Heyfelder, Johann Ferdinand (1798-1869) russischer wirkl. Staatsrat, Prof. der Chirurgie zu Petersburg. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 12 (1880)
Autor: Gurlt, Ernst (1825-1899) Deutscher Chirurg und Medizinhistoriker., Erscheinungsjahr: 1880
Themenbereiche
Heyfelder: Johann Ferdinand H., kaiserl. russischer wirklicher Staatsrat und Professor der Chirurgie zu Petersburg, wurde am 19. Januar 1798 in Küstrin, wo sein Vater Deichinspektor war, geboren. Im Alter von 16 Jahren bereits trug er die Waffen gegen Frankreich. Heyfelder studierte darauf Medizin in Berlin, Jena, Würzburg, Tübingen und Breslau, woselbst er am 15. März 1820 (mit der Dissertation „De prosopalgia Fothergilli“ etc.) zum Dr. med. promoviert wurde. Heyfelder bereiste dann das südliche Deutschland und Österreich und hielt sich ein Jahr lang in Paris auf, wurde daselbst mit einer Reihe der ersten Notabilitäten der Wissenschaft bekannt, mit denen er, so lange sie am Leben waren, in freundschaftlichem Verkehr blieb. Heyfelder erhielt dadurch die Gelegenheit, vielfach später als Vermittler deutscher und französischer Wissenschaft aufzutreten, eine Rolle, die ihm durch die Fertigkeit, mit der Heyfelder französisch sprach und schrieb, sehr erleichtert wurde. Eine Frucht seiner Beobachtungen und Studien in den Pariser Hospitälern war eine kleine, einige Jahre später erschienene Schrift („Beobachtungen über die Krankheiten der Neugeborenen etc. nach eigenen Erfahrungen in den Hospitälern zu Paris“, 1825). Nachdem Heyfelder auch weiter noch den Westen und Süden von Frankreich bereist hatte, kehrte er nach Deutschland “ zurück und ließ sich in Trier als praktischer Arzt nieder. Heyfelder gewann bald eine ansehnliche Praxis, begründete durch Verheiratung eine Familie, die bald der Mittelpunkt eines anregenden Kreises wurde, zu welchem v. Ammon, Thelemann, Ernst v. Schiller, der Dichter v. Uechtritz, Delius und vorübergehend auch Wilibald Alexis gehörten. Neben seiner praktischen Tätigkeit war Heyfelder in der Zeit bis 1831 ein überaus fruchtbarer Schriftsteller, der namentlich seine in Frankreich gemachten Erfahrungen literarisch vorwertete und die dortigen neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Medizin und Chirurgie seinen Landsleuten bekannt und nutzbar zu machen trachtete. Es finden sich aus dieser Zeit von ihm (namentlich in Harleß’ Rheinischen Jahrbüchern) Abhandlungen über die verschiedensten Gegenstände, auch Nekrologe französischer Celebritäten, ferner Artikel für daß Berliner encyklopädische Wörterbuch der medizinischen Wissenschaften und Aufsätze in Ruft’s Handbuch der Chirurgie, endlich eine große Reihe von Rezensionen in kritischen Journalen. – Als 1831 von Russland her die Cholera in Deutschland eindrang und diese bis dahin in Europa unbekannte Geißel die Welt in Schrecken versetzte, wurden von allen Seiten Ärzte zum Studium derselben nach dem Osten Deutschlands und nach Russland gesendet. So auch Heyfelder, der, obgleich nicht beamteter Arzt, von der königl. Regierung in Trier den Auftrag erhielt, sich nach dem bereits von der Seuche befallenen Berlin zu begeben. Er ging dahin im September 1831 ab, studierte daselbst, in der Provinz Brandenburg und im Magdeburgischen die Krankheit, erstattete, nach Hause zurückgekehrt, öffentlich Bericht über seine gemachten Erfahrungen („Beobachtungen über die Cholera asiatica“ etc., 1832) und ging im Frühjahr 1832, als auch Frankreich von der Seuche befallen worden war, wiederum in höherem Auftrage, dorthin, namentlich auch nach Paris, und legte seine Beobachtungen in einem den zweiten Band seiner ersten Schrift bildenden Buche („Die Cholera in Frankreich etc.“, 1882) nieder. Für die beiden Cholera-Schriften erhielt Heyfelder die königl. preußische kleine goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft und von der Soc. méd. de Lyon eine Preismedaille. – Im Jahr 1833 wurde Heyfelder von dem Fürsten von Hohenzollern nach Sigmaringen als Leibarzt und Medizinalreferent der fürstlichen Landesregierung mit dem Titel eines Medizinalrates berufen. Er reformierte daß dortige Medizinalwesen nach preußischem Muster und widmete, wohl durch seine praktische Tätigkeit in dem hohenzollerischen kleinen Kurorte Imnau, dessen Brunnenarzt er war, veranlasst, den Bädern und Kurorten der Nachbarländer Württemberg, Baden, Elsaß und Nassau eine eingehende Aufmerksamkeit, die sich durch eine Reihe von Schriften kundgab („Imnau und seine Heilquellen“, 1834 – „Über Bäder und Brunnenkuren, besonders die Mineralquellen des Taunus, 1834 – „Die Heilquellen und Molkenkuranstalten des Königr. Württemberg, mit Einschluss der hohenzollernschen Fürstentümer, des Großherzogt. Baden, des Elsaß und des Wasgau“, 1840, 2. Aufl. 1846 – „Die Heilquellen des Großherzogth. Baden, des Elsaß und des Wasgau“, 1841). Heyfelder zeichnete sich gleichzeitig auch als Operateur aus, war Mitarbeiter an zahlreichen medizinischen und chirurgischen Zeitschriften Deutschlands und gab außerdem ein seine neuesten Erfahrungen enthaltendes eigenes Werk („Studien aus dem Gebiete der Heilwissenschaft“, 1838, 2 Bde.) heraus. – In Sigmaringen hatte Heyfelder Gelegenheit, mehrfach mit den auswärtigen Verwandten des fürstlichen Hauses, wie der Königin Hortense, dem Prinzen Louis Napoleon, und mit anderen namhaften Persönlichkeiten, wie Schönlein, Justinus Kerner in nahe Beziehungen zu treten, während er der ärztliche Berater und Beistand des Fürsten Karl Anton und seiner Familie war. – 1841 erhielt Heyfelder., als Nachfolger Stromeyer’s, einen Ruf als Professor der Chirurgie und Augenheilkunde und als Direktor der chirurgischen Klinik an die Universität Erlangen und siedelte dorthin über. Während der 13 Jahre, welche er der chirurgischen Klinik daselbst vorstand, widmete er sich derselben mit ganzem Eifer und erwarb sich den Ruf eines kühnen und unerschrockenen Operateurs, wie eines geschätzten Lehrers. Die in dieser Zeit mit der Einführung der künstlichen Betäubung in die Chirurgie begonnene neue Ära derselben wurde auch von ihm freudig begrüßt und fand in Heyfelder einen eifrigen Mitarbeiter, die Kenntnis der Betäubungsmittel in ihrer bis dahin noch gar nicht gewürdigten Wirkung zu erweitern, wovon zwei kleine Schriften „Die Versuche mit dem Schwefeläther etc.“, 1847 – „Die Versuche mit dem Schwefeläther, Salzäther und Chloroform etc.“, 1848) Zeugnis ablegen. Auch von seiner klinischen Tätigkeit wurden regelmäßig Berichte in verschiedenen Zeitschriften erstattet. 1848 zum Reformkongress nach München entsendet, suchte Heyfelder, in Gemeinschaft mit Phil. v. Walther, für die freie Praxis der Ärzte in Baiern zu wirken und den herrschenden Kastengeist zu bekämpfen. Nach seines Kollegen, des Professors der medizinischen Klinik, Canstatt, Tode, wurde ihm 1850 auch die allgemeine Direktion des Universitätes Krankenhauses übertragen. – Trotz der großen Erfolge, die Heyfelder in Erlangen erzielte, fühlte er sich doch nicht ganz wohl daselbst; die theologische Richtung, welcher die Einen unter seinen Kollegen, der Indifferentismus, welchem die Anderen unter ihnen huldigten, behagten der scharf ausgeprägten Persönlichkeit des Norddeutschen in Heyfelder auf die Dauer nicht; es kam zwischen ihm und seinen Kollegen zu Differenzen und Konflikten und sah er sich dadurch veranlasst, auf seine Stellung im Herbst 1854 zu resignieren, nachdem er noch in einem größeren Werke eine Anzahl seiner operativen Erfahrungen etc. „Über Resektionen und Amputationen“, 1855, mit 4 Tafeln) zusammengefasst hatte. Gerade im rechten Augenblick erhielt er nach dem mitten im Orientkriege befindlichen Russland, 1855, einen Ruf, zunächst als Oberchirurg der Truppen Finnlands. Seine Wirksamkeit in den Spitälern Finnlands fällt in die Jahre 1855 und 56 und hatte Heyfelder namentlich nach dem Bombardement von Sveaborg daselbst und in Helsingfors zahlreiche Operationen auszuführen; auch mit der Cholera, über die er erst kurze Zeit vorher ein Schriftchen („Das Verhalten zur Abwehr der Cholera“, 2. verm. Aufl., 1854) geschrieben, kam er in Helsingfors wieder in nähere Berührung. Nach Beendigung des Krieges siedelte er nach St. Petersburg über, um daselbst noch eine Reihe von Jahren im Lehrfach und als Hospitalarzt tätig zu sein. Im Jahre 1866 besuchte Heyfelder im Auftrage der russischen Regierung den Kriegsschauplatz in Böhmen und die Lazarethe in Preußen und Sachsen; in einer französischen Zeitschrift (Gazette médicinale de Paris, 1867) gab er über seine daselbst gemachten Beobachtungen einen kurzen Bericht; im Jahr 1867 war er amtlicher Vertreter seiner Regierung in Paris auf den beiden dort stattfindenden internationalen Kongressen. – Wenn es Heyfelder auch in Russland, wo er den Herbst seines Lebens, fast 15 Jahre, zubrachte, nicht an äußeren Ehren fehlte, so krankte er doch etwas an Heimweh nach deutscher Luft und deutscher Erde. So zog es ihn auch unwiderstehlich dorthin, als ihn schon die Todeskrankheit ergriffen hatte. Die letzten Monate lebte er in Wiesbaden mit der treuen Gattin und starb dort, umgeben von Freunden und Bekannten aus den verschiedensten Lebensepochen, am 21. Juni 1869. – Heyfelder war Mitglied einer großen Reihe von gelehrten Gesellschaften, als Schriftsteller auf den verschiedensten Gebieten der Medizin und Chirurgie überaus fruchtbar, Mitarbeiter an fast allen bedeutendsten Zeitschriften und Sammelwerken jener Zeit, ein Polyhistor in der Medizin, von untrüglichem Gedächtnis und klassischer Bildung; er war ein Charakter, wie sie jetzt immer seltener werden, mehr interessant als angenehm, mehr bedeutend als wohltuend; dem Schlendrian, der Denkfaulheit, dem Coteriegeist, der frömmelnden Beschränktheit Feind und daher ein Stein des Anstoßes, tausend Leidenden ein Helfer, aufstrebenden Talenten ein Hort.