Abschnitt. 3

Gasthöfe (vergl. S. V, 90, 91, 158). Die Gasthöfe ersten Rangs sind sich durch ganz Deutschland in den grössern Städten, in Bädern und viel besuchten Gegenden, rücksichtlich der Verpflegung und Bedienung, aber auch der Preise ziemlich gleich. In zweifelhaften Fällen wähle man stets den ersten Gasthof. Der Schreiber dieser Zeilen hat in den grössten Gasthöfen nicht selten eben so billig gewohnt, als in kleinen; er hat aber auch, namentlich in grossen Städten, eben so häufig in kleinem Gasthöfen dieselbe Sauberkeit und Bequemlichkeit, und mindestens eben so gute Verpflegung bei viel mässigern Preisen gefunden. Darum hat er sich bemüht, bescheidenere Beisende auf diese kleinern Häuser der alten Art, so weit seine Erfahrung reichte, besonders aufmerksam zu machen, obgleich er sehr wohl weiss, wie schwierig es ist, einen Gasthof unbedingt zu loben oder zu tadeln. Die Behandlung der Gäste ist von gar zu viel Zufälligkeiten abhängig, und nicht den unwesentlichsten Theil daran haben die Kellner und sonstigen Dienstleute, mit deren Wechsel oft ein ganz anderes System eintritt. Aber auch das eigene Auftreten des Gastes selbst hat einen wesentlichen Einfluss auf die Behandlung. Wer mit schweren Koffern reiset, mit viel Lärm und Ansprüchen ankommt, Zimmer und Betten tadelt, Speisen und Getränke nicht nach seinem Geschmack findet, wer hundert Bedürfnisse hat und zur Befriedigung derselben jedesmal die Schelle in Bewegung setzt, darf sich gar nicht beklagen, wenn er viel bezahlen muss. Für einen Reisenden dieser Art sind die im Buche angegebenen Preise nicht berechnet, sie sind für solche Anforderungen viel zu niedrig.
Wenn aber die Besitzer der grossen Gasthöfe ihr eigenes Beste richtig würdigten, würden sie für einfache anspruchlose Reisende die Belohnung der Dienstleute, das sogenannte Trinkgeld, dem eigenen Ermessen des Reisenden überlassen und die Berechnung der Beleuchtung, jener leidigen „bougies“, einstellen. Denn es ist nicht minder unangenehm, für ein vielleicht nur 5 Min. brennendes Licht 20 kr. und mehr, als auch denselben Betrag für das Reinigen der Schuhe oder Stiefel auszugeben. Was man geniesst, bezahlt Jeder gern, war es gut, um so lieber. Aber für Dinge, die billiger Weise im Preise des Zimmers inbegriffen sein sollten, den Preis des Zimmers noch einmal zu zahlen, das ist höchst ärgerlich, noch widerwärtiger aber, wenn der Reisende von den Dienstleuten um ein zweites Trinkgeld angegangen wird, mit der Bemerkung, dass das in Rechnung gestellte Trinkgeld in die Tasche des Wirths fliesse, wie dies ebenfalls nicht selten vorkommt.
Wie aber nun die Verhältnisse einmal sind, so muss man sie nehmen, und sich die gute Laune nicht trüben lassen, wenn man Manches nicht so findet, wie man es zu Hanse gewohnt ist. Wer misstrauisch in die Welt hinaus zieht, bei jedem Preise, der höher ist als in der Heimath, an Prellerei denkt, mag lieber daheim bleiben.
Einige auf Erfahrung beruhende Rathschläge mögen hier folgen.
Bei längerm Aufenthalt zahle man alle 2 bis 3 Tage die Zeche , oder lasse sich die Rechnung geben. Nicht selten ist etwas in Rechnung gebracht, wovon der Reisende, nichts weiss, oder es fand zu seinem Nachtheil ein Irrthum beim Summiren statt. Solche ,,Irrthümer“ fallen fast nur den Kellnern zur Last. Bezahlt man alle 2 bis 3 Tage, so lassen sie sich noch erörtern oder ausmerzen, was später schwieriger wird.
Man fordere ferner, wenn man beabsichtigt, früh Morgens abzureisen, die Rechnung schon am Abend vorher, bezahle sie aber erst im Augenblick der Abreise, sofern man nicht grössere Beträge in Gold oder Papier wechseln zu lassen genöthigt ist. Es geschieht wohl, dass die Kellner mit Ueberreichung der Rechnung gern bis zum letzten Augenblick zögern, wo denn freilich eine Erörterung der ,,Irrthümer“ nicht mehr zulässig ist, und der Reisende lieber rasch bezahlt, was gefordert wird, um nur nicht den Abgang des Bahnzugs, Dampfboots oder Eilwagens zu versäumen.
Ein Regenschirm, der stehen geblieben, wird gar zu leicht hier oder dort als gute Beute angesehen; selbst wenn man ihn unmittelbar nachher fordert, pflegt er wohl verschwunden zu sein. Nachdem der Verf. in dieser Beziehung mehrfach unangenehme Erfahrungen gemacht, lässt er durch den Griff ein Loch bohren und ein Band ziehen, mit welchem er den Schirm an den Rockknopf anhängt, so oft er ihn bei kurzem Aufenthalt ablegen muss.
Kleider und Schuhe oder Stiefel Abends schon zum Reinigen vor die Thür zu stellen oder zu legen, kann unter Umständen gefährlich werden. Es ist dem Schreiber dieser Zeilen in einem angesehenen Gasthof einer grossen Stadt begegnet, dass am folgenden Morgen Alles verschwunden war.
Eine Eigenthümlichkeit vieler Gasthöfe in Oesterreieh besteht darin, dass im Erdgeschoss gewöhnlich Wirthschaft für die geringern Volksklassen gehalten wird, während die Speisesäle für Fremde eine Treppe hoch sind. Diese Schenken gewähren die beste Gelegenheit, Art und Sitte des Volks kennen zu lernen.
Fussreisende in Südbayern, Tirol, Steiermark und andern südl. Gebirgsgegenden, überhaupt Jeder, der gern billig reiset, möge sich nach Landes Art und Sitte richten, und den Anschein des Fremden möglichst vermeiden. Gewöhnlich wird man schon beim Eintritt in die Gasthöfe oder Wirthshäuser namentlich der kleinern Gebirgsorte gefragt: „was schaffen’s zu Mittag (oder zu Nacht) zu speisen?“ Darauf folge stets die Frage: „was gibt’s?“ Nun wird der Küchenzettel vom Wirth oder der Kellnerin hergesagt und man wählt, was man wünscht. Wer in den Küchenzettel hinein redet, oder ungewöhnliche Speisen und Getränke fordert, muss nicht nur diese, sondern dann auch alles Andere theurer bezahlen. Es versteht sich von selbst, dass man im Gastzimmer, nicht im eigenen sich auftragen lässt.