Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin im Mai 1821 - Landwirtschaftlicher Bericht

Aus: Ökonomische Neuigkeiten und Verhandlungen. Nr. 25. des 22. Bandes
Autor: André, Christian Carl (?-?) Herausgeber, Erscheinungsjahr: 1821
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Schifffahrt, Getreidehandel, Handlungshäuser
Zum Eingange dieses Berichts wähle ich einige Zeilen aus dem Briefe eines Rostockers, welche sich in dem „Freimütigen Abendblatt“*) (Nr. 97. 1820) finden. Es heißt allda sehr wahr:

„Es ist, als wenn ein gewisser Mehltau der Revolution auf den Handel gefallen. Man erschrickt, wenn man auch nur von ungefähr einen Blick in die Hindernisse tut, mit denen, in Städten wie Rostock etc. die hauptsächlich durch Verkehr und Schifffahrt blühen, Tausende aus den dazu gehörigen Klassen zu ringen haben, um ihr Dasein zu fristen. Privatunglück gesellt sich zu dem öffentlichen, und man berechnet, dass durch den Sturz nur eines der hiesigen größten Handlungshäuser, an hundert Familien fast brotlos geworden sind. Schiffe, die 10 bis 12.000 Thaler gekostet haben, sind kaum für den sechsten, zuweilen kaum für den achten Teil dieses Wertes anzubringen; ja, es gibt Eigentümer von Schiffsparten, die, wenn sie sie verschenken wollten, keine Abnehmer fänden. Die geheimen, fast unsichtbaren Fäden dieses ganz Europa wie mit einem Netze umstrickenden, leidensvollen Zustandes der Schifffahrt und des Handels, laufen in Englands sinkendem Monopol des Welthandels und den nahenden Konvulsionen, die seine Schuldenlast ihm bereitet, zusammen. Diese Verkettung des merkantilischen Schicksals der übrigen europäischen Länder mit England, bietet eine eben so merkwürdige Übereinstimmung mit der finanziellen Lage dieses Landes dar.

Wo gibt es in Europa einen großen oder kleinen Staat, der nicht wie England verhältnismäßig mit Schulden beladen wäre, und wo die Aufbringung der Zinsen und der übrige vergrößerte Staatshaushalt nicht das Verhältnis der Einnahme zu der Ausgabe gewaltsam aus seinen Fugen gerissen hätte?

*) Dieses Blatt wird in Schwerin ausgegeben, und ist meiner Überzeugung nach, so viel, was Form als Wesen betrifft, eines der zweckmäßigsten Provinzialblätter in Deutschland, worin Wahrheit, zwar freimütig, aber auch mit Bescheidenheit auftritt. Nicht wenig Gutes ist durch dasselbe schon gestiftet worden, und es findet jetzt allgemeinen Beifall, da der frühere, oft erbitternde Ton desselben längstens verhallte.

Im Frühjahre und der ersten Hälfte des Sommers (1820) war wegen Weizen mit England noch immer ein bedeutender Verkehr; 4 englische große Schiffe lagen damals zu diesem Zwecke auf hiesiger Reede. Ganz vorzüglich stark war aber der Absatz des Roggens nach Holland. In den nordischen Reichen wurde kein Korn begehrt. Nach Russland ist in einigen Obstarten mit Glück spekuliert. Mit Bordeaux, Bayonne und Marseille war lebhafter Verkehr; es sind von ersterem Orte an acht Ladungen mit Wein angekommen. Auch der Name von Oporto und Cadix ist an unserem Strande gehört etc.

Als Spur des doch noch immer in einer gewissen
Mitte schwebenden Wohlstandes kann ich die noch immer nicht aufhörende Baulust, und überhaupt manche Verschönerung unserer Stadt anführen. Der Strand hat viele Verbesserungen erhalten. Mit der unvermeidlich gewesenen Unregelmäßigkeit des Blücherplatzes söhnt sich unser Auge mehr aus. Alle Anpflanzungen daran gedeihen trefflich, und das jetzt den ganzen Platz auf einer Umfangslinie von 850 Fuß, einschließende eiserne Gitter, bietet einen Anblick dar, dessen, London in seinen Square's ausgenommen, keine andere europäische Stadt genießt. Theater, Konzerte, Bälle, Kasinos, Clubs, lauter Kennzeichen fortdauernder Lebenslust und Lebenskraft, trotz aller Beschneidung der Mittel, sie zu stärken, haben ebenfalls ihren Kreislauf wieder begonnen" etc.

So sah es aus in Rostock im November des vorigen Jahres! Und wenn man die Rostocker Schifffahrtsliste vom 1ten Dezember 1787 bis zum 30ten November 1788 mit der vom 1ten Januar 1820 bis zum 31. Dezember desselben Jahres vergleicht, so sieht man leider aus dieser Vergleichung, dass der Handel dieser Stadt in den verflossenen 32 Jahren sich eben nicht bedeutend erweitert haben könne. Denn von 1787 zu 1788 waren in Rostock angekommen 491 Schiffe; dagegen abgegangen 517. In dem letzten Jahre aber liefen 517 Schiffe ein, und 601 Schiffe gingen ab. Dieses jetzt laufende Jahr aber dürfte leicht ein noch ungünstigeres Resultat liefern; da an Kornversendungen fast noch gar nicht gedacht geworden ist, sondern der größte Teil des für das Ausland bestimmten Korns noch in den Speichern aufgeschüttet liegt. In Wismar soll nur ein einziges Haus bisher drei Schiffsladungen Weizen nach Norwegen gesandt, und dabei einige Rechnung gefunden haben. In diesem Augenblick aber liegen (19. May) 14 englische Schiffe auf der Rostocker Reede, in der Absicht wie es heißt, Weizen und Gerste zu laden; doch nicht für England, sondern für die Gegenden des Mittelmeers. Bei Roggenversendungen nach Holland ist nichts profitiert worden, und in diesem Augenblick soll der Preis des Roggens dort so niedrig stehen, dass die Fracht mehr beträgt als der Preis des zu verfahrenden Korns.

Die Wismarsche Handlung ist um vieles unbedeutender als die Rostocker, indem in Wismar in dem verflossenen Jahre nur 204 Schiffe ankamen und 205 abgingen. Mit Dänemark hat Rostock jetzt den stärksten Verkehr, woher allein 195 Schiffe kamen; Wismar aber sah nur 40 Dänische Schiffe; Wismar hingegen verkehrt am meisten mit Schweden und Norwegen, woher 61 Schiffe kamen; in Rostock kamen aus Schweden und Norwegen 89 Schiffe an. England sandte 34 Schiffe nach Rostock, nach Wismar 5; Holland nach Rostock 20, nach Wismar 15; Russland nach Rostock 6, nach Wismar 1:1; Preußen nach Rostock 28, nach Wismar 4; Spanien keine, so wenig nach Rostock als nach Wismar; Hamburg keine nach Rostock, aber 5 nach Wismar; Lübeck nach Rostock 7, nach Wismar 17; Bremen nach Rostock keine, nach Wismar 1; Frankreich keine nach Rostock, nach Wismar 3; Wismar nach Rostock 96; Rostock nach Wismar 19.

Wenn freilich bei den jetzigen Konjunkturen der
Kornhandel sehr leidet, und der Kaufmann in diesem Augenblick nicht weiß, was er mit seinen aufgeschütteten, bedeutenden Vorräten anfangen soll; so bleibt ihm doch noch die Aussicht, da er es sehr wohlfeil eingekauft hat, und da er mehrere Jahre solches unverdorben erhalten kann, einmal mit Vorteil es wieder zu verkaufen. Aber der hiesige Landmann sieht sich größten Teils in die unglückliche Lage versetzt, sein Korn auch für den mindesten Preis verkaufen zu müssen, da es eines Teils an Geld fehlt, um Pacht und Zins zu bezahlen; andern Teils, sollte er hierzu auch Anstalt machen können, der Bodenraum ihm abgeht, um den Ertrag einer ganzen Ernte aufzuschütten. Mehrere vermögende Landleute haben daher, um nicht zu einem Spottpreise ihr Getreide zu verkaufen (jetzt gilt der Scheffel Weizen Rostocker Maßes 20.–28, Roggen 18 – 20, Gerste 12 – 14, Haber 8–12 ßl. N2/3tel, und es tritt zuweilen wohl der Fall ein, dass kein Kaufmann kaufen will, da der Landmann dann sich genötigt sieht, ein Korn wieder zu Hause zu fahren) unter der Hand in Rostock und Wismar Speicher gemietet, wo sie ihr Korn aufschütten. Aber auch dies Mittel, sich einer Verlegenheit zu entreißen, ist ihnen, was wenigstens Wismar betrifft, durch eine Bekanntmachung des dasigen Magistrats abgeschnitten worden. Es heißt in einem Notifikatorium vom 9. May des Jahres:

„Auf Ansuchen der hiesigen Kaufmanns - Compagnie wird hierdurch öffentlich bekannt gemacht, dass zufolge der durch die hiesigen Statuten begründeten, auch durch richterliche Entscheidungen, selbst in der höchsten Instanz anerkannten Gerechtsame der gedachten Compagnie keinen Auswärtigen gestattet werden kann, Getreide, von welcher Art es sei, allhier in der Stadt aufzuschütten, dass vielmehr solches von Fremden aufgeschüttete Getreide der Strafe der Konfiskation unterworfen ist. Zugleich wird denjenigen Auswärtigen, welche gleichwohl Korn hier aufgeschüttet haben, eine dreimonatliche Frist eingeräumt, um innerhalb derselben bei Vermeidung der Konfiskationsstrafe entweder das Korn an hiesige Kommerzierende zu verkaufen, oder auch solches aus der Stadt zurückzunehmen etc. Gegeben beim Rat in Wismar den 9. May 1821." Dem Landmann bleibt daher nichts weiter übrig, als nun wieder entweder sein Korn nach Haus zu schleppen, oder es auch für jeden ihm angebotenen Preis von der Hand zu schlagen. Dass Wismar durch seine Statuten zu einem solchen Verfahren völliges Recht habe, kann nicht geleugnet werden; aber hart bleibt diese Maßregel in dem gegenwärtigen Falle allerdings, da die Not zum Teil den Landmann zwang, dieses Mittel zu ergreifen. Ich bin überzeugt, dass, so wenig der wirklich achtbare Magistrat der Stadt, noch manche ausgezeichnete Männer der Kaufmannskompagnie diesen Beschluss der Mehrheit abzuwenden vermochten, dessen Absicht um so deutlicher sich ausspricht, je größer nun die Verlegenheit ist, in welche die Landleute durch jene Magistratsverfügung geraten. Von Seite der Stadt Rostock ist diese Maßregel noch nicht ergriffen worden.

In den fruchtbarsten Gegenden Mecklenburgs hat im verflossenen Winter, wo die Schneedecke fehlte, aber der Frost sehr strenge war, das Winterkorn so sehr gelitten, dass viele Weizen- und Roggenfelder in diesem Frühling wieder umgearbeitet, und aufs Neue mit Sommergetreide besamt werden. Der Raps ist auch größten Teils erfroren, und gibt an manchen Stellen nicht die Aussaat wieder. Bei solchen Aussichten pflegt sonst das Korn im Preise zu steigen; aber gleichwohl fällt es noch von Tag zu Tag mehr. Doch es kann nicht immer und ewig so bleiben, es ändern sich die Konjunkturen, und es ist daher so wenig der Mühe wert zu klagen, wenn die Zeiten schlecht sind, noch sich zu freuen, wenn solche gut sind, da alles in Kurzem sich ändert.
Den letzten Landtagsbeschlüssen zufolge sind für dieses laufende Jahr drei sogenannte einfache außerordentliche Kontributionen ausgeschrieben, welche zusammen eine Summe von etwa 180.000 Thlr. betragen. Denn immer haben wir noch damit zu tun, das wieder gut zu machen, was die Franzosenzeit uns gekostet hat. Wenn Frankreich allen Schaden, den es in einem Übermute anrichtete, hätte wieder erstatten sollen; so bin ich überzeugt, hätte vielleicht kein
Franzose ein Hemd auf dem Leibe behalten.

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Hansestadt Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Stadthafen mit Großsegler, 1968

Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff

Rostock, Stadthafen, Segelschulschiff "Wilhelm-Pieck", 1968

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968

Rostock-Warnemünde, Alter Strom, Eisgang 1968

Bauer mit Pferd

Bauer mit Pferd

Getreideernte

Getreideernte

Ochsen vor dem Pflug

Ochsen vor dem Pflug

Arbeitspause für Mensch und Tier

Arbeitspause für Mensch und Tier

Bauern beim Dreschen

Bauern beim Dreschen

Pferd zum Beschlag in der Dorfschmiede

Pferd zum Beschlag in der Dorfschmiede

Mittagspause im Pferdestall

Mittagspause im Pferdestall

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Federvieh

Federvieh

Hahn und Hennen

Hahn und Hennen

Viehmarkt

Viehmarkt

Schaf- und Ziegenhirtin

Schaf- und Ziegenhirtin

Schäfermeister

Schäfermeister

Kühe auf der Wiese

Kühe auf der Wiese