Großfürst-Thronfolger Georg Alexandrowitsch von Russland (1871-1899).

In dem kaukasischen Kurorte Abbas-Tuman ist am 10. Juli 1899 der russische Thronfolger, Großfürst Georg Alexandrowitjch, seinem langen schweren Brustleiden erlegen. Der Verstorbene, dessen Porträt die Leser auf S. 80 finden, der um drei Jahre jüngere Bruder des regierenden Zaren, war am 9. Mai 1871 zu Zarskoje-Selo geboren. Das Leiden, das den liebenswürdigen und begabten Prinzen nunmehr dahingerafft hat, zog er sich im Jahre 1892 zu, als er, der als Leutnant in der ersten Flottendivision diente, auf dem Übungsschiff „Swetlana“ einen unglücklichen Fall tat, der eine Quetschung des Brustkorbes bewirkte.

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Im Jahre 1894 nahm sein Brustleiden zu, so dass er auf ärztliches Anraten sich nach Algerien, später nach Madeira begeben musste. Sein Verweilen in diesen südlichen Ländern schien ihm Besserung gebracht zu haben; er kehrte 1895 heim, um nun in dem an der grusinischen Militärbahn liegenden klimatischen Kurorte Abbas Tuman ständigen Aufenthalt zu nehmen. Unter dem milden Klima des ewig blauen Himmels von Grusien fühlte sich der Großfürst so wohl, dass er seine unterbrochenen Studien wieder aufnahm. Geheimrat Kapustin, der bedeutendste Rechtsgelehrte Russlands, erteilte ihm Unterricht in den Staatswissenschaften. Als ausgezeichneter Kenner der englischen Sprache verfolgte er mit besonderer Aufmerksamkeit die in dieser erscheinenden Werke über Marinewesen und übersetzte ein einschlägiges Buch von Machan ins Russische.

Als Präsident der russischen astronomischen Gesellschaft war Großfürst Georg bemüht, die fachwissenschaftliche Literatur Westeuropas der russischen astronomischen Welt bekannt zu machen. Er opferte große Geldsummen, um jedes neuerfundene oder verbesserte astronomische Instrument für die Gesellschaft zu erwerben.

Auch als Hetman der Irkutsker Kosaken hat der Verstorbene sich große Verdienste erworben. Für die armen Kranken, die in Abbas-Tuman Heilung juchten, pflegte er, der selbst ein leidenschaftlicher Musiker war, Wohltätigkeitskonzerte zu veranstalten. Politisch niemals hervortretend, verfolgte er doch alle politischen Ereignisse in Russland wie im Auslande mit großer Aufmerksamkeit.

Über seinen Tod meldete der russische Regierungsbote“, dass der Großfürst am Morgen des 10. Juli auf einem Benzinmotorfahrrad von Abbas-Tuman aus eine Spazierfahrt unternommen hatte. Nachdem er in sehr schneller Fahrt zwei Werst (à 1,067 Kilometer) zurückgelegt, kehrte er um. Eine des Weges kommende Bäuerin bemerkte, wie der Großfürst beim Umkehren die Fahrt verlangsamte und Blut spie. Bald darauf hielt er an, und die Frau sah, dass er beim Absteigen vom Rade schwankte. Sie eilte hinzu, stützte den Thronfolger und fragte: „Was ist Ihnen?“ Dieser erwiderte: „Nichts!“ Als die Bäuerin ihm darauf Wasser anbot, winkte er zustimmend mit der Hand. Darauf ließ die Bäuerin den Thronfolger behutsam zur Erde und benetzte ihm Schläfe und Mund mit Wasser. Friedlich und schmerzlos verschied sodann der Großfürst. Die Stelle, wo er starb, wurde umfriedigt und zur Erinnerung dort ein Kreuz errichtet.

Dem russischen Brauche entsprechend, wurde Großfürst Georg nach dem Tode seines Vaters, 1. November 1894, offiziell zum Thronfolger erhoben, da sein älterer Bruder, der junge Kaiser Nikolaus, damals noch unvermählt war. Großfürst Georg behielt die Würde des Thronfolgers bis zu seinem Tode, da bekanntlich dem Kaiserpaar bis heute eine männliche Nachkommenschaft versagt geblieben ist! Frauen können nämlich nach dem von Kaiser Paul I. aufgestellten und von Alexander III. weiter ausgeführten Thronfolge und Hausgesetz nicht mehr den russischen Thron besteigen. Thronfolger ist daher gegenwärtig der jüngste Bruder des Zaren, Großfürst Michael Alexandrowitsch, geboren zu St. Petersburg am 22. November 1878.