, erreichten wir den Äquator. Nach altem Seemannsbrauch wird jeder junge Seemann, der zum ersten Mal den Äquator oder die Linie passiert, getauft, eine Zeremonie, die für die Unbeteiligten sehr ergötzlich, für den Täufling aber nichts weniger als angenehm ist. Auch auf unserm Schiff sollte diese Zeremonie vorgenommen werden, war sie doch geeignet, etwas Abwechslung in das Einerlei unserer Reise zu bringen. Der Steuermann, als Gott Neptun verkleidet, den Dreizack in der Hand, betrat nach dem Mittagessen die Kommandobrücke und enthob den Kapitän seines Kommandos, indem er es Kraft seiner Macht als Beherrscher der Meere selbst übernahm und in einer langen Rede die Pflichten des Seemanns auseinandersetzte. Hierauf erfolgte der eigentliche Taufakt, dem auch wir uns zu unterziehen hatten. Über eine große, mit Seewasser gefüllte Bütte wurde eine Planke gelegt, auf die sich der Täufling zu setzen hatte. Ein Matrose hantierte mit einem Teertiegel, ein anderer überstrich mittelst eines Pinsels das Gesicht des Täuflings mit Teer und ein dritter stand mit einem hölzernen Rasiermesser bereit, um das Gesicht des Täuflings zu rasieren. In einem unbewachten Augenblicke wurde die Planke unter dem Täufling weggezogen, worauf er unter schallender Heiterkeit der Umstehenden in die gefüllte Wasserbütte plumpste. Die nachfolgenden Reinigungsarbeiten gingen nicht sehr rasch von statten; der Teer klebte wie Harz an unseren Gesichtern, so dass wir noch nach zwei Tagen aussahen wie Neger. Zur Aufmunterung wurde eine gute Bowle gebraut und jedem Täufling einige Flaschen Schnaps verabreicht, die natürlich unter alle Kameraden verteilt wurden. Der Abend wurde in heiterer Stimmung auf Deck zugebracht, wobei uns der Kapitän den südlichen Sternenhimmel, darunter das strahlende südliche Kreuz, erklärte.

Auf einmal hörten wir in einiger Entfernung ein eigentümliches Rauschen und Plätschern. Da prächtiger Mondschein herrschte, hatten wir eine schöne Fernsieht. Bald entdeckten wir in südlicher Richtung eine große Herde Schweinsfische, die direkt auf unser Schiff lossteuerten. Schnell griff ich nach einer Harpune und fasste Posten. Ich warf, und gleich beim ersten Wurfe blieb die Harpune stecken. Die Leute, die an der Leine zogen, gingen aber wiederum etwas zu hitzig vor, so dass die Harpune bei einem übermächtigen Ruck riss, wobei ich beinahe über Bord gestürzt wäre.

Zwei Tage nachdem wir die Linie passiert hatten, trat vollständige Windstille ein; dazu herrschte eine Hitze, die uns von afrikanischer Temperatur einen lebhaften Begriff beibrachte. Schlaff hingen die Segel herunter, und es schien, als ob sich das Schiff keinen Zentimeter vorwärtsbewegte. Sturm und Gewitter können für ein Segelschiff verhängnisvoll werden; aber vollständige Windstille bringt den Seefahrer zur Verzweiflung. Als am dritten Tage der Kapitän mit dem Sextanten die zurückgelegte Strecke ermittelte, stellte es sich heraus, dass wir in 3 vollen Tagen sage eine halbe Meile vorwärtsgekommen waren.

Inzwischen wurde die Hitze so groß, dass in den Fugen auf Deck das Pech flüssig wurde. War auch über das ganze Schiff ein Sonnensegel gezogen, so verschaffte uns das doch wenig Linderung. Da wir nicht zu riskieren brauchten, das Schiff aus Sicht zu verlieren, beschlossen wir, ein Meerbad zu nehmen. Der Kapitän hielt aber unserer Tollkühnheit entgegen, dass wir keinen Augenblick vor räuberischen Haifischen sicher seien und verbot uns unser Vorhaben.

Seit, einiger Zeit machte sich ein Mangel an Süßwasser fühlbar. War der mitgeführte Vorrat auch noch nicht erschöpft, so musste mit dem noch vorhandenen Rest doch recht sparsam umgegangen werden. Der nächste Abend sollte uns aber wieder reichlich mit Wasser versorgen. Stromartiger Regen stellte sich ein; die Tropfen fielen in der Grösse von Haselnüssen; alle Fässer, Bütten und Eimer wurden bereitgehalten, um das köstliche Nass aufzufangen. Der Regen dauerte die ganze Nacht hindurch, so dass das Wasser fußhoch auf dem Deck lag und am Morgen die Seitenluken der Rehling geöffnet werden mussten, um dem Wasser Ablauf zu verschaffen. Ein Freund und ich hatten die ganze Nacht beim Wasserfassen tüchtig mitgeholfen. Dabei benützten wir natürlich die Gelegenheit, uns für das nicht erlaubte Meerbad zu entschädigen, indem wir eine große Bütte zur Badewanne umwandelten. Bei diesem Anlasse machte ich mich auch mit den Obliegenheiten einer tüchtigen Waschfrau bekannt, indem wir unsere Wäsche einweichten; nicht wenig stolz blickten wir am nächsten Tage auf das an derselben vollzogene Reinigungswerk. Am folgenden Tage hörte der Regen auf, nicht aber die Windstille; noch volle 7 Tage lagen wir fast unbeweglich auf der gleichen Stelle.

Am achten Tage blähte endlich wieder ein schwacher Wind die Segel und in etwas beschleunigtem Tempo, setzte der ,,Adolph“ die Reise fort. Eines Morgens zeigte sich in der Nähe des Schiffes eine Herde Delphine, auf die sofort Jagd gemacht wurde. Diese Fische werden mit der Ilge gestochen. Da sie glänzende Sachen lieben, wurde ein silberner Löffel an einer Leine über Bord gehalten und bis zum Wasserspiegel heruntergelassen. Sobald die Tiere den glänzenden Gegenstand bemerkten, begannen sie nach demselben zu schnappen. Unser Bootsmann stand aber schon mit der Ilge bereit, und bald musste ein Fisch seine Liebhaberei mit dem Leben bezahlen. So lange sich der Delphin im Wasser aufhält, schillert er in wundervollen Farben; sobald er aber aus dem Wasser gehoben wird, erblassen dieselben und der Fisch hat nur mehr ein fahles Aussehen. Sein Fleisch ist sehr schmackhaft.

Täglich wurde nachgerechnet und gewettet, wie lange wir noch zu fahren hätten; die einen glaubten noch 10, die andern noch 15 Tage. Hatten wir in letzter Zeit guten Wind gehabt, so ging jetzt wieder die langweilige Kreuzerei an, um so an die afrikanische Südwest-Küste zu gelangen. Wir hatten jetzt den 34. Grad südlicher Breite erreicht, waren also auf der Höhe des Caps der guten Hoffnung.*) Unser Expeditionschef wollte in Kapstadt anlegen, um noch einige Pferde an Bord zu nehmen: der Kapitän weigerte sich aber, da er nur die Ordre habe, in der Walfischbai zu landen und dort die Ladung zu löschen. Dabei blieb es.

Am 84. Tage gelangten wir endlich nach langem Hin- und Herkreuzen in die Nähe der ersehnten Südwestküste, freilich noch ohne Land zu sehen. Schon am frühen Morgen stieg ich auf den Grossmast, um mit dem Fernrohr in der Hand der Erste zu sein, der rufen konnte: „Land in Sicht“! Aber der Tag verging, ohne dass ich etwas entdeckt hätte. Kur einzelne Walfische entdeckte mein bewaffnetes Auge. Am frühen Morgen des 85. Reisetages kletterte ich wieder in die luftige Höhe, doch noch immer kam kein Land in Sicht. Dagegen bekundeten die großen Scharen von Flamingos, die hoch über uns in den Lüften kreisten, dass wir dem Festlande nicht mehr ferne waren. Nach Verlauf einiger weiterer Stunden entdeckte ich endlich am östlichen Horizont einen dünnen, braunen Streifen, der immer breiter und breiter wurde — die Westküste Südafrikas. Wir waren aber beim Näherkommen sehr schmerzlich enttäuscht, statt grüner Ufer und waldiger Höhenzüge nur eine endlose Sandwüste vor uns sich ausdehnen zu sehen. Im Hintergrunde erhoben sich einige Sandhügel, die aber nicht die geringste Spur von Vegetation zeigten.

*) Es mag dem Leser merkwürdig vorkommen, dass wir auf unserer Seereise auf die Höhe des Caps der guten Hoffnung kamen, während doch unser Reiseziel, die Walfischbai, viel weiter nördlich gelegen ist. Und doch ist es so; wir mussten unsere Brigg vom Winde soweit nach Süden treiben lassen, um beim Kreuzen die gewünschte Höhe zu erreichen.

Wir waren unterdessen der Küste bedeutend nähergekommen und konnten die Gegenstände deutlicher unterscheiden. Außer einer Unmasse von Vögeln aller Art war aber kein lebendes Wesen zu erblicken. Ebenso spähten wir vergeblich nach einer Stadt oder nach einem nach europäischen Begriffen angelegten Hafenplatze. Nichts als Sand und wieder Sand! Nach einer weiteren Stunde zeigte sich eine Landzunge, die weit ins Meer hinauszuragen schien. Im hintersten Winkel der dadurch gebildeten Bucht entdeckten wir endlich einige Gebäulichkeiten. Das war die ganze Walfischbai, von der wir so lange geträumt hatten! Bei näherem Zusehen entwickelte sich diese unscheinbare Bai zu einem natürlichen, gewaltigen Hafen. Wir konnten jetzt die Gebäude deutlicher unterscheiden; auch ein Kirchlein befand sich im Gebäudekomplex. Schiffe lagen keine im Hafen; dagegen kam vom Festlande her eine kleine Dampfpinasse in Sicht, die direkt auf unser Fahrzeug lossteuerte. Im Hafen selbst bemerkten wir allerdings eine Menge großer, schwarzer Klumpen, die wir aber nicht für Boote halten konnten; indem sie jeden Augenblick untertauchten. Der Kapitän erinnerte uns daran, dass wir uns in der Walfischbai befinden und jene gewaltigen Klumpen, die, wie wir jetzt sehen konnten, hin und wieder hohe Wasserstrahlen ausströmten, Walfische seien.

Die Pinasse war uns inzwischen näher gekommen. Von ihren drei Insassen musste der eine ein Europäer sein, während seine Begleiter Eingeborne waren. Das Dampfboot legte an unserer Seite an, und wir waren sehr angenehm überrascht, als uns der Europäer, ein Mann von ca. 50 Jahren und ungewöhnlicher Körperfülle, in korrektem Deutsch ansprach. Dieser Mann war Agent, vertrat auch unsere Co. und versah zugleich den Lotsendienst. Die Strickleiter wurde hinuntergelassen und Herr Koch, so hieß der Mann, erkletterte mit großer Mühe das Deck unseres Seglers; die beiden Begleiter folgten mit dem Boot in einiger Entfernung. Sobald wir uns gegenseitig vorgestellt und begrüßt hatten, übernahm Herr Koch das Kommando. Noch zwei Seemeilen weiter in die Bai hinein und unsere Brigg ging vor Anker. Die beiden Eingebornen, die das Dampfboot nachführten, kamen nun ebenfalls an Bord. Der eine, ein Bastard, sprach fließend englisch, während der andere, ein Hottentott, nur seine eigene Sprache zu kennen schien; sobald man ihm aber ein Gericht vorsetzte, und wenn es noch so groß gewesen wäre, verstand er diese Sprache sehr genau und machte sich grinsend ans Werk.