Isenflamm, Heinrich Friedrich (1771-1828) russischer Hofrat und Professor der Anatomie. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 14 (1881)
Autor: Gurlt, Ernst (1825-1899) Deutscher Chirurg und Medizinhistoriker., Erscheinungsjahr: 1881
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Isenflamm: Heinrich Friedrich I., kaiserl. russischer Hofrat und Professor der Anatomie, königl. bayerischer Kreis- und Stadtgerichtsarzt zu Erlangen, war als ein Sohn von Jacob Friedrich I. (s. diesen) und von Jacobine Christine Kießling, jüngsten Tochter des Erlanger Professors der Theologie Kießling, am 20. Juni 1771 in Erlangen geboren. Wie aus seines Vaters Biographie zu ersehen, unterrichtete dieser seine Kinder zunächst selbst, namentlich in Sprachen, darauf mit Hilfe mehrerer Hauslehrer. Im März 1783 wurde Isenflamm in das Gymnasium zu Erlangen als Secundaner aufgenommen und verließ es bereits im September 1785, etwas vorzeitig, indem er noch nicht ganz 15 Jahre alt war, um zugleich mit seinem älteren Bruder, dem späteren Arzte Dr. Johann Christian Friedrich Isenflamm die Universität Erlangen zu beziehen. Er studierte daselbst sechs Jahre lang Medizin, ein halbes Jahr in Würzburg und besuchte auch noch die Universitäten Mainz, Heidelberg, Jena, Erfurt, Leipzig, Halle. Im Januar 1791 promovierte Isenflamm zum Dr. med. et chir. mit der Dissertation „De absorptione morbosa“, machte das medizinische Staatsexamen nach den Verordnungen unter Markgraf Alexander’s Regierung in Erlangen, reiste von da nach Wien, wo er vorzüglich das Allgemeine Krankenhaus und das Militärhospital besuchte, auch einen Abstecher nach Preßburg unternahm. Im Dezember 1791 nach Erlangen zurückgekehrt, begann Isenflamm unter Anleitung seines Vaters zu praktizieren, disputierte zu Michaelis 1793 als Dr. legens mit der Dissertation „De motu linguae“ und fing an Vorlesungen über Anatomie zu halten. Am 21. Novbr. 1794 wurde Isenflamm als Professor extraord. der Medizin, jedoch ohne Gehalt bei der damals preußischen Universität Erlangen angestellt, habilitirte sich dazu durch die im Juli 1795 gehaltene lateinische Antrittsrede „De denominatione partium corporis humani a pathematibus“, nachdem er dazu durch ein lateinisches Programm „Descriptio foraminum, fissurarum et canalium capitis ossei“ eingeladen und eine 1796 im Druck erschienene Dissertation „Brevis descriptio sceleti humani variis in aetatibus“ vertheidigt hatte. Im Jahre 1796 wurde er als Prosector bei dem anatomischen Theater mit 150 fl. Gehalt angestellt. In der Zeit von 1800–1803 gab er, zusammen mit dem Leipziger Anatomen Joh. Christ. Rosenmüller, „Beyträge für die Zergliederungskunst“ in zwei Bänden heraus, in denen sich von Isenflamm acht verschiedene Beiträge, teils rein anatomischen Inhalts (Verschiedenheiten der rechten und linken Seite, über die Flechsen, das Knochenmark, das anatomische Theater in Erlangen), teils pathologisch-anatomischen Inhalts (über eine Missgeburt ohne Extremitäten, über eine solche ohne Kopf) befinden. – 1802 erhielt Isenflamm mit dem Charakter eines kaiserl. russischen Hofrates einen Ruf als Professor ordinarius der 7. Classe für Anatomie, Physiologie und gerichtliche Medizin mit 2500 Rubel Gehalt an die Universität zu Dorpat, wohin er abging, nachdem er unter dem 7. März 1803 seine Entlassung von der preußischen Regierung bekommen hatte. In der Zeit von 1803 bis 1810 wurde Isenflamm zum Mitgliede mehrerer sehr angesehenen gelehrten Gesellschaften (der kaiserl. Leopoldinischen Akademie der Naturforscher, der kaiserl. physiolog.-medicinischen Gesellschaft und der Gesellschaft der Naturforscher zu Moskau, der kaiserl. Akademie der Wissenschaften und der kaiserl. medicinisch-chirurgischen Akademie zu St. Petersburg, der kaiserl. Akademie zu Wilna) ernannt. Während seines siebenjährigen Aufenthaltes in Dorpat, während welches Isenflamm mehrere Schriften veröffentlichte (als Einladungsschrift: „Tagebuch des anatomischen Theaters der kaiserlichen Universität zu Dorpat vom Jahre 1803 und 18O4“, 1805, das Programm „De vulneribus diaphragmatis observatio“, 1806, „Beschreibung der äußern und innern Beschaffenheit einer angebornen vorgefallenen umgestülpten Harnblase und der dazu gehörigen Teile eines männlichen Körpers“, 1806) machte Isenflamm einige Reisen nach St. Petersburg, Reval, Wilna, Königsberg, Berlin, Heidelberg, Würzburg, Frankfurt a. O. etc. Im Sommer 1810 ging Isenflamm, seiner Gesundheit und Familienverhältnisse wegen, zurück in seine Vaterstadt Erlangen und erhielt am 30. November 1810 seine erbetene Entlassung von der Universität Dorpat. Er wurde in Erlangen am 1. September 1810 Ehrenmitglied der dortigen physikalisch-medizinischen Gesellschaft, in der er eine 1812 im Druck (in den Denkschriften der Gesellschaft) erschienene Abhandlung „Beschreibung einiger menschlichen Köpfe von verschiedenen Rassen“ vorgetragen hatte. – Im März 1811 reiste Isenflamm nach München und wurde dann am 1. April 1814 als königl. bayerischer Kreis- und Stadtgerichtsarzt in Erlangen mit 500 fl. Gehalt angestellt. Vom Juni 1815 an fungierte er als erster Arzt bei dem daselbst etablierten kaiserl. russischen temporären Militärhospital. Vierzehn Jahre lang versah Isenflamm noch, ungeachtet seines aus Russland mitgebrachten kränklichen Körpers, sein Amt als Gerichtsarzt mit seltener Gewissenhaftigkeit. Sein Geist blieb bis zum letzten Augenblick seines Lebens heiter. Seine exemplarische Tätigkeit und Liebe zu den Wissenschaften, namentlich seine Vorliebe für die Anatomie (noch im Jahre 1822 veröffentlichte er „Anatomische Untersuchungen“ mit 2 Kupfertafeln) verließ ihn bis zum Vorabend seines am 23. Mai 1828 erfolgten sanften Todes nicht. Er, der 23 Jahre lang asthmatisch und brustleidend gewesen, zuletzt noch wassersüchtig geworden war und alle diese Leiden mit größter Resignation ertrug, hatte durch seinen letzten Willen festgesetzt, teils um nach seinem Tode noch der Wissenschaft zu nützen, teils um seine Einfachheit und Anspruchslosigkeit auch nach diesem fort zu behaupten, daß seine Leiche Abends in der Stille von vier Medizinern auf der Leichenbahre auf das anatomische Theater gebracht, am andern Tage öffentlich seziert, alles etwa dabei sich vorfindende Merkwürdige der pathologischen Präparatensammlung einverleibt und am dritten Morgen sein Körper von der Anatomie aus in der einfachsten und prunklosesten Weise beerdigt werde. Seine Anordnungen wurden durch seine Schwester, seinen Sohn und den ihm befreundeten Anatomen Dr. Fleischmann, die sich dazu durch Unterschreiben des einige Monate vor seinem Tode aufgesetzten letzten Willens verpflichtet hatten, pünktlich erfüllt. – Wenn auch nicht zu den hervorragendsten Anatomen gehörig, hat Isenflamm doch ganz Anerkennenswertes in seiner Wissenschaft geleistet.

Vgl. G. W. A. Fikenscher, Vollständige akademische Gelehrten-Geschichte der … Universität Erlangen, Abth. 3. 1806. S. 42. – (Hallesche) Allgemeine Literatur-Zeitung 1828. Nr. 190. Sp. 665. – Neuer Nekrolog der Deutschen. Jahrg. 6. 1828. Th. 1. S. 415. (Autobiographie und letzter Wille). – F. v. Recke und K. E. Napiersky, Allgem. Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland, Bd. 2. 1829. S. 402.