Abschnitt 1

Der Rhein und Vondel


O schöner Rhein, mein Jugendtraum,
Soll ich von fern dein Lob besingen,
Der ich gespielt an deinen Saum,
Du kannst aus Schweizer Alpen springen,
Du Ader von dem schönsten Weib,
Bruder der Donau, du nach Norden,
Nach Osten sie, aus Einem Leib
Entsprungen und sich fremd geworden,
Won Einer Mutter in Eis und Schnee
Und Regen geboren auf der Höh.


Du schlängelst, wie die griech’sche Schlang’,
Deine blauen Ringel längs Gesträuchen
Und grünen Bergen, breit und lang
Und füllst dich aus so vielen Schläuchen
Der Bäche, bis du angeschwellt
Bald Kräuter lockerst, die das Ufer decken,
Bald fluthest um ein Ackerfeld,
Bald nagst an rauhen Felsenecken;
Nun zwischen Berg und krummen Horn,
Nun durch ein Thal voll Most und Korn.

Du irdscher Regenbogen du,
In schimmernde Farben eingekleidet,
Du raubst dem himmlischen seine Ruh,
Der oben traurig dich beneidet.
Deine Locken, deine Städtekron’,
Deine grüne Weingartenhaube
Verziert die weiße, die purpurne Traube,
Und dienend stehn an deinem Thron
Die Flüsse, die beträuft von Naß,
Zuschütten dir ihr Wasserfaß.

Da ist der Main, einer Pinie Sohn,
Die Mosel mit ihren Apfelflechten,
Die Maas mit ihrer Meuterkron’,
Verwegen mit dir selbst zu fechten,
Ruhr, die ihr Haupt mit Ried beschaut,
Neckar mit seinen Traubengeästen,
Lippe, gehüllt in Moos und Kraut
Und überhangenden Eichenästen,
Und hundert andre, wie die Aar,
Kornblumen und Weinlaub im Haar.

O meines Rheines lautre Fluth,
Du bis zum Tode meine Labe,
Wie Manchem gabst du Ehr und Gut
Wie hohe Titel manchem Grabe,
Welch großen Namen manchem Land,
Der Helden, über dich gezogen,
Aufpflanzend Ruhm an deinem Strand;
Wie oftmals theilten deine Wogen,
Wenn sie die deutschen Krieger sahn,
Ihr Heldenglühn bei ihrem Nahn.

Doch fühl ich ach ein bittres Leid
Und möchte mich in dich verweinen,
Daß Fürstenhaß und Kirchenstreit
Zu einer Hyder sich vereinen,
Einer bösen Hyder, voller Gift,
Die an des Rheins gesunden Borden
Ihr Gift verspritzt, daß Thal und Trift
Und’s ganze Deutschland trieft von Morden.
O wäre der Messias nah
So lang ersehnt und noch nicht da.

Der Dichter dieses schönen Rheinliedes, von dem ich kaum die Hälfte mitgetheilt, ist Vondel, der Stolz der Holländer, und in der That ihr größter oder vielmehr einziger Dichter, fasse ich das Wort in unserm Sinn. Vondel ist geboren in Kölln am Rhein. Als er noch Kind war, nahm sein Vater den Wanderstab, um sein Glück anderswo zu versuchen. Die Reise ging über Hamburg, wo die Familie einige Zeit lang sich aufhielt, nach Amsterdam, wo Vondel groß wurde, lebte, dichtete und starb. Die heitern Wanderbilder aus seiner Kindheit schwebten ihm bis an seinen Tod vor Augen, sein Vater war Zimmermann, seine Mutter eine fromme Frau und daher war seiner Phantasie nichts natürlicher, als jenen mit Josef, diese mit Maria und sich selbst mit dem Christkind zu vergleichen und in der Reise seiner Eltern von Kölln nach Holland, die Flucht der heiligen Familie von Bethlehem nach Aegypten zu sehen.

Nie vergaß er Kölln und den Rhein. Sein Rheinlied dichtete er im Alter und als Gustav Adolf vor Kölln lagerte, schrieb er an diesen eines seiner schönsten Gedichte, worin er ihn beschwört, der Stadt Kölln kein Leides zuzufügen. Wie’s Vögelein, sagt er,

Wie’s Vögelein, das singt, wenn’s vogelfrei ist,
Die off’ne Luft ist mein,
Doch wünscht es, da zu sein,
Wo es gekrochen aus der Mutter Ei ist:
So ich. Obwohl mein froher Geist mag schweben,
Wohin ihn trägt sein Flug,
Doch zieht ein stiller Zug
Mich heim nach Kölln, wo ich empfing das Leben,
Wo ich zuerst nach Honig ausgeflogen,
Am Rhein, am blonden Rhein,
Bepflanzt mit rhein’schem Wein,
Wo ich den Thau aus Veilchen früh gesogen.
Und daraus wird mir nun mein Leid geboren.
Denn wo ich aufgewiegt,
Die Schwedenfahne fliegt
Und Donner dröhnt von dort mir in die Ohren.
Drum mocht’ ich wie ein Schwan dem Mars begegnen,
Den Busen in der Fluth
Hellsingend seine Wuth
Ablenken längs dem Staub der Rossehufe.

und wie er weiter den Helden des dreißigjährigen Krieges zu rühmen sucht, der aber vermuthlich keine holländische Verse las. Und nicht Kölln allein, das ganze arme Deutschland lag ihm beständig am Herzen. Er beklagte den ungeheuren Spalt, den Luthers heilig eifernde Axt in Germaniens Boden geschlagen, er sah aus nach dem großen Mann, der den Fürsten den Daum aufsetzte, nach dem Kaiser, Messias:

So lang ersehnt und noch nicht da,

der die Hyder der Zwietracht unter die Füße treten, den Glanz des alten Reichs wieder erfrischen und aufs neue die Stämme Deutschlands unter die Flügel des Adlers versammeln würde. Merkwürdig ist seine Ode an Kaiser Leopold. Laß, sagt er unter Anderm an diesen Kaiser, der eben gekrönt war und große Hoffnungen erregte,

Laß geschirmt durch deinen Speer
Muthiger den Bataver
Auf der See sein Banner breiten,
Laß den röm’schen Doppelaar
Mit dem Leu, ein tapfres Paar,
Unter Einer Fahne streiten.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Holland in den Jahren 1831 und 1832 Zweiter Theil