Abschnitt 1

Het huis in Busch


Das Haus im Busch ist ein oranisches Luftschloß im Haager Gehölz, es hat zwei einstöckige Flügel und ein breitgetrepptes Mittelgebäude, dessen Kuppel einen Schatz bedeckt, welcher diese einfache, aber reizende Sommerwohnung kostbarer macht, als hundert Marmorpaläste und glänzende Prachtgebäude.


Bei meinem ersten Besuch führte mich die Frau des Castellans nebst ihrer Tochter in den eleganten Zimmern umher. Da mußte ich denn hören, welcher Gouverneur von Batavia die Tapeten des japanischen Zimmers dem höchstseligen Statthalter zum Geschenk gemacht, in welchem Zimmer „unser geliebter König, Se. Majestät Wilhelm I., dem Gott langes Leben schenken möge u.s.w.,“ das Licht dieser Welt erblickt – wenn ich nicht irre, war es dasselbe Zimmer, das späterhin dem Rathspensionarius Schimmelpennink und darauf dem König Ludwig zum Schlafgemach diente, als sie nach einander auf kurze Zeit dieses Haus bezogen. „Schimmelpennink,“ sagte sie, „war ein großmächtiger Herr und seine Frau eine prächtige Frau, und seine Lakaien hatten rothe Röcke an mit goldnen Borden und Quasten, und wenn er in seiner Glaskutsche nach dem Haag fuhr, so kam die ganze Stadt auf die Beine. Aber der arme König Louis,“ fügte sie hinzu, „sah sehr zärtlich aus, er war lahm an der einen Seite und hatte immer Leibschmerzen.“ Jawohl, der arme, arme König Louis, dachte ich. Also in diesem Zimmer hatte ihm zuerst geträumt, daß er König von Holland wäre; wie bald ist er in seinem großen Palast von Amsterdam aus diesem Traum erwacht. Was dieser Mann in der kurzen Zeit für Holland gethan und beabsichtigt, hatte ich gerade in jener Zeit aus seiner eigenen Denkschrift erfahren, worin er die Geschichte seines kurzen Königthums erzählt und die Beweisstücke seiner Verwaltung vollständig beiliefert, so daß ich die klarste Einsicht von jener Zeit gewann, die sich auf jedem Blatt, möchte ich sagen, mit der Rührung über sein häusliches und öffentliches Schicksal vermischte. Was mich aber am meisten rührte, war die Hoffnung, der er sich einige Zeit lang nach dem Sturze seines Bruders hingab, durch die freie Stimme dankbarer Holländer zum zweiten Mal auf einen Thron zurückberufen zu werden, welchen er das erste Mal zwangsweise bestiegen hatte. Armer König Louis. Glaubtest du denn, daß selbst ein Bernadotte Schwedenkönig geworden, nach dem Fall des großen Mannes, den er undankbar als Feind behandelte. Auch Joachim von Neapel schwebte im selben Wahn, und ward vom Volk zerrissen und gesteinigt, wie du – ich wünsche nicht, daß diese Worte dir zu Ohren kommen – wie du zerrissen und gesteinigt worden wärest, hättest du gegen den Jantje von Amsterdam die Pflichten seiner Dankbarkeit geltend machen wollen. König Louis, hättest du ein Herz gehabt von Stein und Bronze, wie dein Bruder Napoleon, es wäre vielleicht dir und deinem Bruder besser ergangen. Und sprich, wem hast du am Ende genützt, als du deinen Holländern erlaubtest, trotz der Continentalsperre und den Drohungen deines Bruders, Schleichhandel mit englischen Waaren zu treiben, als die Küsten von Holland jede Nacht von Kähnen wimmelten und bewaffnete Schleichhändler mit englischen Ballen über die Dünen jagten? Antwort, du hast einige reiche Mijnheers noch reicher gemacht und indem du dein Land zu einem Canal der englischen Waaren hergabst, vermittels dessen sie durch ganz Europa heimlich sich verbreiteten, hast du dem System deines Bruders den Boden eingeschlagen, das ohne deine Hand vielleicht, ja mehr als vielleicht, die Krämerinsel gestürzt und den dicken Mylord in seinem eigenen Fett erstickt hatte.

Doch genug vom armen König Louis. Sein Bild ist aus allen Herzen und von allen Wänden verschwunden, und am wenigsten wird man es suchen in einem Lustschloß der oranischen Familie, in einem Hause, welches die Kunst gleichsam zu einem Tempel umgeschaffen hat, worin ein Glied dieser Familie seine Apotheose feiert. Die gute Frau riß ein Paar Flügelthüren auf und überraschte mich mit dem Anblick eines hohen, runden, von der Kuppel herab erleuchteten Saales, angefüllt mit tausend Gestalten in Lebensgröße. Eine edle deutsche Frau, Amalie von Solms-Braunfels, wollte durch diesen Saal ihre Trauer um den Tod ihres Gatten verewigen, es war Friedrich Heinrich, der Bruder des Prinzen Moritz und der zweite Sohn Wilhelms, der Statthalter und Generalcapitain von Holland. Sie versammelte neun berühmte Maler ihrer Zeit und diese haben durch den Wetteifer, womit sie sich in die Hände arbeiteten und ihre besten Kräfte beisetzten, Alles, wie es scheint, übertroffen, was man an andern Orten von ihnen sieht. An der Spitze standen drei Schüler von Rubens Jordaans von Antwerpen, van Tülden aus Herzogenbusch und Zoutmann von Haarlem, außer diesen Gerhard Hondhorst von Leyden, Jan Lievensze von Utrecht, Cäsar von Everdingen von Alkmaar, Peter de Grebber, Salomon de Bray und Cornelius Brizé von Haarlem. Das älteste der Gemälde ist vom Jahr 1648, das jüngste von 1652. Das Werk ward also begonnen ein Jahr nach dem Tode Friedrich Heinrichs, welcher den Frieden von Münster, das Ziel seiner Wünsche und seines Strebens, nicht mehr erlebte, und dadurch den Triumph einbüßte, welchen die Anerkennung der sieben Provinzen von Seiten Spaniens und der übrigen europäischen Mächte nicht unverdienterweise auf sein Haupt zurückgestrahlt hätte. Seine Wittwe und die Kunst haben ihn dafür entschädigt. Ueber der Pforte stehen Minerva und Hercules und scheinen sie mit Gewalt öffnen zu wollen, damit der Friede, der in schimmernder Wolke niederfährt, in sein Heiligthum eintreten könne, eine Anspielung, wie man sieht, auf den westphälischen Frieden. Nun erblickt man rings umher den gefeierten Helden in jedem Alter und den mannigfaltigsten Zuständen seines Lebens, seine Geburt, seine Siege, sein Familienleben, sein Ende. Cäsar von Everdingen hat seine Geburt dargestellt. Vater Wilhelm sitzt auf einem mit Goldstoff geschmückten Sessel, hinter seinem Rücken lauert der Tod – Friedrich Heinrich war nur fünf Monate alt, als sein Vater meuchlings erschossen wurde. Götter und Genien umgeben und schützen die Wiege des Knaben. Auf einer andern Tafel sieht man ihn in alterthümlicher Tracht an der Hand der schönen und geistreichen Amalie, daneben eine schlafende Venus, gemalt von Hondhorst. An häuslichen Bezügen ist überall kein Mangel. So sieht man seinen Bruder Moritz, seine Töchter, die Aeltere an der Hand ihres Gatten, Friedrich Wilhelms, Kurfürsten von Brandenburg, besonders häufig seinen Sohn Wilhelm II., wie dessen Gemahlin Maria von England, Beide mit ihren Habichtsnasen, ihren blassen seinen Gesichtern sich so ähnlich, wie ein Lilienblatt dem andern; derselbe frühgestorbene Wilhelm, der mit einem Reitergeschwader Amsterdam überrumpeln wollte, dem aber die Bürgermeister und Schöppen die Thore vor der Nase zuwarfen, über welchen Vorfall ich ein artiges Gedicht in holländischer Sprache gelesen. Auch sieht man seinen Schwiegervater, Karl I. von England, denn der blasse Reiter auf dem Schimmel stellt ohne Zweifel den unglücklichen Karl vor; er ist gemalt von van Tülden. Die allegorischen Figuren, von denen der Saal wimmelt, beziehen sich auf Feste, Hochzeiten, Siege, Belagerungen, und auf die Künste des Friedens, die unter Friedrich Heinrich in ihrer höchsten Blüthe standen, ohne daß man deswegen behaupten könnte, dieser oder irgend ein anderer nassauischer Fürst habe, nach Art der Medizeer in Florenz, dazu sehr förderlich beigetragen, nimmt man, wie billig, unsere Amalie von Solms-Braunfels von der Reihe aus. Jan Lievensze hat fünf Musen geliefert, le beau reste ist, in seiner Manier, von Cäsar von Everdingen. Der Maler aber, dessen Pinsel die drei Cyklopen entwischt sind, konnte mit Rubens wetteifern. Sie stehen vor dem Ambos und schmieden die Rüstung des Helden. Färbung, Licht, Schatten, Ausdruck der arbeitenden Muskeln, der ganze Wurf, wie er gedacht und ausgeführt ist, sind rubenisch. Alexander von Rußland wollte, ich weiß nicht wie viel tausend Gulden dafür geben, obgleich er auf Schmiedearbeit sich wohl nicht so gut verstand, wie sein Vorfahr Peter der Große, der für die Kopeken, die er im Schweiße seines Angesichts einmal schmiedet hatte, sich sm Paar neue Stiefeln kaufte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Holland in den Jahren 1831 und 1832 Zweiter Theil