Abschnitt 2

Seereisen und Colonien


Kaum kann ich bei dieser Geschichte aus dem ersten Zeitraum der holländischen Niederlassungen in Ostindien mich einer Menge bitterer Vergleiche enthalten, welche ihre Aufführung in der Folgezeit darbietet, ja, die aus diesem Jahrhundert und seit dem Wiederabtritt der niederländisch-asiatischen Colonien von Seiten Englands an Holland mir vor Augen schweben. Man schlage nur das Februarheft vom Jahr 1818 auf und lese einen Vorfall, der nach dem umständlichen Bericht englischer Zeitschriften, wie des Asiat und Colon. Journal im Jahr 1816 sich auf Java ereignete, nachdem kurz zuvor eine Proclamation der Regierung den Einwohnern der Insel die schöne moralische Versicherung gegeben hatte, daß die Grundsätze, welche sie leiteten, gerecht, liberal und milde seien 1) Kann, wird er ausrufen, kann das im neunzehnten Jahrhundert geschehn, welche Verbrechen und Greuel müssen dann das achtzehnte und siebzehnte Jahrhundert brandmarken.


Doch beende ich dies Capitel mit einer erfreulicheren Erinnerung aus den Zeiten des holländischen Ruhms; sage ich einige Worte von den kühnen Seefahrern dieser Nation, die als Entdecker auftraten. Diese würdigen Männer hatten keine persönlichen Vortheile im Auge, als sie sich den Gefahren unbe kannter Meere Preis gaben, sie folgten nur einer unwiderstehlichen Neigung, sich in der weiten Welt umzusehn und ihre Namen durch neue Entdeckungen von Inseln und Seewegen im Vaterlande bekannt zu machen. Undank war der Lohn der Meisten unter ihnen, die ostindische Compagnie spielte ihnen zu Batavia die schlechtesten Streiche, nahm sie gefangen, beraubte sie ihrer Güter, bemächtigte sich ihrer Tagebücher, Instrumente und Charten und ließ ihnen oft nichts, als das Leben, ihren Ruhm, einen Winkel in einem Packschiff, worin sie nach Europa zurückkehrten und eine Klage an die Statthalter und Generalstaaten, auf die man nicht achtete. Ein sehr lebendiges Interesse erregen ihre Reiseberichte, Quartanten, Folianten mit Kupfern, werth, daß man allein ihrethalb sich die leichte Mühe gibt, die holländische Sprache zu erlernen, die seemännisch-holländische Naivität ihre Darstellungen ist unübertrefflich. Ueberhaupt die ganze niederländische Literatur kann mir gestohlen werden, außer Hooft’s Geschichte der Abfalls der Niederlande, Vondels Gedichten und diesen Seemannstagebüchern, der einzigen würdigen Producte, welche die holländische Feder dem holländischen Malerpinsel entgegenzusetzen hat.

Anfangs versuchten die Holländer einen Seeweg nach Indien in nördlicher und östlicher Richtung, weil die gewöhnliche Fahrt von spanischen und portugiesi schen Schiffen durchkreuzt und also unsicher und gefährlich gemacht wurde. Jacob Heemskerk war der letzte, der das schauerliche Nordeis zu durchbringen strebte. Er segelte im Jahr 1596 mit zwei Schiffen aus, gab der Insel Spitzbergen ihren Namen, nachdem das eine Schiff im Sturm gegen die russische Küste getrieben war, bei Nova Semla im Eise fest, wo er mit sechszehn Matrosen in der schrecklichsten Kalte eine dreimonatliche Nacht zubrachte, aus Treibholz sich Hütten aufzimmerte und sich des Todes durch Eisbären, Frost und Hunger männlich erwehrte. Das Schiff war noch im Brachmond zugefroren, sie setzten sich daher auf Kähne und landeten unter tausend Gefahren und Mühseligkeiten an der Küste von Lappland. Hier fand er zu Kola das andere Schiff und kam 1597 nach Amsterdam glücklich zurück. Dies war, wie angeführt, das letzte Unternehmen dieser Art; denn nun, entschlossen sich die Holländer, keine neue vergebliche Versuche mehr nach Norden und Osten anzustellen, sondern in befahrenen Meeren ihren geschwornen Feinden Trotz zu bieten. So ward im Jahr 1613 die Insel Ascension durch Willem Schauten und Jacques le Maire entdeckt, die Straße le Maire, das Kap Horn, die Inseln Barneveld im Jahr 1616 durch le Maire, auf einer Reise um die Welt, auf welcher er starb. Schon Olivier van Noort hatte zwischen 1595 und 1601 muthvoll die Welt umsegelt, er brachte von vier Schiffen nur ein einziges nach Holland zurück. Ein Theil von Neu-Holland erhielt im Jahr 1632 durch einen Seefahrer van Lieven den Namen seines Entdeckers. Jacques l’Hermite und Jan van Skapenham machten ihre dritte Reise um die Welt in den Jahren 1683–1686; in Kallao de Lima verbrannten und versenkten sie dreißig spanische Schiffe. Van Diemens Land ward 1642 durch Abel Tazman aufgefunden, die Insel Barbadoes im Jahr 1680 durch Sharp, zu allen welchen Inselentdeckungen auch noch die durch Holländer neu entdeckten Seewege hinzuzurechnen sind.




1) Die Sache ist im kurzen die: im Jahr 1816 machte sich ein zahlreicher Hause Javaneser, welcher sich über die Bedrückungen eines holländischen Beamten zu beklagen hatte, nach landüblicher Sitte auf den Weg, um einer entfernten höheren Behörde ihre Klagepunkte vorzulegen und um Abstellung der Mißbräuche zu bitten. Sie vergriffen sich unterweges an keines Menschen Eigenthum und führten sich tadellos auf, wurden aber dennoch als Empörer angesehn, auf ihre Weigerung, sich ruhig zu zerstreuen, angegriffen, besiegt und in ein Caffeevorrathshaus zu Indramayo eingesperrt, das nach der Versicherung eines englischen Reisenden, gleich der berüchtigten schwarzen Höhle zu Calcutta, für die eingesperrte Menschenmenge viel zu eng war. Die Gefangenen suchten sich Luft zu machen, durch die Latten des Dachs und die Lehmmauer zu entkommen, wurden aber bei diesem Bestreben von den wachthabenden Soldaten in Gegenwart und auf Befehl der Officiere wie Sperlinge niedergeschossen und nach Beendigung dieser Blutscene, die 300 Gefangenen das Leben kostete nach Sambong eingeschifft, auf welcher Fahrt der zweite Act des Trauerspiels vorfiel und noch viele in die andere Welt befördert wurden, so daß zuletzt von 594 wehrlosen Gefangenen nur 113 am Orte ihrer Bestimmung eintrafen. – Lebt ein Gott im Himmel! –

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Holland in den Jahren 1831 und 1832 Zweiter Theil