Hutmoden im Vogelreich

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 19. 1927
Autor: Prof. Dr. H. v. Lengerken, Erscheinungsjahr: 1927

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Vögel, Federschmuck, Fasanen, Kolibris, Paradiesvogel, Kolibri, Fasanen,
Wenn wir von der Mode im Tierreich oder vom Schmuck der Tiere reden, so dürfen wir nicht vergessen, dass wir dabei in bestimmte tierische körperliche Eigenschaften einen ästhetischen Sinn hineinlegen, der nur für unser eigenes menschliches Schönheitsgefühl gelten kann. Mit anderen Worten: wir wissen nicht, ob dieses oder jenes Tier diese oder jene Körpereigenschaft als „schön“, also als Zierde empfindet. Da meist die Männchen der Vögel durch auffällige Merkmale in Bezug auf Färbung und besondere Federbildungen ausgezeichnet zu sein pflegen, sind wir geneigt anzunehmen, das Männchen wolle dem Weibchen gefallen. Man braucht nur einen Pfauenhahn zu beobachten, der sich vor seinem Weibchen brüstet, um auf diesen naheliegenden Gedanken zu kommen. Sieht man jedoch genauer hin, so nimmt man sehr bald wahr, dass das Weibchen sich um die Schaustellung all der Pracht überhaupt nicht kümmert. Bei anderen Tiergruppen fällt diese Gleichgültigkeit des Weibchens den „Schönheiten“ des Männchens gegenüber noch mehr auf. Das gilt zum Beispiel für die Käfer. Denn man kann hier beobachten, wie ihres Schmuckes beraubte Männchen von den Weibchen ebenso angenommen werden wie normale Partner. Es fällt daher sehr schwer, das Vorhandensein von Schmuckfarben und –federn durch geschlechtliche Zuchtwahl zu erklären. Die Bedenken verstärken sich, wenn wir sehen, wie bei Vögeln, die zu Haustieren geworden sind, plötzlich Federbildungen auftreten, die das wildlebende Tier nicht besitzt.

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Als Beispiel sei die Federhaube der Haubenhühner angeführt. Durch die züchtende, auswählende Hand des Menschen können nun allerdings solche Eigenschaften bis zu einem gewissen Extrem herausgebildet werden. Wir dürfen aber nicht ohne weiteres die Methoden der künstlichen Zuchtwahl auf die Arbeitsweise der Natur übertragen. Dass gewisse Federbildungen beim Hausgeflügel irgend einen ästhetischen Sinn in den Augen dieser Tiere haben könnten, dürfen wir nicht annehmen. Einzig vom menschlichen Standpunkt aus ist ein Haubenhuhn „schön“ oder eine mit mächtigen Fußfederlatschen versehene Taube „geschmückt“. Gewöhnliche Haushennen haben sicherlich keinerlei Vorliebe für einen Paduahahn, von dessen Kopf eine üppige Mähne auffallender Federn herunterwallt.

Suchen wir eine Erklärung, fahnden wir nach einer Zweckmäßigkeit der Erscheinung, so müssen wir entweder zu Schlagworten unsere Zuflucht nehmen oder bekennen, dass eine Zureichende Erklärung nicht zu geben, eine Zweckmäßigkeit nicht nachzuweisen ist. Legen wir also gewissen Federbildungen der Vögel den Sinn des Schmuckes bei, so fällen wir ein ästhetisches Urteil, das seinen Maßstab einzig und allein in uns selbst hat.

Von den mannigfachen Schmuckfedern, die wir an verschiedenen Körperteilen des Vogels finden, sollen uns hier nur die oft sehr auffallenden Zierden des Kopfes und Halses interessieren. Welch eine Fülle der Form, welche Pracht der Farbe, welche Eleganz der Linie und Unerschöpflichkeit in den Einzelheiten tritt uns da entgegen! Wir erinnern nur an das Diadem des Pfaues und an die wohlbekannten Federhauben der verschiedenen Kakadus, des Seidenschwanzes, Rosenstars und zahlreicher anderer Vogelarten.

Eine irgendwie geartete Federhaube gibt ihrem Träger in unseren Augen immer eine besondere Note. Solche Schöpfe können aus wenigen, manchmal nicht sonderlich prächtig gefärbten oder gezeichneten Federn bestehen, die unter Umständen erst auffallen, wenn sie in der Erregung von den Tieren gesträubt werden. Vogelarten, die ihren Kopfschmuck aufrichten und wieder umlegen können, gibt es eine ganze Menge. Ein Vertreter dieser Richtung ist der seltsame Wiedehopf, dessen übelriechendes Nest in einem eigenartigen Gegensatz zur Pracht seiner Federfärbung steht. Des „Kuckucks Küster“, der fast so aussieht, als gehöre er gar nicht in unsere Landschaft, trägt auf dem Scheitel einen regelrechten Indianerschmuck, der aus einer Doppelreihe bräunlich-gelber Federn besteht. Jede Feder ist schwarz gespitzt. Diese dunklen Enden heben sich deswegen besonders von dem gelblichen Grundton ab, weil ein weißer Fleck wie ein Akzent unter jeder schwarzen Spitze angebracht ist. Wird der Fächer zurückgeklappt, so überragt eine fast pfiffige Spitze den Hinterkopf.

Einer der am schönsten gefärbten Vögel überhaupt ist der männliche Klippenvogel, ein Bewohner der Bergwälder Südamerikas. Der größte Teil seines Federkleides leuchtet in herrlichstem Orangerot. Seine Eigenart wird noch erhöht durch einen Federkamm des Scheitels. Dieser Kamm ist purpurn gesäumt und so gleichmäßig in seiner Kontur wie die Zierde eines Raupenhelmes. Wenn der prachtvolle Vogel seinen Balztanz aufführt, weiß er seine Kopfzier so recht zur Geltung zu bringen.

Lässt der Klippenvogel im Hinblick auf die regelmäßige Bildung seiner Kopfzierde gewissermaßen eine militärische Note erkennen, so kommt der Hokko mit seinem Charakterkopf in der bizarren Linie seines Hauptschmuckes dem Stilgefühl unserer Zeit entgegen. Die Natur hat hier erreicht, was den menschlichen Haarkünstlern noch immer nicht geglückt ist, nämlich die Herstellung wirklich echter „Dauerwellen“.

Die kalifornische Schopfwachtel, einst eine große Kostbarkeit im Tierhandel, fehlt heute kaum in einem größeren Vogelhaus. Das Tier erweckt mit seinen menuetthaften Bewegungen, den zierlichen Beinstellungen und seiner koketten Stirnagraffe immer wieder das Entzücken des Beschauers. Der fesselnde Ausdruck des Kopfes wird noch erhöht durch einen weißen Augenbrauenstrich und die ebenfalls weiß geränderte schwarze Kehlplatte.

Im Gebiet des Amazonenstromes lebt der rabenschwarze Schirm- oder Stiervogel, der auf dem Kopf einen aufstellbaren Federhelm trägt, dessen Fransen bis auf die Schnabelspitze niederfallen. Aber damit nicht genug, überrascht er den Betrachter mit einem langen Federbart, der allerdings etwas weit den Hals heruntergerutscht zu sein scheint. Auch dieser Bart ist anlegbar. Wenn der Vogel frisst, klappt er dieses sonderbare Gebilde so an den Leib, dass es überhaupt nicht zu sehen ist. Hockt das Tier jedoch ruhig auf einem Ast, so stellt es den Helm hoch und lässt den Federbart herunterhängen. Was uns hier als Schmuck des Halses erscheint, ist in Wahrheit ein hohler, außen mit Federn besetzter Hautlappen, der mit Luft gefüllt werden kann und bei der Lautäußerung des Tieres eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Wie die Beobachter mitteilen, bläht der Vogel den Federlappen auf, schwenkt ihn hin und her und stößt sein Geschrei aus, das an das Gebrüll eines Stieres erinnert.

Einen richtigen Backenbart besitzt das Barthuhn. Von gewissen russischen Haushühnern, die mit einem umfangreichen Backenbart ausgestattet sind, nimmt man an, dass die andauernde Kälte ihrer Heimat ihnen zu dieser Zierde verholfen hat.

Das mit einer phantastischen Federhaube ausgezeichnete Haubenhuhn muss die menschliche Freude am Absonderlichen mit einem — Wasserkopf büßen. Unter dem Zierat wölbt sich eine Schädelauftreibung, die man schon beim Keim im Ei feststellen kann. Das gleiche gilt für das Paduahuhn, dessen üppige Federkrone wie eine zu groß geratene Kopfbedeckung in vielen Fällen sogar die Augen verdeckt. Bei diesem Tier fangen die Begriffe „Schmuck“ und „Unzier“ an, sich zu berühren, denn hier befinden wir uns auf dem Gebiet des züchtenden Einflusses des Menschen, der jeweilig nach seiner Geschmacksrichtung bestimmte Merkmale seinen Pfleglingen anzüchtet.

Unsere Betrachtungen haben sich auf den Federschmuck des Kopfes beschränkt, dadurch konnten wir aus der Fülle der Erscheinungen nur wenige Beispiele herausgreifen. Zu welchen Wunderwerken an Farbenpracht im Verein mit graziöser Form die Federn auch an anderen Körperstellen oder gar am ganzen Vogelleibe umgestaltet sein können, zeigen besonders die Paradiesvögel, Kolibris und einzelne Fasanenarten.

Hutmode im Vogelreich - Barthuhn mit Backenbart

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Hutmode im Vogelreich - Das afrikanische Hornperlhuhn

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Hutmode im Vogelreich - Das Paduahuhn mit seinem Federhut

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Hutmode im Vogelreich - Der helmgekrönte Schirmvogel der Kordilleren Perus

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Hutmode im Vogelreich - Der Hokko mit dem Lockenkopf

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Hutmode im Vogelreich - Der indische Fasan mit Hörnchen mit Bartansätzen

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Hutmode im Vogelreich - Der Klippenvogel mit seinem purpurgesäumten Federkamm

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Hutmode im Vogelreich - Der Schirmvogel mit Raupenhelm und Federschlips

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Hutmode im Vogelreich - Der Wiedehopf trägt Indianerschmuck

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Hutmode im Vogelreich - Die kokette Agraffe der Schopfwachtel

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Hutmode im Vogelreich - Die Straußwachtel von Sumatra

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Hutmode im Vogelreich - Paradiesvogel von Neuguinea mit mächtigem Federhut und prächtiger Halskrause

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Hutmode im Vogelreich - Phantastische Federhaube des Weißhaubenhuhns

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Hutmode im Vogelreich - Tropisches Huhn mit lustigem Federhut

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