Vorwort

Der Verfasser der nachstehenden Blätter empfing vor etwa fünf Jahren die Idee, diese Geschichte zu schreiben. Die damalige Lage der öffentlichen Angelegenheiten Europas wies einem politisch- historischen Schriftsteller einen sehr beschränkten Wirkungskreis an, wenn er anders Missverständnissen entgehen, die bereits bestehenden nicht noch vermehren und dennoch der Wahrheit getreu bleiben wollte, zu einer Zeit, wo Alle bereits Partei ergriffen hatten. Dieser öffentliche Zustand zog ihn von Beschäftigungen ab, welche ein praktisch größeres, lebendigeres Interesse gewährten. Bei den mühevollsten Untersuchungen über das Mittelalter konnte man indes hoffen, die Gräuel der Gegenwart wenigstens augenblicklich zu vergessen. Ein harmloserer, politischer Gegenstand ließ sich aber nicht wohl auffinden als diese halbvergessene Antiquität.

Indem der Verfasser nun einem allgemeineren Interesse entsagte, so konnte er doch annehmen, dass, wenn das Geschäft auch nur einiger Maßen gelänge, die Zeit dennoch nicht für verschwendet gehalten werden würde, bei der Erweiterung der historischen Kunde, der Erläuterung mancher noch vorhandenen Institute und gangbaren Theorien, die daraus sich ergeben würden.


Die großen Schwierigkeiten, welche er bei diesem Unternehmen ahndete, hoffte er durch seine resignierende Beharrlichkeit zu besiegen. Einige wurden durch den ihm vergönnten Zutritt zu verschiedenen Archiven beseitigt, aber such dann zeigten sich noch mehrere, zuvor gar nicht geahndete, Hindernisse, welche es dem Verfasser nur immerhin begreiflicher machten, warum so Manche vor ihm das rasch angefangene Unternehmen in der Stille wiederum aufgegeben hatten, und warum Alles, was über diesen Bund bereits vorhanden war, so weit unter den mäßigsten Forderungen blieb.

Über die gedruckten und ungedruckten Quellen, so wie über einige der bekämpften Schwierigkeiten gibt die erste Beilage eine nähere Auskunft. Wer es über sich gewinnen kann, dieser einen flüchtigen Blick zu gönnen, der wird die Unvollkommenheiten dieses Werks zu entschuldigen leicht geneigt sein. Indes glaubte der Verfasser selbst mit diesem unvollkommenen Versuche vor dem Publico auftreten zu dürfen, ohne die Achtung zu beleidigen, welche ihm jeder Schriftsteller schuldig ist. Nur durch die Mitwirkung Mehrerer kann ein Unternehmen von diesem Umfange zu einem gewissen Grade der Vollkommenheit gedeihen. Auch darf der Verfasser dreist behaupten, dass dieser Versuch mehr leistet, als billiger Weise erwartet werden konnte, selbst wenn man einen höheren Maßstab annimmt als den, welchen seine Vorgänger aufgestellt hatten. Um manche Lücken auszufüllen, welche nur zu wohl gefühlt wurden, dazu waren und blieben zum Teil die Mittel versagt, indem die benutzten Archive darüber keine Auskunft gaben. Es ist überhaupt sehr ungewiss: ob und in wie fern das Ganze der Idee, welche dem Geiste vorschwebt, je um Vieles näher gerückt werden könne.

Es spricht das nachfolgende Werk, in der Form, unter welcher es hier erscheint, allein zu den Gelehrte; diese werden, wenn uns nicht Alles trügt, unserer Bemühung Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wegen der Aufnahme aber, welche unsere Beschäftigung bei der zahlreicheren Klasse der Dilettanten finden wird, sind unsere Besorgnisse weit größer.

Was in älteren Zeiten einem Werke dieser Art einen dauernden Ruf zugesichert haben würde, die treue Untersuchung nämlich und dieser resignierende Fleiß, dies wird ihm leicht jetzt bei der lesenden Menge zum Hindernis werden. Die pedantische Ökonomie, welche durch das Ganze herrscht und herrschen musste, diese gelehrten, unziemlichen Noten und Beilagen, werden wenig Glück bei dieser leichten Klasse von Lesern machen. Auch weiß der Verfasser kaum, wie er anders in Güte und Freundschaft von ihnen scheiden solle, als indem er ihnen dm Vorschlag tut, die Augen zuzudrücken und sich so zu benehmen, als wenn diese Noten und Beilagen gar nicht vorhanden wären. Da aber auch alsdann noch so manches Anstößige sich finden möchte; so verspricht der Verfasser, nach Vollendung des Ganzen, einen Auszug, welcher in einem kleinen, leicht zu handhabenden Bändchen die Resultate, befreit von dieser schwerfälligen Gelehrsamkeit, mitteilen wird.

Dieser zahlreicheren Klasse von Lesern zu Gefallen konnte aber die mühevollste Prüfung selbst nicht aufgegeben werden. Zwar der höchste und letzte Wert jeder Geschichte liegt ohne Zweifel in der Reflexion, welche sie veranlasst. Indem die politische Geschichte an gegebenen Fällen zeigt, wie die Menschen, vereinigt in größeren Massen, gedrängt von äußeren Umständen und gedrängt durch die in ihnen lebende Kraft, Zwecke aufstellen und diesen nachstreben, wie sie in diesem Kampf, in der Aufstellung eines Zwecks und bei der Wahl der Mittel, sich benehmen, erhält sie, wir sind ganz damit einverstanden, eigentlich ihren praktischen Wert. Allein es kann auch nicht genug gegen die Schwäche unseres gemächlichen Zeitalters gewarnt werden, vermöge welcher die historische Prüfung nun so gut als gänzlich hintenan gesetzt und sogleich leichten Schritts zum Pragmatisieren geeilt wird, bevor die historische Wahrheit möglichst genau ausgemittelt worden ist. Freilich, nichts ist leichter, als einigen auf guten Glauben angenommenen historischen Sätzen den falschen Schmuck einiger abgelebten, pragmatischen Formeln umzuhängen: allein wenn nun das historische Fundament wankt, so fällt auch von selbst dieser geborgte Flitterstaat in sein Nichts zurück. Der Dichter verfährt nach anderen Regeln, er hält sich an die poetische Wahrheit; der Geschichtsschreiber ist weniger frei, er muss aber selbst diese Fesseln ehren, wenn er sich und seinem Geschäfte treu bleiben will. Das Gebiet beider Provinzen darf nicht mit einander vermengt werden, obschon in gewisser Hinsicht beide an einander grenzen.

Jedoch die lesende Menge wird selbst bei einer leichtern Form dieser Geschichte wahrscheinlich nie ein großes Interesse abzugewinnen vermögen. Die mannigfaltigen Kenntnisse, welche voraus gesetzt werden, um die hier gegebenen Nachrichten anzuknüpfen und fruchtbar anzuwenden, sind und können nicht allgemein verbreitet sein. Ferner, das bürgerliche Leben dieser Städter, der emsige Betrieb einer Handels-Kompanie hat nicht den Reitz, welchen größere, geräuschvollere Abenteuer gewähren. An Charakteren endlich ist diese Geschichte ganz arm, da fast immer nur eine Gesamtheit, die Individuen handelnd auftreten: wir demnach alle Geschichte nur nach dem poetisch-dramatischen Stoffe würdigt, welchen sie enthält, der mag füglich diese Geschichte ungelesen lassen, für seine beschränkte Ansicht gibt es hier so gut als Nichts.

Eine oder die andere Begebenheit würde zwar leicht einen größeren Schmuck vertragen haben. Es gehört fürwahr sehr wenig Gewandtheit dazu, dies oder jenes gemeine, kriegerische Abenteuer zu einer seltenen Begebenheit zu erheben, und diesen oder jenen städtischen Demagogen mit einem Schmuck zu bekleiden, welcher in den Augen des Haufens ihn den verehrten Menschen Griechenlands oder Roms ähneln lässt: allein der Verfasser hat diesen Künsten gern entsagt, weil er Dichtung und Geschichte nicht vermengen und die Zeit und ihre Genossen lieber in der Gotischen Form auftreten lassen wollte, welche ihnen eigen war. Der poetisch-historischen Zwittergeburten sind bereits genug vorhanden, er hat sich nicht erniedrigen wollen ihre Zahl zu vermehren. Nach seiner Überzeugung sind jene der Poesie eben so nachteilig als der Geschichte. Jede wirke in ihrem Kreise, aus einem höheren Gesichtspunkte wird die Harmonie von selbst sich finden.

Der zweite Teil wird die Blüte des Bundes bis zur Begründung des allgemeinen Landfriedens; der dritte seinen Verfall und das gänzliche Einschlummern der alten Hanse in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts, der vierte über eine Auswahl ungedruckter Urkunden und Akten-Stücke enthalten.
Göttingen, den 30 März, 1802.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte des Hanseatischen Bundes, Band 1