Seitdem vermochte ich das einschlägige Material zu häufen und die Untersuchung auch auf die Südhemisphäre auszudehnen.

Die ersten Ergebnisse waren vorwiegend auf Grund hydrographischer Phänomene gewonnen und daher nur qualitativer Natur. Es galt nun, durch Diskussion der meteorologischen Aufzeichnungen auch quantitativ den Betrag der Klimaschwankungen festzustellen.


Heute liegen die Beobachtungen von beiläufig 600 meteorologischen und hydrographischen Stationen, welche im Ganzen an 30.000 Beobachtungsjahre umfassen, in einheitlicher Weise bearbeitet vor, und mit ihrer Hilfe gelingt es bereits, ein deutliches Bild der Klimaschwankungen zu gewinnen, welche unser Erdball erlebt. Es sei mir gestattet, einige der Hauptergebnisse der Untersuchung, die dem Abschluss nahe ist *), hier in Kürze zu skizzieren.

*) Dieselbe soll Ende des Jahres 1889 in Penck's Geographischen Abhandlungen (Wien, Hölzel) separat unter dem Titel „Klimaschwankungen seit 1700“ erscheinen. Dort wird auch alles Material in extenso mitgeteilt werden, auf Grund dessen die unten folgenden Kurven entworfen wurden.

Schon die eigentümlichen Schwankungen der hydrographischen Phänomene, der Gletscher, der Seen und Flüsse, ließen es wahrscheinlich erscheinen, dass die Klimaschwankungen mit besonderer Deutlichkeit sich im Regenfall aussprechen würden. In der Tat hat sich das durchaus bestätigt.

In den beigegebenen Kurven (Fig. I. u. II) sind die Schwankungen des Regenfalls graphisch dargestellt. Die erste Serie gestattet dieselben über die ganze Nordhemisphäre hinweg zu verfolgen, die zweite desgleichen von der Nordhemisphäre durch die Tropen auf die Südhemisphäre. Die Kurven repräsentieren die Schwankung für ein großes Gebiet, wie sie als Mittel aus zahlreichen Stationen abgeleitet wurde. Die benutzten Stationen sind die nachfolgenden:

1) Schottland: Arbroath, Laurick Castle, Loch Leven Sluice, Northeast Reservoir, Glencrose, Swanton, Fernielaw, Edinburgh, Inveresk, Haddington, Culloden, Sandwich, Arrdaroach, Castle Toward, Cameron House und Bothwell Castle. 16 Stationen.

2) England: Chillgrove, Nash Mills, Oxford, Exeter, Orleton, Podehale, Boston, Bolton und Kendal. 9 Stationen.

3) Nordfrankreich: Rouen, Paris, Vendôme, Pannetière, La Collancelle, Clamecy, Avallon, Laroche, Montbard, Poully und Dijon. 11 Stationen.

4) Norddeutschland: Kleve, Trier, Köln, Boppard, Gütersloh, Frankfurt a. M., Gießen, Bremen, Kiel, Heiligenstadt, Torgau, Dresden, Stettin, Berlin, Küstrin, Frankfurt a. O., Posen, Görlitz, Breslau, Königsberg i. Pr. und Tilsit. 21 Stationen.

5) Österreich-Ungarn: Bodenbach, Prag, Deutschbrod, Lemberg, Kremsmünster, Klagenfurt, Wien und Hermannstadt. 8 Stationen.

6) Westrussland: Helsingfors, St. Petersburg, Riga, Warschau, Moskau und Kiew. 6 Stationen.

7) Ostrussland: Lugan, Ssimferopol, Astrachan, Baku, Tiflis, Bogoslowsk, Jekatherinenburg und Slatoust. 8 Stationen.

8) Westsibirien: Barnaul. 1 Station.

9) Ostsibirien: Nertschinsk (Hüttenwerk), Nikolajewsk a. Amur und Peking. 3 Stationen.

10) Vereinigte Staaten, Nord-Amerika, Inneres: Toronto Ont., Milwaukee Wis., Detroit Mich., Madison Io., Steubenville Ohio, Marietta Ohio, Cincinatti Ohio, Leavenworth Ka. und St. Louis Miss. 9 Stationen.

11) Norddeutschland: Wie oben 4).

12) Mittelitalien: Parma, Modena, Bologna, Genua, Florenz, Siena und Rom. 7 Stationen.

13) Vorderindien: Madras, Calcutta, Jablapur und Bombay. 4 Stationen.

14) Mauritius: S. Louis (Alfred-Observatorium). 1 Station.

15) Australien: Adelaide, Bathurst, Bukelong, Deniliquin, Goulburn, Melbourne und Sydney. 7 Stationen.

Es stützen sich also unsere graphischen Darstellungen auf die Beobachtungen von im ganzen 111 meteorologischen Stationen. Vordem deren Daten für die einzelnen Länder zu Gruppenmitteln vereinigt wurden, wurden die Lustrenmittel der Regenmenge der einzelnen Stationen berechnet und in Prozenten des dreißigjährigen Mittels 1851-80 ausgedrückt; die dann durch Vereinigung mehrerer Stationen gewonnenen Mittel für die einzelnen Länder wurden nach der Formel

a + 2b + c bezw. für das erste und letzte Lustrum nach der Formel
4
2a + b und a + 2b ausgeglichen.
3 3

Um den Gang der Zahlen bequem überblicken zu können, sind selben auf den beistehenden Figuren graphisch dargestellt worden.

Fig. 1. Säkulare Schwankungen des Regenfalls*)
Schnitt von West nach Ost.


*) Die Zahlen (%) rechts am Rande der Fig. I u. II beziehen sich je auf den Endpunkt der Kurve, bei welcher sie stehen.

Ein Ansteigen der Kurve um einen Teilstrich bedeutet ein Wachsen, ein Sinken derselben eine Abnahme des Regenfalls um 5%. Der Abstand des Scheitelpunktes vom Talpunkt gibt sonach den Betrag der Schwankung, jedoch nicht in absolutem Maß, sondern in relativem. Je größer dieser Abstand, desto größer ist das Verhältnis der zur Zeit des Maximums fallenden Niederschlagsmenge zu derjenigen des Minimums.


Fig. 2. Säkulare Schwankungen des Regenfalls.
Schnitt von Nord nach Süd.



Es ist ein überraschender Gleichlauf der Kurven, der uns begegnet: überall eine Senkung derselben gegen das Jahr 1860 und eine Hebung gegen 1850 und 1880, von der Westkaste der alten Welt bis zu ihrer Ostküste, sowie im Innern Nordamerikas, von Deutschland über Italien und Indien bis nach Australien. Es zeigt sich, dass mehr oder minder alle Länder der Erde gleichzeitig eine regenreiche Periode und gleichzeitig eine Trockenperiode erleben. Im laufenden Jahrhundert gruppieren sich die Maxima des Regenfalls um die Jahre 1815, 1850 und 1880, die Minima um die Jahre 1830 und 1860.

Freilich fallen die Epochen nicht absolut gleich; so trifft das Minimum des Regenfalls bei einigen Gebieten auf 1856/60, bei anderen auf 1861/65, '1 einem Fall sogar verspätet auf 1866/70, und analog wechselt auch etwas die Lage des Maximums. Bei keinem der hier aufgeführten Fälle aber koinzidiert ein Minimum mit einem Maximum. Kein Minimum fällt auf die Jahre 1841-55 und 1871—85 und kein Maximum auf die Jahre 1825 — 40 und 1856/70. Es entspricht also nicht einem Zuviel des Regenfalls in einem Gebiet ein Zuwenig in einem anderen; eine Kompensation findet auf den hier vertretenen Landmassen der Erde nicht statt. Die geringen Abweichungen von der Mittellage der Epochen sind dazu regellos und meist auf kleinere Gebiete beschränkt. Das kann aber auch gar nicht anders sein. Wie trotz der deutlich ausgesprochenen Jahresperiode eines meteorologischen Elements, etwa der Temperatur, doch dessen Maximum je nach der momentanen Witterung etwas früher oder später im Laufe des Jahres eintritt, so auch hier.

Auch die relative Intensität der Maxima und Minima ist nicht überall gleich: in Australien ist das Maximum um 1850 stärker ausgeprägt, als dasjenige der siebziger Jahre; bei einer Reihe von Gebieten sind beide Maxima gleich intensiv, während in der Mehrzahl der Fälle das Maximum um 1880 größer ist als dasjenige um 1850*).

*) Einige der letztgenannten Fälle dürften wohl auf Rechnung der allmählich Platz greifenden Verbesserung der Methode der Messung der Niederschläge, vor allem derjenigen des Winters zu setzen sein, wie die im allgemeinen aufsteigende Tendenz der Kurven für Russland, Sibirien und Mittelitalien anzudeuten scheint.

Doch gibt es immerhin, einige Gebiete, welche direkt als Ausnahmen von der Regel erscheinen. Da ist Unteritalien und Sizilien, sowie Südspanien, da ist das untere Indus- und Gangestal, da sind ferner die östlichen der Vereinigten Staaten von Nordamerika, deren Regenfall ein Maximum in den sechziger Jahren aufweist, also in jener Zeit, welche in den übrigen Ländern durch Regenarmut ausgezeichnet ist. Analog scheint es sich mit Island zu verhalten. Ebenso bildet Schottland durch seine zum Teil äußerst verschwommenen Schwankungen eine Ausnahme, während England sich der Regel fügt. Diese Ausnahmegebiete sind jedoch, soweit der heutige Stand der meteorologischen und hydrographischen Beobachtungen dieselben zu überblicken gestattet, sehr unbedeutend gegenüber dem Gros der Landmassen, die an den Schwankungen teilnehmen.

Noch ein anderes Gesetz tritt aus den Kurven klar und deutlich hervor: es ist die Verschärfung der Schwankung beim Vordringen in das Innere der Kontinentalmassen. In Schottland ist die Schwankung verwischt. In Deutschland ist sie deutlich und es verhält sich die Regenmenge des trockensten Lustrums um 1860 zu derjenigen des regenreichsten Lustrums um 1880 wie 1 : 1,09, im östlichen europäischen Russland wie 1 : 1,24 und in Westsibirien gar wie 1 : 2,26. Mehr als zweimal so viel Regen fiel hier in den feuchten 5 Jahren 1881/85 als in den trockenen 1861/65. In Ostsibirien sinkt das Verhältnis wieder auf 1 : 1,36 herab. Nicht erwehren kann man sich angesichts dieser Tatsache, besonders wenn man die Lage einiger der oben genannten Ausnahmegebiete an den Gestaden des Atlantischen Ozeans gleichzeitig ins Auge fasst, als sei der geschilderte Rhythmus der Schwankung des Regenfalls ein kontinentaler und als könnte vielleicht die auf den Landflächen vergeblich gesuchte Kompensation auf Teilen des Ozeans stattfinden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches In wie weit ist das heutige Klima konstant?