Einführung.

Ich fand die Veranlassung zu dieser Arbeit darin, daß, als ich mit einer andern Aufgabe beschäftigt war, welche auf das vorliegende Werk einigen Bezug hat, ich, bei Prüfung der Quellen, daraus die frühere Geschichte der Ostseereiche geschöpft werden kann, nur zu deutlich wahrnahm, das die Geschichte des nördlichen Europa’s, welches die Ostsee-Reiche als ein abgeschlossenen Ganzes bilden, nie unter einem allgemeinen Standpunkte betrachtet, und wo dies theilweise der Fall war, man sich beschränkt hatte, bloße Thatsachen darzustellen, ohne den Ursachen nachzuspüren, die sie veranlassten, und daß der Zweig der Geschichte, welcher die Verhältnisse des Handels und der gewerblichen Kultur darstellt, nur mangelhaft und als Nebensache behandelt war. Die Ueberzeugung dieser Mängel veranlasste mich, mit den reichen litterarischen Mitteln, welche ich hier, durch die Gunst des Herrn Staatsministers Freiherrn von Altenstein Exzellenz, benutzen durfte, mit den Urkunden und Nachrichten, welche hiesige und auswärtige Bekannte mir gütigst mittheilten, und dem Material, welches ich mir bereits früher in meinem Vaterlande, Preußen, gesammelt hatte, den Versuch zu wagen: „die Geschichte des Handels und der gewerblichen Kultur der Ostsee- Reiche im Mittel-Alter, zu schreiben. Ich habe diese Geschichte im besondern Bezug zu meinem Vaterlande gestellt, in, so fern sich darin das Wirken des deutschen Ritterordens und die daraus hervorgehenden innern Staatsverhältnisse in dieser Zeit bekunden, und in vielleicht zu enger, Beziehung zu Danzig, in den beiden Hauptrücksichten, die ich besonders verfolgte, und darüber bin ich schuldig mich zu rechtfertigen. –

Danzig dankt seine früheren Einrichtungen dem Volksstamme, der vor Einführung der christlichen Lehre dort, wie an der Ostsee, zuerst bekannte gesellige Verhältnisse schuf, wodurch ein völkerrechtlicher Zustand eingeführt ward. Der Geist, der über die Zeiten waltet und darin Einrichtungen schafft, mit dem Material was die Oertlichkeit des Landes, verbunden mit der Kultur und Ansicht der Bewohner, darbieten, spricht sich in Danzig am klarsten aus, da gerade dort, in der Zeit davon hier die Rede, sich die beiden großen Richtungen des Mittelalters, die geistlichen Ritterorden in Europa und der Hansebund, vereinen um Danzigs Verhältnisse vorzüglich, wie die aller Ostseestaaten, zu bestimmen. Mir schien es, daß man nie den Geist dieser Zeit recht auffassen und verstehen lernen wird, wenn man ihn nicht an den Brennpunkten seines Wirkens betrachtet und nun so weit verfolgt, als seine Strahlen leuchten. Darum gehört auch des deutschen Ordens Geschichte in ihrem theilweisen Kampfe, gegen und in ihrem Anschließen an den Hansebund, zum Theil hieher, weil es Noth thut die Ursachen, die beides nach der verschiedenen Politik der Hochmeister veranlassten, kennen zu lernen, um über ein Institut urtheilen zu können, das von allen geistlichen Ritterorden das einzige war, welches in Europa bleibende und eingreifende Verhältnisse schuf, und als die Grundlage des preußischen Staates anzusehen ist.


Wenn der deutsche Ritterorden der Grund ward, darauf der preußische Staat errichtet wurde, so hat die Hanse andrerseits ganz besonders auf die selbstständige Entwicklung der nördlichen Staaten Europas gewirkt; denn dadurch, daß diese am Ende einsahen, welche Gefahr ihnen drohe und wie ohnmächtig sie da ständen, wenn Fremden ein abgeschlossen unabhängiger Zustand und der alleinige Betrieb ihrer Natur- und Kunsterzeugnisse überlassen bliebe, wurden sie bestimmt, die innern, gegen einander in Kampf liegenden Gewalten zu befriedigen, und im Vereine der gesammten Volkskraft sich in Selbständigkeit zu erheben – Gleiche Verhältnisse, in Bezug auf die Staatsverwaltung führten den Untergang des Ordens in seiner damaligen Gestalt herbei. – Beide fanden ihr Ziel, als die Zeit, die sie geschaffen, durch eine andre und bessere ersetzt ward, die durch die Reformation begann, welche das in den geistigen Verhältnissen schuf, was später durch die französische Revolution und die Richtung und Bedürfnisse, die daraus für ganz Europa praktisch hervorgegangen sind, für die innern Staatsverhältnisse als nöthig aufgestellt wurden und nun als Gebot da steht. Dahin gehören im Wesentlichen: gleiche Rechte und Pflichten alles christlichen Religions-Partheien, Duldung der andern, in so fern sie nicht verderblich in den Staatszweck eingreifen: das Recht eines Jeden auf freie Entwicklung und freien Gebrauch seiner Kräfte, ohne störenden Unterschied des Standes und Wegräumung aller Hindernisse, die dem entgegen stehenden; Freiheit der Gewerbe, Selbständigkeit der Städte; Gleichheit vor dem Gesetze; gleiche und allgemeine Verpflichtung zu den Staats- und Gemeinde-Bedürfnissen beizutragen und zum Kriegsdienste, und alles dasjenige, worauf der Mensch in bürgerlichen Verhältnissen nach dem natürlichen Rechte Anspruch machen darf. — Dies alles hat die preußische, den andern bedeutenden Staaten sehr vorgeschrittene, Gesetzgebung ganz besonders seit dem Jahre 1807 berücksichtiget.

Der, welcher die Geschichte von Europa nach dem Geiste, der darin waltet, beobachtet, wird finden, daß von der Zeit: welche mit dem Verkündigen der geoffenbarten Religion anhebt, es große Momente gegeben habe, welche die Entwickelung aller Staatsverhältnisse herbeiführten. Diese großen Zeichen der Zeit sind, das Allgemeinwerden der christlichen Lehre; die durch die sogenannte Völkerwanderung veränderte Bevölkerung und Abgränzung der europäischen Staaten, die Kreuzzüge mit dem daraus hervorgegangenen Ritterorden und dem Hansebunde; die Reformation und allgemeine Selbstständigkeit der Staaten, und endlich die französische Revolution mit ihren Folgen, welche noch in das Dunkel der Zukunft gestellt sind. — Diese großen sichtbaren Zeichen der Zeit bestimmten die Verhältnisse Europa’s fast 2000 Jahre hindurch, und so wie aus dem theilweisen Aufhören ihrer Zwecke und, dem Uebergange derselben in andre Richtungen immer neue Nothwendigkeiten auftraten als Gebote, die erfüllt werden mußten, so erkennen wir darin eine wohlthätige Vorsehung, welche die Völker leitet, sich auch schon hier möglicher und menschlicher Vollkommenheit zu nähern, durch die Gnade, die Liebe und die Achtung vor Gesetz und Recht.

Die beiden Richtungen, welche gemeinschaftlich die Zeit bestimmten, von der hier die Rede, die geistlichen Ritterorden und die Hanse, verdienen vorher, ehe man die Geschichte dieser Zeit selbst beachtet, in allgemeinen Umrissen aufgefaßt zu werden, damit, aus dem Erkennen ihres Charakteristischen, man sich das erklären könne, was sie geleistet.

In Osten war das Licht aufgegangen, das Heil über die ganze Welt verbreiten sollte, und hatte sich von da über den ganzen Westen ausgedehnt, Volksstamme, arm an Civilisation, im Vergleich zu den entnervten Römern, aber höher in Kraft und moralischem Werthe, hatten ganz Europa überzogen und sich allmählig zur christlichen Lehre gewendet. Nur bei ihnen fand sie allein gesunden Grund, um fruchtbringend zu wirken, — Da erstand im phantastischen Orient eine seiner glühenden Einbildungskraft zusagende Lehre, und der brennende Süden ward davon ergriffen, Ein Kampf um den Werth der Lehre war die Folge; denn jeder stritt für die ihm zusagende Offenbarung. — Auf der einen Seite stritten kräftige Männer, die ihren Glauben im Gemüthe bewahrten; auf der andern Männer vom Blute, Glauben und Klima gleich erhitzt und begeistert. An den äußersten Grenzen der Länder- und Glaubens-Scheidung berührten sich beide Theile. In der iberischen Halbinsel standen kräftige Männer da, welche den Schwärmern ihren festen Glauben und ihren persönlichen Werth als Damm entgegenstellten; in der üppigen Levante ein schwächlich Geschlecht mit einem verweichlichten Glauben, also ohnmächtige Vertheidiger. - Sollte, nachdem der Süden vergeblich gegen den Westen ankämpfte, der Osten gerettet und erhalten werden für die christlichen Brüder; so mußte der Westen auch dort helfen. - Dazu war er vorbereitet durch eine eigenthümliche europäisch-christliche Kraft, das Ritterthum, die sich beim Andränge des Südens entwickelt hatte. — Herrliche große Thaten waren vollbracht, wo die Persönlichkeit in ihrem ganzen Werthe erglänzte - wo der Mann in seines selben Schein (dem glänzenden Wiederschein eigner Kraft) sich bewährte; die Geschichte und die Gesänge bewahren die Erinnerungen daran. - Solche Thaten reihten zur Nacheiferung; jeder, der sich kräftig fühlte, wollte sich in seiner Mannheit bewähren; jeder Rüstige wollte, was er vermochte, seinem höchsten Gute, dem in ihm lebendigen Glauben, weihen. Frauenehre war das schöne unterscheidliche Erbgut der europäischen Völker; jeder Mannhafte bereit sie zu schützen und zu vertheidigen. Der Glaube machte alle zu Kämpfer für die höchste aller Frauen, die unbefleckte Mutter Gottes. — So war alle Kraft des Geistes und Körpers der westlichen Christen aufgeboten, und bereit für den Glauben und die Ehre der unbefleckten Jungfrau und Mutter Gottes in die Schranken zu treten — und, neben dem Diener und Lehrer des Wortes, war der bereite Kämpfer der allein Würdige. Aller Werth des Menschen fand nur seinen Maaßstab im Glauben und in der Kraft ihn zu schützen, und das Ansehn, was weltliche Güter gewahrten, blieb ungeachtet, wenn es nicht damit geschmückt war.

So herrlich entwickelt stand die romanische Christenheit in männlicher Glaubenskraft da, als Kunde vom Orient anlangte: die Sarazenen hätten die geheiligte Stätte, wo Christus geboren, gewandelt, gelehrt, gelitten, von wo aus das Licht der Welt aufgegangen war, erobert und zerstört und christliche Brüder hätten Schmach und Knechtschaft und alles Böse, darin sich übermächtige Willkühr gefällt, erduldet. – Und die ganze westliche Christenheit erhob sich, von Glauben und Theilnahme beseelt, gegen den Osten, um dort für so hohen Zweck zu kämpfen. – So bilden die Kreuzzüge den schönsten und erhebendsten Moment in der christlichen Geschichte – Nur allein in dieser Zeit hatte die gesammte Christenheit eine einzige Richtung: Kampf für den Werth des Glaubens, Beistand den unterdrückten Brüdern; alles andere war untergeordnet: so allein läßt sich der heilige Drang nach Osten erklären, der später erkaltete, als weltliche Güter, und andre Lebensbeziehungen größern Werth erhielten. — Nicht die Päpste, noch die Prediger des Kreuzes waren die Ursachen solcher Richtung, sondern das Gefühl der Kraft, die der unbesiegbare Glaube beseelt, die, von ihm durchdrungen, so herrlich wirkt und das war es, was die ersten Kreuzzüge so erfolgreich machte. — Das spätere Schicksal derselben ist der beweisende Maaßstab, wie die herrliche Kraft des Glaubens in anderen Leidenschaften und weltlichen Richtungen untergegangen war.

Das geheiligte Land war erobert, von dem Fanale der Christenheit wehte die Kreuzesfahne als Siegeszeichen, daß dem christlichen Glauben, wenn er rein erhalten, nichts widerstehen könne; - die Wunder des Orients breiteten sich vor den Kreuzträgern aus. — Da wurden viele verblendet von Glanz und Schimmer und vergaßen ihres Berufs in Schwelgerei und Genüssen. — Aber die heilige Stätte, verbunden mit der Erinnerung an die große Vergangenheit, wurden auch neue Aufforderungen christliche Tugenden zu üben und sich, umgeben von Glanz und Herrlichkeit, auf das Notwendigste zu beschränken, um desto mehr Dürftige an der Fülle des Genusses Theil nehmen zu lassen. — In Jerusalem, am Grabe des heiligen Bischofs Johannes, am Tempel wo Christus gelehrt hatte, am Grabe der heiligen Mutter Gottes, fanden würdige Christen eine neue Aufforderung, sich durch Gelübde enger an die leidende Menschheit anzuschließen, auf Glanz und Herrlichkeit Verzicht zu leisten und Kraft und irdische Güter aufzubewahren, zum Beistande der Bedrängten und zur Zierde ihres Glaubens. — Gelegenheit ward ihnen gegeben ihr Gelübde zu bewähren in den unausgesetzten Kämpfen gegen die Ungläubigen und den vielen Siechen, welche die Sehnsucht zum geheiligten Lande hingezogen hatte. So entstanden die geistlichen Ritterorden des heiligen Johannes oder der Ritter vom Spital, der Templer und der deutschen Ritter vom Grabe der heiligen Mutter Gottes. - Durch diese Institute wurde der Glaube und die christliche Lehre lebendig, d. h. durch die That bewährt erhalten, und der geistliche Rittersinn, der diese Orden errichtet, bewahrte sich in ihnen, als sie nun die eigentlichen Glaubenskämpfer wurden, oder: Ritter, die für den Werth ihres Glaubens stritten gegen die Heiden, die ihn verachteten. -Durch sie ward die Christuslehre, die im Glanze des Orients unterzugehen drohte, erhalten, und diesem Glanze eine würdige Richtung gegeben, als man ihn in Europa heimisch machte, und anwendete Tempel und erhabene Wohnsitze zu schmücken. —

Als endlich des geheiligten Landes Besitz aufgegeben ward, und die andern beiden Ritterorden nur zum Theil das Andenken an ehemalige Größe bewahrten, zum Theil untergingen, rettete der deutsche Ritterorden noch lange seinen vollen Werth und seine Gelübde, indem er den Glaubenskampf, der im Osten nicht mehr glückte, nach dem Norden verlegte, wo wenig Lockungen waren, ihn dort mit Erfolg führte, und einen christlichen Staat im Mittelalter errichtete, der an eigentümlicher Macht alle andern übertraf und Wunder schuf, die noch zum Theil, als Zeichen einer großen Vergangenheit zu uns herübersehen. – So lange der Hochmeister des deutschen Ordens noch die Kraft, den Willen und die Gewalt hatte, den Orden stets gerüstet zum Kampfe und vom lebendigen Glauben beseelt zu erhalten: so lange die geistige Richtung der Ordensherrschaft noch höher stand als irgend eine andre in den europäischen Reichen: so lange endlich der Ordensmeister selbst noch Muster und Beispiel war, den geistlichen und weltlichen Mitgliedern des Ordens, in treuer Erfüllung christlicher Tugenden und er, im frommen Streben, den Priester und Ritter, den Fürsten und Bruder, den Herrscher und Pfleger darstellte, und diese hohe Richtung durch den ganzen Orden abwärts lebendig erhielt: so lange konnte ihm keine Macht widerstehen*). Diese Zeit währte bis zum 15. Jahrhundert. Seit Winrich von Kniprode, dem größten Hochmeister, der über Preußen, als solcher geherrscht, verlohr der Orden seinen Standpunkt, der ritterliche Geist verließ ihn, und seine Macht wendete er an, die eignen Unterthanen in ihren Rechten zu kränken, während sich die Nachbarstaaten Eingriffe in sein Gebiet erlaubten. Seine Zeit war gekommen und er ging als Orden in der Reformation unter, ohne daß dasjenige, was seinen Werth und seinen Glanz bereitet, mit zu Grunde gegangen wäre. Dies ward das schöne reformierte Erbe des preußischen Herrscherstammes, welcher die großen Berechtigungen und Pflichten, die er aus der Erbschaft, des Ordens übernommen, sich im Gemüthe und in der That aneignete, und den spätern Königsthron auf zwei starke Säulen: Licht und Recht gründete, die ewigen Bestand haben, darüber der, auch vom deutschen Hochmeister vererbte schwarze Adler, als Sinnbild, schützend schwebt, der sich kühn zum Lichte erheben darf, da

    „Gott mit uns!“

und welcher

    „Jedem das Seine!“

gebührlich sichert und erhält. –

Diese hohen Richtungen, nach den Geboten der Zeit gestaltet, wurden die Regeln, welche, als theure Erbschaft, das Verfahren der preußische, Herrscher leiteten. Sie sind es, welche den an Fläche und Bevölkerung kleinen Staat zu der Bedeutsamkeit erhoben, die er ohne Unterbrechung behauptet hat durch alle Zeiten hindurch, und die es machten, daß, als Deutschland — sogar bis auf den Namen, — untergegangen war, man es nur in Preußen wiederfand und nur von Preußen die Rettung seiner frühern Selbstständigkeit ausgehen konnte. Diese Richtungen sind es, die dem preußischen Staat den hohen Standpunkt unter den europäischen Staaten angewiesen und seine Inwohner so schön in der untheilbaren Treue gegen Gott und den König verbunden, und Preußens König so hoch gestellt haben, wie kein anderer steht, da Er hier allein, wie früher der Hochmeister, in seiner Persönlichkeit glänzt und das schöne vererbte Streben verfolgt.

Daher steht der preußische Staat da, wie der wahre Schirmvoigt der rein christlichen Lehre, die für alle Sekten gleich paßt, weil sie sich, im Erheben über Sektengeist, nur auf das geoffenbarte Göttliche im Christenthum und seine Anwendung beschränkt, — und wie der rechte Hort für alle die, welche wegen Licht oder Recht verfolgt wurden. - Das wird die Geschichte dem lehren, der sie aufzufassen vermag (welche daraus allein die Gründe seines Wachsthums und seiner Macht erklärt) und der gewohnt ist, sie in ihren großen Umrissen und Momenten zu betrachten und sie nicht mit dem unschicklichen Mikroskop der Tageschronik beleuchtet, das, der beschränkten Fläche wegen, die es darbietet, nie eine wahre oder erhebende Ansicht gestattet, sondern nur Einzelheiten zeigt, die, wie Fragmente, ohne Zusammenhang dastehen und darum schlecht geeignet sind, die Geschichte des schönen Aufblühens und Bestehens eines so mächtigen Staate zu erklären.

So wie aus dem Ritterthume sich die männliche Kraft und persönlicher Werth, das Charakterische des Mittelalters, in schöner Blüthe entwickelt und, im festen Verbande mit dem Glauben, so Herrliches vollbracht, so entwickelte sich neben diesem ein andres gleich zusagendes Streben, die bürgerliche Freiheit, die ihre Ehre im Erhalten und Hervorbringen sucht, und so, weniger gemüthlich als nützlich, ein festes Band um alte Staaten schlingt dadurch, daß sie das Mittel wird, wodurch sie einander genähert werden, um zu erfahren, wie jeder des andern bedürfe.

Die Kreuzzüge hatten vielfache Bedürfnisse erzeugt und kennen gelehrt, dazu die italischen Städte, welche zum Theil ihre frühere Verfassung, bewahrt hatten, behülflich waren, sie hatten aber auch dem christlich frommen Rittersinne, eine andre Richtung gegeben. — Persönliche Unabhängigkeit, gesichert durch bewusste Kraft, artet manchmal aus und bahnt den Weg zur Willkühr, besonders in einer Zeit, wo das Eigenthum, in den Augen der Unabhängigen, nur einen untergeordneten Werth hat. Was jeder war, verdankt er sich und dem was er vollbracht; das Gefühl des Könnens und die Gewohnheit, mehr zu handeln als zu überlegen, verbunden mit einer gewissen derben Kühnheit, welche die Folge langer Kriege ist, machte es, daß das Eigenthum im Mittelalter sich nicht so vollständig eines solchen Schutzes als in der spätern Zeit erfreuen konnte. – Manche andere Motive kamen hinzu. Die Kreuzzüge hatten nicht nur den Fürsten, sondern auch allen, die der Glaube fortführte und die, welche zur Heeresfolge verpflichtet waren, bedeutende Kosten gemacht, dadurch war Besitz und Eigenthum auf andere übergegangen, welche mehr ihren Vortheil nachgingen in der Heimath zu erwerben, als für das höchste Gefühl, den Glauben, glühend, alles daran zu setzen, um, wie Judas Macabäus sagt: treu zu fechten für die Brüder und zu sterben für die Ehre, wenn die rechte Zeit gekommen. Diese kamen nun zurück aus dem Kampfe, sie hatten ihrem Gewissen und ihrem Glauben genüget und sahen andre in Ihren frühern Besitzthümern wohlleben, die, wie ihr Gefühl ihnen sagte, ihren Werth nicht aufwogen, - das Recht, sich selbst Recht zu nehmen, zu nehmen, was jeder Krieg darstellt, kam hinzu, und alles das ward Ursache von der vielfachen Willkühr, die beigetragen hat, ein ganzes Zeitalter darnach zu benennen, dem Faustrechte, als Gegensatz des positiven Rechte, das schwach und ohne Pflege dastand - als eine nothwendige Folge der Zeit. —

Während Kaiser und Reich unvermögend waren, dem Eigenthume Schutz zu verleihen, und alles drüber und drunter ging, jeden sein Recht nahm, der sich kräftig genug fühlte; eine eigne Klasse von Menschen sogar entstand, die für Sold jemanden, der sich verletzt glaubte, zu Recht verhalfen: bildete sich der dritte Stand, dessen Streben mehr auf Erhalten, und Erwerben gerichtet war, denn auf höhere Dinge. - Unter dem Schutze der Bürger und dem Geleite der Kraft, der sie zinsbar waren, fingen Handelsleute an, ihre Gegend mit fremden Bedürfnissen zu versorgen und die Erzeugnisse des heimathlichen Fleißes der Fremde zuzuführen. - Der Schutz, den sie bezahlten, stand in keinem Verhältniß mit dem Vortheil, welchen sie zogen, und so ward, besonders in solchen Gegenden wo das Faustrecht mindern Umfang hatte, der Grund gelegt zu bedeutenden Städten die theils unter dem unmittelbaren Frieden des Reichs, der Geistlichkeit oder hohen Lehnsträger standen, Der Friede war aber damals nach dem Charakter der Zeit eingerichtet, nicht so stät und fest, als daß dadurch ein Stand besonders gesichert wäre, der etwas Festes und Gewisses braucht, um seinem Gewerbe, hervorzubringen und zu erwerben, ungestört nachgehen zu können. — Der Wohlstand der Städte, der sich immer mehr hob und das abhängige Geldbedürfniß der Schutzherrn der Städte, wirkte zuerst auf ihre größere Selbstständigkeit. Dazu kamen innere Einrichtungen, welche die städtischen Verhältnisse der Bürger unter sich ordneten, welche den germanischen Städten aus Italien zukamen, wo sich die Verfassung noch zum Theil aus der Römerzeit gerettet hatte, so daß einzelne Städte in diesem Bezug und in dieser Zeit als freie Körperschaften dastanden, in welchen der Gemeinwille besser als in der spätern Zeit, wo sich auch in ihnen der Aristokratismus erhob, seine gebührende Vertretung fand.

So einzeln eingerichtet war es nicht schwer, ein Bündniß zu schließen, das Anfangs wenige, dann alle, besonders die norddeutschen Städte umfaßte, welche bedeutend genug waren, ihr Streben nach möglicher Unabhängigkeit von gesetzloser Willkühr geltend zu machen. Das Erkennen dieser Notwendigkeit mag früh genug bestanden haben, wann es aber zum Abschluß eines festen Bundes führte, ist nicht mit Gewißheit zu ermitteln; doch kann man annehmen, daß der Grund zu dem Bunde, aus dem die Hanse hervorging, bereits im 12. Jahrhundert vorhanden war, wenn schon sie selbst erst im 14, Jahrhunderte in ihrer vollen Macht auftrat; wenigstens war im 12. Jahrhunderte bereits ein vereinter Verkehr mit den Ostseereichen eingeleitet, der hauptsächlich über Lübeck und Wisby ging.

Es gehört mit zu den erfreulichen Erscheinungen des Mittelalters, wahrzunehmen, wie der ruhige Bürger, dem nur der Friede eigentlich zusagt, sich verbündet und seine ganze Wehre mit Haab und Gut einlegt, um sich und alle seines Standes, die eine Verbrüderung umfaßt, zu schützen gegen alle Willkühr; und an Ordnung gewohnt, diesen Schutz überall verbreitet, wo Schutzverwandte leben. Das war der schöne Zweck, den die Hanse durchführte. Das glückliche Gelingen desselben führte zum Monopolisten und zu dem Streben, sich allein in den Besitz des Handels und Verkehrs zu setzen, und alles was außerhalb der Hanse lag (die Buten-Hansen) davon auszuschließen. Dieser Zweck wurde lange genug von ihnen mit Erfolg durchgeführt und daraus entwickelte sich, aus demselben Institute, welches aus dem Bedürfnisse der Freiheit entstand, eine Macht, welche die freie selbstständige Entwickelung der Staaten und ihren Verkehr unter sich und mit andern zu zerstören drohte, und der Grund ward: zu ihrem eigenen Untergange; zu einer gesundern Handelspolitik in den Niederlanden und Holland, und zur größern Selbständigkeit der nördlichen Staaten Europas. So lehrt die Geschichte der Hanse in großen Verhältnisses, wie unrechtmäßiger Zwang nie dem Dränger, sondern dem Bedrängten zu Gute kommt und kann als der Prolog angesehen werden zu der künftigen Geschichte der Kolonien, die jetzt bestrebt sind, das eiserne Joch der Mutterländer abzustreifen und im Gefühl der Kraft und des Rechts als selbstständige Staaten in dem großen Erdverbande dazustehen.—

Die bei dieser Arbeit benutzten Quellen habe ich von dem Werke selbst gesondert und sie im Anhange demselben beigefügt.
Berlin, am 18. August 1819.
Der Verfasser.




*) Der durch ihn gegründete Staat war aber darum mächtiger, als die andern damaliger Zeit, weil das Lehnwesen, das ihre Macht lähmte, dort nie so ausgebildet ward, weil keine Theilungen Statt fanden nach dem Tode des Hochmeisters, die damals alle Staaten zerstückelten, und die neue Hochmeisterwahl fast nie Zwiespalt im Orden erzeugte, seine ganze Kraft daher immer für den Ordenszweck erhalten blieb.