Missbrauch der geistigen Getränke und der studentische Trinkzwang

Vortrag, gehalten von Regierungsrat Quensel aus Köln im auditorium maximum der Königlichen Universität zu Bonn am 14. Dezember 1900.

Meine Herren! Vor einiger Zeit habe ich mir erlaubt, mit Genehmigung des Herrn Rektors am schwarzen Brett der hiesigen Universität einen Aufruf zu veröffentlichen, betreffend die Reformierung des Trinkgesetzes der Studenten.


Dieser Aufruf hat erfreulicherweise hier und da Beachtung gefunden, wie eine Menge mir zugegangener Adressen beweist. Neuerdings bin ich aufgefordert worden, in einer allgemeinen Studenten-Versammlung eine Besprechung über den Trinkzwang überhaupt herbeizuführen. Dieser Aufforderung bin ich um so lieber nachgekommen, als ich mitten in der Alkoholbewegung stehe, weil der studentische Trinkzwang eine erhebliche Bedeutung für das Volkswohl besitzt und endlich, weil ich eine Aussprache über die Ausführbarkeit von Verbesserungen auf diesem Gebiete für zweckdienlich halte.

Was ist gerechtfertigt an den Trinksitten der Studierenden und was nicht? auf die Beantwortung dieser Frage wird sich die ganze Erörterung zuspitzen müssen.

Es ist gerechtfertigt und soll keineswegs angefochten werden, dass die Studenten sich bei ihren kameradschaftlichen Zusammenkünften zur Erhöhung der Gemütlichkeit auch der geistigen Getränke bedienen.

Was ist aber nicht gerechtfertigt und muss daher bekämpft werden?

Dass das Zusammentrinken, wie es fast regelmäßig geschieht, zu einer starken Sauferei — einen andern Ausdruck kann ich dafür nicht finden und gebrauchen — ausartet und dass diese unsinnige Trinkerei durch formelles Trinkgesetz, den sogenannten Komment geheiligt — zu deutsch sanktioniert wird.

Das ist mein grundsätzlicher Standpunkt, den ich in meinem Aufrufe vertreten habe; es wird sich zunächst darum handeln, denselben zu begründen.

Bevor ich jedoch auf einzelnes eingehe, muss ich zur Vermeidung von Missverständnissen noch bestimmt erklären: es handelt sich für mich nicht um das Trinken der Studenten überhaupt, sondern nur um die Ausartung dieses Trinkens durch die zwangs- und trinkgesetzmäßige Aufnahme bestimmter Mengen von Bier oder sonstigen alkoholischen Getränken.

Aus welchen Gründen muss der formelle Trinkzwang bekämpft werden?

Erstens aus ethischen und moralischen,
zweitens aus gesundheitlichen,
drittens aus wirtschaftlichen und
viertens aus nationalen Gründen.

Der Trinkzwang ist zunächst verwerflich aus ethischen und moralischen Gründen, weil er in den meisten Fällen einen Missbrauch der geistigen Getränke hervorruft; weil dieser Missbrauch des Alkohols Leidenschaften aller Art erregt; insbesondere den Jähzorn und die Spielsucht; weil er den Charakter verdirbt, weil er die niederen sinnlichen Triebe aufstachelt; weil er die Neigung zum Wirtshausleben und zum Müßiggange befördert; weil er die Trinkgewohnheit oft fürs ganze Leben festsetzt; weil er das gesamte moralische Niveau herabdrückt; weil er eine Menge von Reibungen mit den Strafgesetzen herbeiführt, ganz abgesehen davon, dass der Student durch solche Bestrafungen, die fast regelmäßig dem Alkohol-Exzess allein zu verdanken sind, sein Fortkommen aufs äußerste gefährdet; endlich weil er oft die geistige Leistungsfähigkeit in jeder Beziehung herabsetzt. Der bekannte und berühmte Gelehrte v. Helmhollz sagte einmal, wenn er sich in ein wichtiges, schwieriges wissenschaftliches Problem vertiefen wolle, dann müsse er in dem Genüsse geistiger Getränke die größte Vorsicht beobachten; denn schon die geringste Menge eines solchen Getränks reiche aus, seine besten Gedanken zu stören und zu verscheuchen.

Der heutige Kampf ums Dasein stellt auch für die Mehrzahl der Herren Studierenden derartige Anforderungen, dass die zur letzten Vorbereitung desselben gegebenen paar kurzen Semester durchaus regelrecht ausgenutzt werden müssen.

Eine solche Ausnutzung kann aber nicht stattfinden, wenn infolge der Aufnahme zu großer Mengen geistiger Getränke fast jeden Morgen durch den bekannten Jammer die Entfaltung von Geistesschärfe und Aufmerksamkeit, sowie das Gedächtnis geschwächt und niedergedrückt sind. Auch die bekannte Entschlusslosigkeit bei manchen höheren Semestern, ist ohne Zweifel regelmäßig auf den Alkoholmissbrauch zurückzuführen.

In zweiter Linie ist der gesetzmäßige Trinkdruck zu bekämpfen aus gesundheitlichen Gründen.

Es ist dies ein Punkt, der jeden einzelnen am nächsten angeht, und deshalb auch wohl am ersten Berücksichtigung finden wird.

Nach unwiderleglicher, wissenschaftlicher Feststellung von ersten Angesehenheiten des In- und Auslandes ist der in allen geistigen Getränken enthaltene Äthyl-Alkohol (C2 H6 O) ein Giftstoff. Dieser Giftstoff in den menschlichen Körper hineingebracht, wird zu einem guten Teile vom Blute aufgenommen und mit diesem durch den ganzen Körper verteilt. Auf diesem Wege, der genau dem sogenannten Kreislaufe des Blutes folgt, berührt der Alkohol alle lebenswichtigen Organe des Körpers, namentlich Magen, Herz, Lungen, Leber, Nieren und vor allein das Gehirn.

Alle diese Körperteile werden in ihrem ordnungsmäßigen Arbeiten gehemmt, je nach der Widerstandskraft des betreffenden Gesamtorganismus mehr oder minder schnell geschädigt und schließlich, bei andauerndem stärkeren Alkohol-Genüsse auch mechanisch-physisch zerstört.

Diese stillen, verderblichen Wirkungen des Alkohols im Körper, die oft leider erst nach vielen Jahren in die Erscheinung treten, werden noch verstärkt durch die großen Mengen von Flüssigkeit, die neben dem Alkoholgifte durch den Magen, das Herz, durch Leber, Nieren und Blase verarbeitet werden müsse. Daher z. B. auch der Name Bierherz, an dem in Bayern ungefähr jeder zehnte Mann zu Grunde geht.

Noch muss erwähnt werden, dass der Alkoholmissbrauch den Körper widerstandsunfähig macht gegen Krankheiten und Krankheitserreger aller Art, namentlich den Schwindsuchtserreger, dass der regelmäßige Alkoholgenuss fast alle Krankheitszustände verlängert und die Heilung von Verletzungen verzögert. Das letztere wissen auch die Herren Studierenden ganz genau, indem sie dem auf der Mensur Verwundeten Enthaltung von geistigen Getränken vorschreiben, so lange die Wunden offen sind.

In sexueller Beziehung muss in Übereinstimmung mit hervorragenden medizinischen Angesehenheiten als feststehend angenommen werden, dass die Mehrzahl der syphilitischen Ansteckungen in einer Stunde alkoholischer Berauschung zustande, kommen.

Ferner muss der Alkoholmissbrauch auch aus wirtschaftlichen Gründen bekämpft werden, da er den jungen Studenten, deren Eltern durchaus nicht immer mit Glücksgütern gesegnet sind, welche sich vielmehr den Wechsel für den Herrn Sohn oft am Munde absparen müssen, eine Menge vollkommen entbehrlicher Ausgaben auferlegt.

Endlich ist der Trinkzwang zu verurteilen aus nationalen, vaterländischen Gründen. In dieser Beziehung tritt der volle Ernst der vorliegenden Frage hervor. Der nationale Gesichtspunkt ist bei Beurteilung der ganzen Trinkzwangsfrage der allerwichtigste. Die Bedeutung desselben gründet sich darauf, dass der deutsche Student mit seiner Trinkübung ein Vorbild abgibt für das gesellige Trinken fast aller Kreise der bürgerlichen Jugend. Diese Sache ist so wichtig, dass meines Erachtens keine studentische Vereinigung irgend welcher Art sich einer Beachtung derselben entziehen darf; sie ist so wichtig, dass, falls alle anderen Gründe gegen das übermäßige Trinken für den Studenten selbst überhaupt nicht vorhanden wären, dieser eine Grund vollkommen durchschlagend sein müsste, um den formellen Trinkzwang ein für allemal zu verurteilen.

Ich erinnere nur daran, dass die Offiziere, die Kadetten, die Angehörigen aller anderen Arten von Hochschulen, an den Forst- und technischen Hochschulen, an den tierärztlichen Bildungsanstalten, an den Landwirtschafts- und Handels-Hochschulen, ja in fast allen kaufmännischen, Handwerker-, Krieger- und Sport-Vereinigungen, deren Mitglieder nach Hunderttausenden zählen, dass alle diese ihre Trinksitten schließlich nach der studentischen ausgebildet haben und nach dem Muster des — sozusagen von oben kommenden und wirkenden Beispiels auch weiter gestalten und ausbilden werden.

Das sind im wesentlichen die Gründe, welche gegen den Trinkzwang ins Feld geführt werden müssen.

Was ist nun für den Trinkzwang zu sagen?

Ja, meine Herren, die Haupteinwendungen der Trink- und Trinkzwangfreunde sind mir wohl bekannt.

Es sei mir erlaubt, kurz auf diejenigen Umstände einzugehen, mit welchen eine Beibehaltung des Trinkzwanges entschuldigt, gerechtfertigt, ja sogar für unentbehrlich gehalten wird.

Der erste und anscheinend gewichtigste Einwand ist wohl derjenige, dass ohne Trinkzwang eine wahre, studentische Gemütlichkeit unmöglich sei.

Hierauf muss ich einmal wiederholen, dass diese Gemütlichkeit, wenn sie nun einmal mit geistigen Getränken verbunden sein muss, ja überhaupt nicht angetastet werden soll, und zum anderen, dass die wirkliche Gemütlichkeit oft gerade dann anfängt, ungemütlich zu werden, wenn das besonnene, friedliche Trinken aufhört und das Trinken, sagen wir vielmehr Saufen von Bierjungen, zwei und dreifachen, das Herabstürzen einer oder mehrerer Halben kurz hintereinander und derlei Unscherze mehr beginnt. Meine Herren! Diese beiden Zeitabschnitte im Verlaufe einer Kneipe müssen scharf auseinandergehalten werden; der erste, bei vollem Verstande verlaufende, wirklich gemütliche Teil, und der zweite Teil, mit dem meines Erachtens nicht zutreffenden Namen „Fidelitas“ bezeichnet, welcher großen oder größtenteils in eine Alkohol-Raserei ausartet.

Dieser erste Einwand erscheint mir also dadurch entkräftet, dass ein Eingriff in die maßvolle, diesseits der Besäuftheit liegende Trinkerei durchaus nicht beabsichtigt wird.

Der zweite Einwand ist derjenige, dass ohne den Trinkzwang unter den Füchsen und anderen jungen Semestern keine Ordnung, keine Folgsamkeit, kein Gehorsam, kurz keine stramme Zucht gehandhabt werden könne.

Auch dieser Einwand ist meines Erachtens nicht berechtigt. Denn ich vormag nicht einzusehen, warum die Möglichkeit, einen jungen Menschen beliebige Mengen Bier hineingießen zu lassen, ein wirksames Erziehungsmittel sein soll, zumal mir auf keinem sonstigen pädagogischen Gebiete etwas derartiges bekannt ist. Der Kern der Fuchsenerziehung kann doch, soweit das Kneipleben in Frage steht, nur darin liegen, dass der Fuchs in die Kanne geschickt, dem Steigbefehle sofort und unweigerlich nachkommt; tut er dies, so hat er seine Gehorsamspflicht erfüllt; wie tief er hinabsteigt und wie viel alkoholhaltige Flüssigkeit er dadurch seinen Verdauungsorganen zuführt und zumutet, das dürfte für die Sache unwesentlich sein.

Niemand wird behaupten können, dass das Zwangstrinken ein besonderes Zuchtmittel sei; denn je mehr das Zwangstrinken die Köpfe benebelt, desto wilder, unzivilisierter, desto zuchtloser werden gemeinhin ihre Träger. Hiernach ist der Alkohol vielmehr umgekehrt nicht ein Zuchtförderer, sondern ein Zuchtverderber.

Fällt mit dem Trinkzwang dieses Übermaß des Trinkens und damit auch die dadurch hervorgerufene Zuchtlosigkeit hinweg, — cessante causa, cessat effectus — dann gibt es auch keine Veranlassung mehr, ein Straftrinken anzuwenden.

Endlich soll auch niemand glauben, dass es jemals erreicht worden wäre, durch das angebliche Erziehungsmittel des Trinkzwanges irgend einen Fuchsen zur Raison zu bringen, denn es ist psychologisch ganz ausgeschlossen, dass der Trinkbefehl bei dem Zustande, in dem sich die Sinne des Zurechtgewiesenen zur Zeit seiner Erteilung befinden, einen wirklichen moralischen Erziehungserfolg haben könnte. Meine Herren! Die wahre Absicht der Zwangstrinkerei will ich Ihnen sagen. Es ist sehr oft die Befriedigung der eigenen Trinkleidenschaft, welche sich, wie jedem Psychologen und Giftsachverständigen bekannt ist, aus jedem Alkoholgenusse wiederholt und immer von neuem entsteht und bei fortgesetztem Missbrauche des Alkohols immer höher anwächst.

Die Handhabung des Trinkzwanges ist daher oft, ich bedauere es sagen zu müssen, nichts weiter, als selbstliebender Egoismus, zu Deutsch Ichsucht, mit anderen Worten hier, das Bewusstsein, beim Spinnenlassen des Kommilitonen selber recht viel und oft mitsaufen zu können.

Muss man hiernach dem Trinkzwange einerseits, soweit es die Menge des zu trinkenden vorschreibt, jegliche Bedeutung als Erziehungsmittel absprechen, so behaupte ich andererseits ebenso bestimmt, dass es viele andere und wertvollere Erziehungsmittel gibt, mit denen jedenfalls mindestens eben dasselbe erreicht werden kann.

Was ist denn überhaupt Erziehung?

Wenn man nicht etwa die Erziehung zu einem flotten Burschen im Sinne der Kneipordnung darunter verstehen will, dann ist Erziehung doch nichts anderes, als eine geeignete Vorbereitung fürs Leben, für den Kampf ums Dasein. Um aber eine solche, die richtige Ausbildung zu erreichen, braucht man gewiss keinen Trinkzwang, sondern vielmehr eine ernste Beschäftigung mit ernsten Dingen seines zukünftigen Berufes, sowie das Erwerben der Fähigkeit, sich in allen Lebenslagen richtig benehmen zu können, namentlich auch eine Beschäftigung mit der Sozialpolitik, ohne dass natürlich deshalb der Pflege einer heiteren Geselligkeit irgend ein Abbruch getan werden soll, und hier bin ich auch angelangt bei dem dritten Einwände, der zur Verteidigung des Trinkzwanges noch vorgebracht wird.

Man pflegt bei den Freunden des Trinkzwanges zu sagen: Wir bedürfen seiner, um unsere Stunden der Muße derart auszufüllen, dass die Jugend nicht auf andere schlechte Wege gerate.

Auch diesen Einwand, meine Herren, kann ich nicht gelten lassen und brauche ich, um vollwichtige Ersatzmittel zur Unterhaltung zu nennen, nur die großen Gebiete der Kunst und der Literatur, das Gebiet der gesamten Leibesübungen zur Gesundheit, und endlich das der ganzen, großen Sozialwissenschaft zu erwähnen. Ich kann Ihnen versichern, meine Herren, dass es namentlich auf dem Gebiete der letztgenannten noch für Tausende von tüchtigen Menschen dauernde Beschäftigung gibt und für die nächsten hundert Jahre noch geben wird.

Die Pflege aller dieser Sachen kann neben jedem Berufsstudium als Erholungsbeschäftigung betrieben werden; sie hat im Gegensatz zur Trinksitte jedenfalls den großen Vorzug, dass sie innere Befriedigung und einen dauernden und praktischen Nutzen für den Kampf ums Dasein gewährt.

Den letzten, aber auch fadenscheinigsten Grund für die herrschende Trinkzwangsitte habe ich mir bis zuletzt aufgehoben, und das ist der, welcher ihre Aufrechterhaltung damit rechtfertigen soll, dass dieselbe eine schöne alte Gewohnheit darstelle, welcher anzuhängen sozusagen Mannespflicht jedes guten Deutschen sei.

Demgegenüber will ich zwar zugeben, dass die Gewohnheit, der Schlendrian, eine der wirksamsten Kräfte auf der ganzen Welt ist, sodass man mit Recht sagen kann: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Mensch von seinen Gewohnheiten ablässt; aber, meine Herren, aus einer langandauernden Übung, aus dem Bestehen derselben schon an sich die innere Berechtigung oder die Berechtigung der Gewohnheit folgern zu wollen, das hat keine Logik.

Wenn man so verfahren wollte, dann könnte man auch z. B. die Trunksucht deshalb für berechtigt erklären, weil der Trinker sich an dieselbe gewöhnt hat. Das wird aber auch der stärkste Anhänger der Gewohnheit nicht thun wollen.

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen auch die menschlichen Verhältnisse und mit ihnen haben sich auch die Menschen selbst zu ändern, welche mitkommen wollen, und in diesem Sinne beantworte ich auch die Frage, in welcher Weise denn nun dem Trinkzwange praktisch zu Leibe gegangen werden kann, einfach mit folgendem:

Unterlage für die Handhabung und Ordnung des ganzen Kneipwesens ist die Kneipordnung (zu deutsch Comment, weshalb übrigens für diese leider urdeutsche Sache ein französisches Wort?), es muss also an die Umformung und Neuordnung dieses Trinkgesetzes zuerst Hand angelegt werden und da sage ich:

Hinaus und über Bord muss alles dasjenige, was geeignet ist, die Menge des zu genießenden Alkoholstoffes über das vernünftige Maß zu einer widersinnigen, unbedingt gesundheit- und wie eben ausgeführt, auch gemeinschädlichen Höhe hinauszuführen.

Es sind dies hauptsächlich die folgenden Bestimmungen:

1. Der Zwang für die Füchse pp., mehr wie einen Halben unbedingt und sofort und sogar bis zu 4 und 5 hintereinander binnen kürzester Frist nachtrinken zu müssen.

2. Die Überstürzung des gewöhnlichen in einen zwei- und dreifachen Bierjungen.

3. Der Zwang zu den neuerdings eingeführten sogenannten Galopphalben.

4. Der Zwang zum Antrinken jeden Glases binnen drei Zeitminuten, sowie die Bestrafung des Stehenlassens eines leeren Glases.

5. Alle bierrechtlichen Strafen für einen Bierkranken.

6. Der berühmte § 11.

Ferner wäre noch zu prüfen, ob nicht an Stelle alkoholhaltiger Getränke, die bisher allein commentmäßig sind, allgemein alkoholfreie Getränke zuzulassen wären, da für viele junge Leute mit schwächlichem Körper jeglicher regelmäßiger Alkoholgenuss direkte Giftwirkungen hat.

Meine Herren! Ich persönlich bin kein Freund von theoretischen Auseinandersetzungen, deshalb bitte ich Sie nun dringend, an der großen Aufgabe praktisch dadurch mitzuarbeiten, dass Sie unter Festhaltung Ihrer schönen akademischen Freiheit überall in Ihren Kreisen den Zwang zum Trinken weder sich noch anderen gegenüber ferner dulden.

Das muss von jedem geistig Hochstehenden in Anspruch genommen werden, der später mit ein Führer der Nation sein soll, dass er mitwirke an der Erreichung des hohen Zieles, der Befreiung unseres geliebten deutschen Volkes von übermässigem Drucke des Alkohol-Joches, dessen Botmäßigkeit uns heute schon 3.000 Millionen Mark jährlich kostet und buchstäblich ungezählte Menschengesundheiten jährlich vernichtet.

Wer sich auf diesen höheren Standpunkt stellt und dadurch zeigt, dass er über die engen Grenzen der Kneipe die Beziehungen der studentischen Trinksitte zum weiteren bürgerlichen Leben erfasst hat, für den ist es unmöglich, am Trinkzwange festzuhalten; der wird vielmehr zur Förderung des öffentlichen Wohles auf einen Teil seiner liebgewordenen Gewohnheiten gerne verzichten.

Am meisten können natürlich aus naheliegenden Gründen tun die studentischen Verbindungen aller Art.

Könnten die Vorstände dieser sich dazu entschließen, sich von der Alkohol-Suggestion für eine kurze Zeit frei zu machen und mit fester Hand den formellen Trinkzwang aufzuheben, wahrlich, sie würden sich den Dank aller Vaterlandsfreunde verdienen, ihr wahrhaft patriotisches Vorgehen würde bald überall Nachahmung finden und sie selbst dadurch unendlich viel gutes stiften.

Wie in allen anderen Sachen, so kommt es auch hier nur auf das erste gute Beispiel und auf den ersten Entschluss an. Sind diese erst gegeben, dann wird bald große Nachahmung folgen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Gesundheit 26. Jahrgang 1901