Moutarde

Moutarde

Es ist gewiß auffallend, dass die Franzosen den Senf, für dessen Bezeichnung als Korn sie das von dem lateinischen sinapis abgeleitete senevé haben, in seiner Zubereitung für den Tisch moutarde nennen, ein Wort, welches an senevé auch nicht mit einem Buchstaben erinnert. Man erzählt sich darüber Folgendes: Im Jahre 1388 zog Philipp der Kühne, Herzog von Burgund, gegen seine aufrührerischen Nachbarn aus, und da die Stadt Dijon ihm willig 1000 Bewaffnete zuschickte, verlieh er ihr nebst andern Privilegien auch das: sein Wappen mit der Devise: „Moult me tarde“ zuführen. Die Bürger von Dijon ließen dieses Wappen in Stein hauen und über dem Stadttore anbringen. Der Zahn der Zeit nagte das Wörtchen me allgemach heraus. Die übriggebliebenen Moult und tarde nun gaben den Namen für jenen Handelsartikel her, da die Kaufleute von Dijon, starken Senfhandel treibend, als Etikette auf ihre Ware das Stadtwappen malten, genau mit jener Verstümmlung. Nach und nach gewöhnte man sich daran, nach dem Senfe nur mehr mit diesen zwei Worten zu fragen, welche von der Etikette zunächst in die Augen sielen.


Während der Deutsche mit dem Senf im Sprichwort, wenig zu tun weiß und höchstens sagt: „seinen Senf dazu geben,“ von Jemand, der ungefragt oder zur Unzeit seine Meinung kundgibt, oder: einen langen Senf über etwas machen, wenn man vor lauter Einleitung nicht zur Sache kommt und: der Senf hat ihn bei der Nase genommen, wenn Jemand „offiziell“ weint, so hat dagegen der Franzose eine artige Folge von übersetzbaren und unübersetzbaren Moutarde-Sprüchen als: s'amuser à la, moutarde, von Jemand, der sich mit Lappalien beschäftigt, aber nicht, wie wir irgendwo die Erläuterung finden, von Leuten, die sich zur Unzeit unterhalten und ihre Pflicht verabsäumen;— dann das treffende après le diner la moutarde, von zwecklosen Dingen; —la moutarde lui monte au nez, von Jemand, dem, wie wir im Deutschen umschreibend sagen, etwas in die Nase wucht; — C'est c’yentendre à cela come un rossignol à crier de la moutarde, wenn Jemand sich ganz teilnahmslos verhält, und les enfants en vont à la moutarde, die Kinder um Senf schicken, welches aus der in den unteren Volksschichten üblichen Gewohnheit abgeleitet wird, Kinder, welche noch zu klein sind, um in ordentlicher Weise beschäftigt zu werden, dazu zu verwenden, dass man sie um Dinge schickt, die im Hause nötig sind, und in diesem Sinne kommt diese Redensart bei den Franzosen schon im 15. Jahrhunderte vor.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2