Fürst — Churfürst

Fürst. — Churfürst

Die Ableitung dieses Titels ist einfach, er kommt von dem Nebenwort „für“ statt vor, insofern dadurch etwas in der Reihe Voranstehendes bezeichnet wird. Die alte deutsche Sprache hat im Komparativ furica, im Superlativ furist der Erste, Höchste im Reiche. Fürst ist also der ganz ungezwungen gebildete Superlativ von für, über den Komparativ fürder, und gibt sich leicht aus fürderst. Die Engländer nennen noch the first, die Holländer de voerst, das Erste, den Ersten. Als Bezeichnung einer persönlichen Würde erscheint es zuerst in der fränkischen Sprache, und bedeutet Einen, der ein Kriegsheer anführt, wodurch er ein so hohes Ansehen gewann, dass er auch im Frieden als der Erste galt. Als Adelstitel erscheint der Fürst erst im 17. Jahrhundert. In Kurfürst oder Churfürst stammt die erste Silbe von dem altdeutschen Worte küren, chüren (wählen), das sich in dem zusammengesetzten Worte Willkür, ungefähr so viel als freie Wahl, bis heute erhalten hat. Kurfürsten heißen jene vornehmsten Fürsten des deutschen Reiches, welchen das Recht, einen römisch-deutschen König zu wählen, ausschließend zustand. Der Titel Großfürst entstand in Rußland und die Beherrscher dieses Reiches führten ihn bis zur Annahme der Kaiserwürde durch Peter I., von welcher Zeit der großfürstliche Titel von den Kindern und Geschwistern des Kaisers getragen wird.


Schon früh hat sich in der Literatur des Volkes eine stehende Rubrik für Betrachtungen, Äußerungen und Meinungen über jene gebildet, welche das Geschick so hoch gestellt hat. Je nach dem Eindrucke einer fürstlichen Persönlichkeit, nach ihrem geschichtlichen und menschlichen Walten, nach den Eigenschaften ihres Geistes und Herzens erging sich der Volksmund in abwechselnd anerkennenden Sprüchen oder aber in den bittersten Satiren, in nichts schonendem Humor.

Die an das Schlagwort „Fürst“ anknüpfenden Sprichwörter, Redensarten, Sentenzen, historischen Anekdoten, Einfälle, Witze, Schimpf und Ernst zu bringen, erforderten ein eigenes Werk. Wir müssen uns hier beschränken, nur über Eine Seite dieses Elementes, die dem naiven Volksverstande sich oft als eine Frage aufgedrängt hat, nämlich wie es denn von allem Anfange her zu diesen „Fürdersten,“ zu angebornem Adel und Vorzuge, gekommen sei?, ein paar der köstlichsten Akten alter Volksweisheit mitzuteilen. Der eine ist in das Gewand einer Fabel gekleidet: „Als Eva schon eine Weile Hausmutter war und des Kindersegens genug hatte, gefiel es unserm Herrgotte, sie zu besuchen. Das Weibchen war eben darüber her, die junge Brut zu waschen und zu strehlen. Als sie den Herrn kommen sah, fiel sie auf einmal die Scham an, dass sie so viele Kinder habe, und sie versteckte die minder schönen teils in's Stroh, teils in's Heu, und gar in's Ofenloch. Nur die hübschesten behielt sie bei sich. Als der Herrgott eintrat und die geputzten Kindlein sah, sprach er zu einem: „Du sollst ein König,“ zu einem andern: „Du ein Edelmann,“ zu einem dritten: „Du sollst ein Bürgermeister sein.“ Als nun Eva merkte, dass der Herr da sei, Gnaden auszuteilen, sprach sie: „Herr, ich Hab' noch etliche Kinder; ich will sie auch bringen.“ Aber als Gott die ungeputzten Küchlein sah, da lächelte er und sagte zu ihnen: „Ihr sollt Bauern sein und bleiben, Kuh- und Sauhirten, Ackersleute, Handwerker, und den ersteren Herrn dienen.“ Und so entstand Adel und Vorzug. Er ist eben „von Gottes Gnaden.“

Dasselbe sprach der ritterliche Kaiser Mar in einem seiner vielen geist- und gemütreichen, tiefsinnigen Sprüche aus. Als man ihm einst an eine Wand den Vers schrieb:

„Da Adam reutet, ond Eva span,
Wer war da ein Edelmann?“


setzte der Kaiser bescheiden und stolz hinzu:

„Ich bin ein, man wie ein ander man,
Allein dass mir Gott der ehren gan.“



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Glimpf und Schimpf in Spruch und Wort Teil 2
Peter I., der Große (1672-1725), Zar und Großfürst

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