Jungingen, Ulrich von (unbek.-1410) Ordensmarschall, Hochmarschall. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 14 (1881)
Autor: Lohmeyer, Karl (1832-1909) deutscher Historiker, Erscheinungsjahr: 1881
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Ulrich v. J., der bisherige Ordensmarschall, zum Hochmeister gewählt, am 26. Juni 1407; er fiel am 15. Juli 1410. Die Ordensgebietiger glaubten sich von ihm eine gleich friedliche Regierung wie von seinem Vorgänger versprechen zu dürfen, und wenn sie schließlich darin getäuscht wurden, so lag das, wie sein Briefwechsel mit König Wladislaw selbst bezeugt, weniger in dem allerdings energischeren Charakter des Meisters als in den äußeren Umständen. – Aus der inneren Verwaltung, sowie betreffs des Zusammenwirkens des Hochmeisters mit seinen Städten in ihren beiderseitigen Handelsbeziehungen ist aus den zwei Friedensjahren seiner kurzen Regierung nichts eben Hervorragendes zu berichten, doch sprechen die vorhandenen Rechnungsbücher des Ordens auch für seine landesväterliche Gesinnung, da in ihnen verhältnismäßig nicht unbedeutende Summen verzeichnet sind, welche er Gutsbesitzern in allen Teilen des Landes zur Aufbesserung der Landwirtschaft als Geschenke oder häufiger noch als Darlehen vorstrecken ließ. – Da Witowd inzwischen von Polen, was nur immer für Littauen zu erreichen war, erreicht und auch die russischen Fürsten an seiner Ostgrenze zu günstigem Frieden gebracht hatte, so begann er auch seinerseits den Orden an einer sehr verwundbaren Stelle zu schädigen, indem er in Samaiten, dessen Bewohner der Orden, seitdem es sein war, zwar durch Kolonisation und andere friedliche Kulturversuche an sich zu ziehen bemüht war, in welches er aber dennoch nach wie vor Herren und Ritter des Abendlandes zu den beliebten „Heidenjagden“ führte, die unzufriedenen Bojaren aufreizte und unterstützte. Als darauf der Polenkönig, von Jungingen befragt, ob er seinem Vetter in einem Kriege mit den Rittern Beistand leisten würde, nicht entschieden verneinend antwortete, und als die polnischen Magnaten ihrer wachsenden Kriegslust schon unzweideutigen Ausdruck verliehen, sandten der Hochmeister und seine Gebietiger dem Könige ihre Absagebriefe (August 1409), und in der Tat konnten sie jetzt, wo die polnische Kriegsmacht noch unzureichend gerüstet und allein dastand, den Krieg, zumal in Kujawien, mit gutem Erfolge führen. Daher kam dem Könige die angebotene Vermittelung der Luxemburger, von denen der Ungarnkönig Sigismund durch die ungarischen Verhältnisse, der Böhmenkönig Wenzel wahrscheinlich durch das Geld des Ordens zu einer Schwenkung ihrer Politik bewogen waren, nicht ungelegen; auch Witowd, der durch einen Tartareneinfall in Littauen festgehalten wurde, ließ sich diesen Aufschub des unvermeidlichen Ordenskrieges gern gefallen. Als nun gar König Wenzel, dem ein Schiedsspruch übertragen war, übertrieben günstig für den Orden entschied, mußte die Erbitterung nur wachsen, so daß auch der Großfürst es für geraten hielt, die ihm von dorther in Aussicht gestellte Königskrone für Littauen, d. h. die völlige Unabhängigkeit von Polen, zurückzuweisen und lieber dem Könige mit Littauern, Russen und Tartaren zuzuziehen. Am 15. Juli, dem Tage der Apostelteilung, des Jahres 1410 erfolgte die zwischen Slaven und Deutschen auf lange Zeit entscheidende Schlacht von Tannenberg oder, wie die Polen sagen, Grunwald (d. i. Grünfeld). Die furchtbare Niederlage, welche die Deutschen dort erlitten, hatte ihren ausreichenden Grund nicht bloß darin, daß sie gegen eine erdrückende Übermacht zu kämpfen hatten, sondern mindestens ebenso gut darin, daß die Taktik des Ordens für einen großen, einheitlich geleiteten Massenkampf nicht geeignet war. Der Hochmeister Ulrich v. Jungingen selbst starb bei Tannenberg den Reitertod und mit ihm fast alle preußischen Gebietiger und an 600 Ordensritter.