Gentleman

Gentleman

Im Englischen Gentleman, im Französischen gentilhomme; doch sind sie in ihrer letzten Bedeutung durchaus nicht gleich. Das erstere ist heute zu einem Gattungsbegriffe geworden, während das letztere etwas Spezielles, am besten durch Edelmann oder wenigstens als Kavalier Denkender und Handelnder verdeutscht, bezeichnet. Mit dem englischen Titel, da er weiter und allgemeiner ist, pflegt man auch freigebiger zu sein. Wir nennen einen Gentleman, an dem wir fashionable Manieren wahrnehmen, das was man guten Ton, einen Mann von Welt, nennt. In seiner Heimat wird dieser Ausdruck auch auf redliche, ordentliche, unbemakelte Leute angewendet, unbekümmert, wessen Standes sie sind. Der Gentleman muß übrigens alles mit einem gewissen Anstande tun, und wären es lose, sonst ungentile Streiche. Der Mann von Distinktion, der seine Spielschuld nicht bezahlt, oder der sich auch nur weigert, Revanche zu geben, ist kein Gentleman mehr. Der arme Teufel, der Strolch, der Packträger, ist ein Gentleman, wenn er sich im sozialen Leben und Verkehre keine Blöße gibt.


Der letzte König in England hielt sich für den ersten Gentleman in seinen Staaten, der Lord im Oberhause und das Parlaments-Mitglied des Unterhauses beide machen auf diesen Titel Anspruch, während das Gesetz in England diesen Titel nur der unteren Klasse der Notare verleiht, welche gesetzlich die einzigen Gentlemans in England sind.

Der Humor davon ist, dass man eigentlich nicht bestimmt weiß, was Gentleman heißt, noch woher es stammt. Man hat versucht, es unmittelbar aus dem Französischen gentilhomme, Mann von Stand und Geburt, wieder Andere von „artigen Sitten“ — gentle manne — abzuleiten. Aber dagegen trat eine Behauptung auf, welche das Wort geradezu in entgegengesetzter Bedeutung hinstellt. Die nordischen Barbaren, welche das römische Reich angriffen, unaufgehalten gegen den Süden vordrangen, Rom überschwemmten und verwüsteten, wurden gentiles homines genannt und von diesen der in so entgegengesetzter Bedeutung genommene Ausdruck der modernen englischen und französischen Sprache einverleibt. Daß späterhin ein Ehrenprädikat daraus wurde, kann nicht mehr Wunder nehmen, als die Tatsache, dass die deutsche Sprache das Wort Adel in zweifacher Bedeutung hat, nämlich als vornehme Geburt und als Mistjauche.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2