I. Die ältesten jüdischen Siedelungen im Markgrafentum.

Später als anderwärts in Städten und Ortschaften der benachbarten Territorien des Frankenlandes bemerken wir innerhalb der Gebiete des hohenzollerischen Fürstentums Bayreuth-Kulmbach eine kleine Anzahl von Nachkommen des alten Bundesvolkes aus dem Dunkel hervorgetreten in das Licht der Geschichte. Die erste und älteste Nachricht, die wir über sie erhalten, ist das Gegenteil von einem Lebenszeichen. Am 23. Juni 1298 fielen dem „Würgeengel des religiösen Fanatismus 71 jüdische Personen als Blutzeugen ihres Glaubens in Neustadt a. d. Aisch zum Opfer. Auch über Bayreuth und Markt-Erlbach sind es Mordnachrichten aus dem Schreckensjahre 1298, die uns davon Kunde geben, dass dort etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts, also erst seit Entfaltung der Hohenzollernherrschaft im östlichen Franken, eine jüd. Ansiedelung entstanden war. 1) Damit stimmt auch die historisch unverbürgte Nachricht überein, dass der Burggraf Friedrich III. eine Anzahl von Juden in seine 1248 in seinen Besitz gelangte Stadt Bayreuth aufgenommen und mit Privilegien ausgestattet habe, um durch sie den Handelsverkehr von Nürnberg nach Böhmen durch Bayreuth zu lenken. Ihre Existenz war aber trotz Privilegien eine sehr unsichere.

1) Salfeld: Das Martyrologium des Nürnb. Memorbuches S. 166 und 274. Burgbernheim soll bereits 1198 ein Privileg des Kaisers erhalten haben, nach welchem kein Jude dort Aufnahme finden sollte (9. Jahresber. des hist. Ver. Mittelfr. S. 73); ich halte dasselbe für antedatiert aus d. J. 1715. Mein in der Jewish Enc. über Bayreuth enthaltener Artikel bedarf hinsichtlich des Alters der dortigen Ansiedelung der Berichtigung.


Das Volk nahm ihnen das Leben, der Fürst nahm ihnen bloß das Geld, zuerst nur leihweise und dann nach dem Rezept: gibst du nicht willig, so brauch ich Gewalt. Welche Vorstellung mögen z. B. Joseph der Kleine und Kaiman von Bayreuth, welche von dort nach Nürnberg verzogen waren, von dem im h. deutschen Reiche damals geltenden Rechte bekommen haben, als der Burggraf Johann einen v. 5. II. 1343 ausgestellten Gnadenbrief der kaiserlichen Majestät vorzeigte, der ihn mit einem Federstrich von der Zahlungspflicht der sämtlichen Judenschulden, die er hatte, befreite? Aus überflüssiger Vorsicht ließen sich die beiden gemeinschaftlich regierenden Burggrafen Johann und Albrecht auch vom Kaiser Karl IV. einen solchen vom 31. Oktober 1347 datierten Gnadenbrief ausstellen.1)

Auch die burggräflichen Juden standen damals als Kammerknechte des Reiches noch unter dem unmittelbaren Schutze des Kaisers. Aber der Kaiser war entfernt und sein Schutz unwirksam. Was der Schutz des kaiserlichen Adlers damals zu bedeuten hatte, davon legen Zeugnis ab die brennenden Scheiterhaufen, die aufflammenden Synagogen, die Hinschlachtung und Ermordung von Zahllosen, welche im Pestjahre 1348/49 dem wahnsinnigen Verdachte der Brunnenvergiftung zum Opfer fielen. Ob es auf Wahrheit beruhend ist, dass der Burggraf Johann anfangs die Haufen zerstreut habe, die sich gegen die Juden zusammengerottet, und später ihre Aufreibung und Vernichtung selbst angeordnet, lässt sich ebensowenig bestreiten als beweisen.2) Dass grausige Dinge auch im Bayreuther Lande sich ereigneten, steht außer Zweifel.3) Die Wirkungslosigkeit des kaiserlichen Schutzes, die sich so eklatant im Jahre des schwarzen Todes erwies, hatte aber wenigstens das Gute zur Folge, dazu beigetragen zu haben, dass das Judenschutzregal damals vom Kaiser übertragen wurde auf die den Personen und Verhältnissen näher stehenden Landesherren.

1) Spiess: archiv. Nebenarbeiten I 118 ff., Monumenta Zollerana III 109 und 181. Der in dieser Urkunde genannte Ort Dahspach ist jedenfalls Dachsbach, vgl. Stern: Nürnberg im Mittelalter S. 15 und 20-21.

2) Archiv für bayr. Geschichte und Altertumskunde I Heft 1 Seite 28. In Bayreuth hatten die Burggrafen 1349 einen jüdischen Bankier, der auf ihre Anweisung Zahlungen leistet (Regesten des Geschlechts von Aufsess S. 39).

3) Salfeld S. 82 erwähnt die Märtyrer von Neustadt a. A.; vgl. Heinritz im Archiv für Gesch. u. Altertumsk, v. Oberfrank. 1S45 S. 5 w. Hänle: Juden in Ansbach S. 10-12.

Schon am 10. Nov. 1336 hatte Kaiser Ludwig dem Burggrafen Johann II. die Juden, welche von Nürnberg bis Rothenburg gesessen sind, also im Bannkreise von Ansbach, zur Schirmung empfohlen, sei es in Stellvertretung des Kaisers, sei es, dass der Burggraf ihnen seine eigenen Schutzbriefe ausgestellt (Mon. Zoll. III 39). Am 4. Dezember 1349, also kurz nach den Katastrophen des Pestjahres, erteilte dann Kaiser Karl IV. den Burggrafen einen Freiheitsbrief über alles, was sie von den Juden in ihren Landen bereits genossen haben oder künftig genießen werden.1) Am 6. September 1351 hat dann der Kaiser den beiden gemeinschaftlich regierenden Burggrafen, aber nur auf Lebenszeit, die Gewalt gegeben, dass sie Juden haben und halten, hausen und schützen mögen und sollen, jedoch noch mit der Einschränkung, dass sie solche Juden, die gegen den Willen des Kaisers zu ihnen ziehen wollten, nicht aufnehmen dürfen. Am 5. April 1355 erteilt dann Kaiser Karl IV. den beiden Burggrafen die uneingeschränkte Vollmacht des Schutzes und giebt seine Zustimmung zu allem, was sie von Juden genossen und eingenommen haben oder in Zukunft von ihnen genießen und einnehmen werden, sei es bei deren Leben oder nach ihrem Tode (Mon. III 267 und 318). Endlich am 28. Oktober 1372 verleiht der Kaiser dem Burggrafen Friedrich V. und seinen Erben in der üblichen Form die Gnade, an allen Orten ihres Landes nach Belieben Juden in Schutz zu nehmen und ihnen bei Einforderung ihrer Schulden behilflich zu sein (Mon. IV 201).

1) Schütz: corpus historiae Brandenb. dipl. 4. Abteilung Nr. 231.

Von dieser Gnade haben denn auch die Burggrafen den ausgiebigsten Gebrauch gemacht, und man muss sagen, dass sie nicht bloß ihre eigenen Vorteile wahrzunehmen verstanden, sondern auch ihren jüdischen Untertanen Privilegien eingeräumt haben, die an Liberalität des Inhalts nirgends in jener Zeit übertroffen wurden. Als wollte der Burggraf Friedrich V. in Bayreuth geradezu einen Anziehungspunkt für jüd. Ansiedler schaffen, hat derselbe einen den seltenen Namen Meier tragenden Gelehrten zum Provinzial -Rabbiner seiner gesamten Lande, zu welchen damals auch der untergebirgische Kreis von Ansbach gehörte , entweder selbst berufen oder wenigstens ihm unterm 23. November 1372 die Bestallung ausgefertigt unter folgenden Bestimmungen:

Der bestallte Rabbiner soll alle Rechte und Freiheiten genießen, welche andere Judenmeister im Reiche genießen; die jüdischen Untertanen des Landes dürfen von keinem fremden Judenmeister ohne Zustimmung des Meier ein Gebot annehmen; in Klagehändeln von Glaubensgenossen gegen den Rabbiner soll das Judenrecht massgebend sein; christliche Prozessgegner können den Zeugenbeweis gegen Meier nur bringen „mit zweien biderben Kristen und mit zweien unverleimunten iuden“, die nicht seine Feinde sind; alle Schüler und Studenten, die zu ihm und von ihm ziehen, um bei ihm zu lernen und zu studieren, stehen gleich den im Lande angesiedelten Juden unter burggräflichem Schutze.1)

1) Wörtlich abgedruckt in Mon. Zoll. IV 202, Genpler: codex jur. mun. I 164, Hohenzollerische Forschungen II 228.

Die Tatsache der Bestallung eines Landesrabbinats mit Prärogativen, welche für jene Zeit immerhin erstaunlich sind, setzt natürlich das Vorhandensein von organisirten Gemeinden an den wichtigsten Orten des Landes voraus. Die bedeutendsten Gemeinden, von deren Größe wir uns freilich keine übertriebene Vorstellung machen dürfen, finden wir in Bayreuth, Kulmbach und Hof. Darauf lässt der Umstand schließen, dass diese 3 Gemeinden die ersten und bis auf weiteres die einzigen sind, welche, jede für sich, einen kollektiven Freiungsbrief oder ein Privilegium erhalten, dessen einzelne Satzungen etwa bis zum Ende des 15. Jahrhunderts für die Rechte und Pflichten des einzelnen Israeliten innerhalb des Staates, in welchen er als Angehöriger eines eximirten Standes und Glaubens eingefügt war, maßgebend geblieben sind. Dieses im Juli 1373 für jede der 3 Gemeinden auf 4 Jahre ausgestellte Privileg, in welchem zunächst die Zusicherung enthalten ist, dass die Juden nebst Erben und Brödlingen innerhalb der limitierten Zeit in keiner Weise mit Steuern und Anlagen beschwert und überladen, vielmehr bei ihren „rechten und gedyngen, dynsten oder zynsen“ erhalten bleiben sollen, enthält zwei überaus wichtige Zugeständnisse an die Privilegirten: erstens das Recht der Freizügigkeit nach beliebigen Städten und Orten des Fürstentums; zweitens das Recht auf einen konfessionell gemischten Gerichtshof, der durch Mehrheitsbeschluss in Klagesachen von Christen gegen Juden zu entscheiden hatte.1) Ebenso konnte die Beweisführung gegen einen Verklagten jüdischen Glaubens nur geschehen durch das Zeugnis von 2 ehrbaren Christen und 2 Juden, die nicht seine Feinde sind. In Prozesssachen von Juden untereinander war selbstverständlich das jüdische Recht allein maßgebend und das Forum des Rabbiners zuständig. 2)

Die Generalprivilegien der 3 Gemeinden sind ein Schema geworden, auf welches auch in den Einzel Schutzbriefen, die der Burggraf Friedrich ausgestellt hat, Bezug genommen wurde.3) In diesen Einzelschutzbriefen ist die Wahl des Aufenthaltsortes in der Regel noch unbeschränkt, die Zeit des bewilligten Schutzes beträgt 2 bis 3 Jahre und das jährlich in 2 Raten zu entrichtende Äquivalent des Schutzes schwankt, wohl je nach der Vermögenslage des Betreffenden, zwischen 6 — 30 fl. Solche Einzelschutzbriefe erteilte Burggraf Friedrich, der übrigens in den Schuldbüchern der Juden ein häufig erscheinender Gast war,4) zwischen 1374 — 78, soweit bekannt und hierher gehörig, an: Sara, Simon von Rothenburg, Joseph von Dillsberg nach Neustadt, den langen Meyer aus Plauen nach Hof.5) Im Jahre 1381 hat der Burggraf nach dieser Richtung eine geradezu fruchtbare Tätigkeit entwickelt, indem er in diesem Jahre, soweit nur bekannt, Schutzbriefe ausstellte für: Eisock von Bayreuth, Moses von Zwickau und seinen Vetter, Simon von Weissmain und Elias von Neustadt.

1) Wörtlich abgedruckt Mon. Zoll. IV Nr. 212, Hohenz. Forsch. II 229, VI 397.

2) Vgl. oben das Rabbinatsprivileg u. Mon. IV 274, ferner Hänle: Juden in Ansbach Seite 35.

3) Zwei Brüder von Wassertrüdingen werden 1377 aufgenommen und ihnen dieselben Rechte verliehen, welche die Juden v. Bayr. u. Kulmb. genießen. Mon. VIII 326.

4) Einschlägig sind zahlreiche Stellen der Mon. Laut Brief vom 15. 1. 1381 schuldet er einem seiner jüdischen Untertanen in Neuenmarkt, wohl bei Kulmbach, nebst Genossen 1100 fl. Mon. V 81, vgl. Wiener's Reg. S. 137 Nr. 256.

5) Mon. IV Nr. 234, 240, 241, 250 und V Nr. 3.

Die Briefe sind auf 4 Jahre aus gestellt und das Schutzgeld schwankt zwischen 4 — 20 fl. Einen Goldfisch scheint der Burggraf an Zadia erwischt zu haben, der mit seiner Familie und seinem „Schaffer“ oder Kassier auf der Flucht vor den gefahrdrohenden Verhältnissen, die damals in Regensburg geherrscht, in burggräflichen Schutz sich begab und dafür nicht weniger als die Summe von 100 fl. p. a. zu bezahlen hatte.1)

Aus den nächsten 25 Jahren erhalten wir kaum eine Nachricht über das Vorhandensein von Juden im oberen Fürstentum.2) Erst im Jahre 1409 werden die Rechtsverhältnisse der Gemeinde von Neustadt a. A., wo die jüdische Kolonie auf dem sog. „Gänss-Hügel“ nächst der Burg angesiedelt war, durch ein Generalprivileg in ähnlicher Weise geordnet, wie die der 3 obengenannten Hauptstädte des Landes. Das Schutzgeld soll für jede selbstständige Familie mindestens 10 fl. rh. betragen. Sie können aus dem Lande ziehen, wann und wohin sie wollen, wenn sie ihren versessenen Zins entrichtet, und auf Wunsch soll ihnen ein Geleit von 5 Meilen gegeben werden. Sie dürfen auf allerlei Pfänder leihen, außer auf sakrale Gegenstände der Kirche, auf nasse und blutige Gewänder und auf rohe Tuche.3)

Auch aus den nächsten Jahrzehnten erhalten wir nur spärliche Nachrichten. Der ruchlose Vertrag, den die Markgrafen am 25. April 1422, in einer Zeit, als das Menetekel am östlichen Himmel schon drohend sich gezeigt hatte, mit den Bischöfen von Bamberg und Würzburg abgeschlossen, in welchem die Kontrahenten sich verpflichteten, alle Juden ihrer Lande an einem Tage zu fangen, um sie zur Herausgabe ihrer Schuldscheine und allmählichen Auswanderung zu zwingen, wird seine Wirkung nicht verfehlt haben.4)

1) Mon, V 99. Gemeiner: Regensburg. Chronik II 197.

2) In Bayreuth und Kulmbach werden anno 1384 Juden erwähnt, denen das Kloster Langheim 8000 Heller schuldet (Wiener's Reg. S. 148 Nr, 319). Von Kulmbach heißt es im Landbuch der Herrschaft Plassenburg vom Jahre 1398: „Der Judenplatz ist ganz der Herschaft.“

3) Arch. (= Kreisarchiv Bamberg), Markgr. Gemeinbuch Nr. 1 f. 9. Der Maharil erwähnt Juden in Neustadt z. Zt, der Hussitenkriege: Kobez d'worim nechmodim, Husiatyn 5662 S. 9.

4) Hänle 207 ff.

Und was der verblendete Eifer der Landesherren etwa übrig gelassen, das werden die wilden Hussitenscharen, diese Zuchtrute des Markgrafen Friedrich VI., welche wie ein Orkan der Vernichtung durch das Land zogen, nahezu völlig aufgerieben haben. Wie wäre es sonst zu erklären, dass der Magistrat von Bayreuth nach den Hussitenkriegen alte Judenhäuser, die ihm anheimgefallen, zum Verkauf brachte?1) „Wir erfahren übrigens bei der Gelegenheit, dass in Bayreuth die dortigen Juden nicht nur auch an den Magistrat einen Jahreszins für Duldung ihres Aufenthaltes zu zahlen hatten, den der Stadtschreiber neben dem Frauenzins berechnete, sondern auch eine Anzahl von gemästeten Gänsen zum Gaudium der ganzen Stadtgemeinde der hohen Obrigkeit verehrt hat.2)

Wir schließen hier das für Bayreuth maßgebende Handelsrecht an. Im bayr. Stadtbuch vom Jahre 1464 finden sich, übernommen aus einer vom Jahre 1421 stammenden Instruktion des Markgrafen Friedrich VI., 3) folgende „Gesetze vnd ordenung der Juden vnd wie sie sich in irem handel gen den Cristen halten söllen“ :

Der Jude ist nach Stadtrecht der „gewere“ des christl. Käufers, d. h. er muss ihn gegen Ansprüche Dritter an den verkauften Gegenstand schadlos halten, wenn nicht die nachweisliche Verabredung stattgefunden, dass Judenrecht maßgebend sein sollte. Die Juden dürfen keinen Wucher nehmen4); wenn der Jude aber bei einer Klage auf eine mündliche Verabredung oder auf verschriebene Schuldbriefe sich berufen kann, so ist Stadtrecht, dass der Schuldner zu halten habe, was er verabredet oder verschrieben.

1) Das „letzte einige Judenhaus“ hat der Magistrat 1452 um 20 fl. an einen Bürger verkauft (Arch, für bayr Gesch. und Altertumsk. 1 H. 1 S. 118, Hohenz. Forsch. II 131). Der Stadtplan von vor 1621 (Beilage daselbst) zeigt die Judengasse, jetzt von Römerstrasse, welche 1441 von 6 neueingewanderten Juden erbaut worden sein soll (Holle: Geschichte d. Stadt Bayreuth S. 47, Heinritz: Zur Gesch. d. Stadt Bayr. II S. 32), als Sackgasse in der nordöstlichen Ecke der Stadt. Eine sehr wohlhabende Jüdin Samuel soll Mitte des 15. Jahrhunderts in Bayreuth gelebt haben (Lang: neuere Geschichte von Bayreuth I Seite 16).

2) Archiv für bayr. Geschichte a. a. O. 125, Hohenz. Forsch. II 136.

3) Vgl. Minutoli: Friedrich I. Kurfürst von Brandenburg S. 36S.

4) Heinritz, im Archiv für Geschichte von Oberfranken 1845 S. 8, liest konsequent Bücher statt Wucher und entnimmt daraus, dass die Kontobücher der Juden keine Beweiskraft haben sollen! Ueber Gewährschafl vgl. Stobbe: Die Juden in Deutschland S. 125.

Es soll ein Jude seinem christlichen Schuldner und umgekehrt in Rechtsforderungen nachfolgen und erstehen nach der im Stadtrecht vorgesehenen Gerichts Ordnung. Der Jude soll nicht „versprochenen“ Leuten, wie Räubern und Dieben, heimlich leihen, sondern am Tage bei scheinender Sonne, vor der Haustüre an der Strasse; meldet sich dann der Eigentümer einer gestohlenen Sache, so hat der Jude gegen Wiedergabe des darauf geliehenen Hauptguts die Sache ohne Gesuch herauszugeben: hat er aber heimlich darauf geliehen, so muss die Sache ohne jeden Gegenwert herausgegeben werden. Blutige Gewänder und kirchliche Gegenstände dürfen nicht als Unterpfänder für Darlehen angenommen werden; geschieht es dennoch, so hat im Falle der Reklamation des ursprünglichen Eigentümers der Jude die Sachen ohne Entschädigung herauszugeben: ebenso soll es gehalten werden mit Harnisch und Geschoss von Mitbürgern.1) Beim Eide soll nach den Bestimmungen des Stadtbuches der Jude auf einer Sauhaut oder auf einer mit Lammsblut befeuchteten Haut barfuss stehend seine Hand in ein Mosisbuch oder auf den Talmud legen und gen Sonnenaufgang gewendet die ganze Serie von bekannten Flüchen für den Fall des Falscheides auf sein Haupt herabschwören. 2)

Hundert Jahre waren nun vergangen, seitdem ein Burggraf durch ein Privilegium die besonderen Rechtsnormen für die Juden seines Landes fixirt hatte. Dieses hundertjährige Recht erhielt nun die Bestätigung und Besiegelung durch einen umfangreichen Freibrief, den der Markgraf Albrecht Achilles am 7. Jan. 1473 für die Gesamtjudenschaft seines ganzen Landes als einen auf 3 Jahre gültigen Vertrag ausstellte. Wir entnehmen demselben als ein Neues die Berechtigung der Juden zum Betriebe des Kaufhandels an allen Orten des Landes. In der Beobachtung ihrer rituellen Gewohnheiten sollen sie nicht behindert werden. 3) Vom Leibzoll sollen sie befreit sein, dafür aber jährlich 15 fl. für Armbrust und Zielbolz zu Händen des Piman, eines markgräflichen Hofjuden, zahlen.

1) Hohenz. Forsch. I 335. Hänle 34. Von einem gemischten Gerichtshof weiß das Stadtrecht, das den Juden bereits vom Standpunkt des mittelalterlichen Städters als eine verdächtige Person behandelt, nichts. Nach dem Stadtrecht von Hof vom Jahre 1436 mussten die Juden den Bürgern beim Wachehalten helfen (Hohenzoll. Forsch II 434); sie durften 3 Heller vom fl. pro Woche nehmen, das Ausleihen und die Rückzahlung musste vor dem Richter und zweien des Rates geschehen (das. 68).

2) Hohenz. Forsch. I 336, Minutoli a. a. O. Seite 370. Einfacher lautet der später im Markgrafentum vorgeschriebene Eid more jud. Vgl. Minutoli: Das kais. Buch des Albr. Ach. Seite 408, wo es aber anstatt Zeugeneid heißen muss: Reinigungseid.

3) Wörtlich: es soll ihnen besonders auch „das fleisch nach iren Sitten gegeben u. wochentlich zu baden gestatt werden als dann nach irer Gewohnheit sein soll und herkommen ist.“

Dagegen musste für den Transport von Toten an allen Schranken ein Leibzoll entrichtet werden. Eine Übersiedelung von den Städten in Märkte oder Dörfer ist gestattet, in welchem Falle über das von Jeglichem zu zahlende Jahresschutzgeld eine besondere Vereinbarung stattfinden würde. Dagegen dürfen sie ohne Zustimmung des Fürsten nicht gänzlich aus dessen Gebiete fortziehen.1)

Die Tatsache, dass in dieser Freiungsurkunde die Juden des ganzen Landes als eine Gesamtheit zusammengefasst werden, zusammengehalten mit der Tatsache, dass ein Hofjude mit dem Inkasso einer außerordentlichen Abgabe von allen Einzelnen beauftragt war, ist ein genügender Beweis dafür, dass schon damals die Gemeinden und die in Dörfern verstreuten Individuen sowohl nach außen als auch untereinander, wenn auch nicht wie später in der festen Form einer Korporation, eine teils durch Staatsmacht und teils durch freiwillige Verbindung entstandene und zusammengehaltene Organisation hatten. Dieser Eindruck wird noch verstärkt, wenn wir hören, dass der Markgraf Albrecht Achilles 1475 einer Familie Seligmann aus Hollfeld, der er gestattete, ihre Pfennige im obergebirgischen Fürstentum zu verzehren, für den Fall, dass sie dort sich häuslich niederlassen und Handelschaft unternehmen würde, die Auflage machte, sie solle „alles mitleiden mit unserer Jüdischheit.“2) Der Hofjude Piman war übrigens nicht der erste seiner Art im Markgrafentum. Schon 1455 bekennt Markgraf Johann, „das wir angesehen haben, das Salman vnser Jude von Pegnitz vns in vnseren Dinsten willig gewest ist und fürder tun soll“, darum soll derselbe, auf Grund eines gegenseitig kündbaren Vertrages, für den ihm gewährten Schutz jährlich 10 fl. Rh. bezahlen. 3) Aber auch einen jüdischen Arzt finden wir in der Umgebung des Kurfürsten Albrecht Achilles. Michel aus Hof sollte auf Empfehlung eines Edelmannes den Kurfürsten 1478 auf seiner Reise in die Mark als Leibarzt begleiten; da derselbe aber durch Krankheit verhindert war, wurde anstatt seiner ein anderer jüdischer Arzt. Hirs aus Hof, von dem dortigen Kastner mit den Worten empfohlen: „der kon di konst fertiglich.“4) Am 25. Mai 1468 wurde Meister Abraham „von seiner Kunst und Ertztey wegen“ in Schutz aufgenommen und ihm erlaubt, gegen Entrichtung des Zoll- und Glaitgeldes durch das ganze Land zu reiten und zu wandeln, und 1485 wurde ein Arzt Mose nach Bayreuth aufgenommen.5)

1) Heinritz 9-12. Hohenz. Forsch. II 230. Hänle 17. Missverständliche Auffassung bei Holle 62.

2) Arch. Mkgr. Gemeinbuch Nr. 6 f. 273.

3) Arch. Gemeinbuch Nr. 4 f. 195.

4) Priebatsch: Die politische Korrespondenz des Albr. Achilles II 402.

5) Arch. Gemeinbuch Nr. 6.

Der Kurfürst Albrecht Achilles, einer der begabtesten und energischsten Hohenzollernsprossen, die es gegeben, die hervorragendste Erscheinung unter den Fürsten des 15. Jahrhunderts, war frei von den gangbaren Vorurteilen seiner Zeit. Er hat sich seiner jüdischen Untertanen angenommen ebenso gegen Vergewaltigung derselben von Seiten ritterlicher Herren von der Landstrasse, wie gegen den Versuch der Bamberger Diözesansynode v. J. 1451, durch die Androhung des Bannes auch seinen jüdischen Untertanen den Schandfleck des gelben Ringes anzuheften. Mit wegwerfender Ironie schreibt er darüber in seiner Korrespondenz: „wir giengen der vorgeschrieben meynung nach, ehe drey tag vergiengen, do was er gericht und gieng der pan ab;“ und seinen Delegaten in Rom beauftragt er 1472, ein Verbot des Papstes gegen den Wucher der Geistlichkeit zu erwirken, der so arg wäre, dass sich die Juden beklagten, sie könnten sich in Folge der Konkurrenz nicht mehr ernähren.1)

1) Priebatsch I 320, III 13 und 325.

Man rechnet es dem großen Kurfürsten zum geschichtlichen Ruhme an und preißt es als eine von politischer Klugheit eingegebene Maßregel, dass er wie den Protestantischen so auch einer Anzahl von jüdischen Flüchtlingen, welche die Unduldsamkeit aus ihrer Heimat vertrieben hatte, in seinem Lande eine Zuflucht vor dem Sturme geöffnet hat. Er hatte aber darin an einem seiner Vorfahren ein gutes Vorbild und das war Albrecht Achilles. In der Nachbarschaft seines obergebirgischen Fürstentums, im Hochstift Bamberg, wurde während seiner Regierungszeit den Juden die Gastfreundschaft und das Asyl gekündigt.1) Und nun hören wir zu unserer Überraschung, dass der Kurfürst Albrecht Achilles einer ganzen Anzahl von Juden, welche damals aus dem Bistum auswanderten, es gestattete, auf dem Boden seiner Herrschaft den Wanderstab aus Händen zu legen. Wir hören von einem David, Sohn des Mayer aus Bamberg, den wir als Prozessgegner des Hochstifts bereits bei anderer Gelegenheit kennen gelernt, dass er a. 1475 einen Verspruchbrief des Kurfürsten erhielt, den er aber aus unbekannten Gründen wieder zurückgab.2) In demselben Jahre wurden Seligmann aus Hollfeld, Moses von Altenkunstadt und Isaak von Burgkunstadt in Schutz aufgenommen und 1476 Smerl von Lichtenfels. Mose von Staffelstein, Smerl und Abr. Israel von Bamberg.3) In allen diesen dürfen wir Exulanten des Hochstifts vermuten, welche in dem Lande, wo der starke Wille des Albrecht Achilles die Zügel regierte, einen Ort der Zuflucht fanden. Auch den Einflüsterungen des Rates der benachbarten Stadt Nürnberg, der durch Anschreiben vom 13. August 1473 unter Darlegung des Schadens, den die Untertanen von den Juden zu erleiden hätten, den Kurfürsten zu bewegen versuchte, seinen großen Einfluss mit den Bemühungen des Rates beim Kaiser zu vereinigen, um dessen Genehmigung zur Ausweisung der Juden zu erwirken, setzte er beharrlichen Wiederstand entgegen.4)

1) Eckstein: Geschichte der Juden im ehemal. Fürstbistum Bamberg Seite II.

2) A. a. O. Seite 300. Vgl. weiter unten Beilage II.

3) Laut Notizen aus Arch. Gemeinbuch Nr. 6.

4) Priebatsch I 547, ferner Kobak's Jeschurun, deutseh 1868 I Seite 6.

Weiter ist hervorzuheben, dass unter der Regierung des Albrecht Achilles neue jüdische Ansiedelungen entstanden sind an Orten, wo bis dahin keine Juden gewohnt hatten, und als von seiner Hand ausgefertigt wird eine größere Anzahl von Schutzbriefen registriert, die er erteilt hat an: Joseph von Eger 1469 nach Hof; Sahelkind und Gerson 1470 von Weiden nach Neustadt a. Culm, Jecklein Sohn Mayer's in Hof, Seligmann in Wunsiedel, David in Pegnitz und David in Bayreuth; 1471 an Nathan und Jakob Sohn des Mayer aus Kulmbach nach Hof, ferner an Leser und seinen Sohn Hayem; 1472 an Elias nach Bayreuth und Joseph nach Hof; 1477 an Mann Sohn des Mayer nach Kulmbach und 1478 an Samuel von Elbogen nach Wunsiedel; 1480 an Simon, bis dahin Untertan des Wilhelm von Wildenstein, nach Pegnitz und Hirsch von Erlangen nach Bayreuth; endlich 1485 an Mose von Weissmain und Lazar von Kunstadt nach Wonsees (bei Bayreuth), an Salman nach Gasen dorf, an Abraham von Schnackenwöhrd nach Neustadt a. Gulm. an Mann von Steinach nach Kulmbach und an Jecklein von Steinach nach Wunsiedel.1) Auch an demjenigen Orte des Fürstentums, wo wir später die zahlreichste und blühendste Gemeinde des Landes finden werden, auch in Baiersdorf erscheint 1483 der erste Jude und in Erlangen gab es bereits 1472 einen Rabbi und Ackerbesitzer Vögelein, der von seinen Glaubensgenossen in Nürnberg gelegentlich der Disputation, zu welcher der Bekehrungsprediger Peter Schwarz 1478 herausgefordert hatte, zu ihrem Vertreter und Wortführer ernannt wurde, ein kluger Mann, wenn Schweigen in solchem Falle klüger ist als Reden.2)

Jeder Aufgenommene erhielt zu seiner Legitimation einen „Fürbrief“ und hatte an den Kurfürsten ein Jahresgeld zu zahlen, welches wohl je nach Vermögenslage zwischen 2 — 10 fl. schwankt. Das allmälige Anwachsen der Zahl der Aufgenommenen an weithin verstreuten Orten des Fürstentums, die Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten, die mit der Einzahlung und Erhebung der variirenden Schutzgelder verbunden waren und noch andere Verhältnisse ließen es aber als wünschenswert erscheinen,

1) Laut Notizen aus Arch. Gemeinbuch Nr. 6. In Weiden finden wir Juden seit spätestens Mitte des M. Jahrhunderts. Stern: Nürnberg im Mittelalter Seite 14.

2) Chroniken der deutschen Städte X 353, Priebatsch I 438 und III 251. In Erlangen finden wir Juden seit spätestens Anfang des 15. Jahrhunderts. Stern Seite 60.
der Gesamtjudenheit des Landes wenigstens nach außen hin in ihrem Verhältnis zum Landesherrn eine straffere Organisation als früher zu geben. Verhandlungen, die darüber geführt wurden, enden mit der Aufrichtung einer zwischen der Judenschaft der beiden Fürstentümer Bayreuth und Ansbach und dem Markgrafen Albrecht Achilles für die Dauer von 5 Jahren abgeschlossenen Konvention v. 4. Juni 1484, in welcher auf der einen Seite die Privilegien der Judenheit in allen Stücken und Artikeln die Anerkennung und Bestätigung erhalten, während dagegen die Judenheit unter solidarischer Haftung der Gesamtheit die Verpflichtung einer Steuerzahlung von jährlich 800 fl. übernimmt, welche von den Zahlungssäumigen auf dem Wege der amtlichen Exekution eingefordert werden kann. Außerdem soll die Judenheit alljährlich der Gemahlin des Kurfürsten ein Geschenk von 100 fl., seinem Sohne Friedrich gleichfalls von 100 fl. und seinem Sohne Sigmund ein solches von 50 fl. unter den Weihnachtsbaum legen.1) Dass auf diese Weise der Kurfürst für die Vermehrung der Festfreude seiner Familienmitglieder aus den Taschen der Ungläubigen gesorgt hat, wer wird es ihm verargen? Hatten doch die Juden ihrer freudigen Anteilnahme an den Familienfesten des Landesvaters einen gewiss freiwilligen Ausdruck dadurch gegeben, dass sie seinem Sohne Joh. Cicero gelegentlich seiner Hochzeitsfeier ein Kleinod im Werte von 200 fl. zum Geschenk verehrten.2) Und wenn der Landesvater in einen seiner zahlreichen Kriegszüge mit Ross und Reisigen sich hinauswagte, da hatten die Juden seines Landes oft die Gelegenheit, in Form einer ihnen auferlegten Kriegsschatzung auch ihrem etwas aufgezwungenen Patriotismus einen geziemenden Ausdruck zu geben.3)

1) Hänle 209-10. Die Anzahl wird auf ca. 100 Familien in beiden Fürstentümern zu schätzen sein.

2) Priebatsch II 256 und 320.

3) Über die Auszahlung einer Kriegskontribution, die der Kurfürst der Gemeinde von Neustadt auferlegt und für welche ein Jakob aus Schweinfurt in Nürnberg die Bürgschaft übernommen, entsteht zwischen den Erben des Jakob und dem Kurfürsten ein Streit, der 1465 mit einer gütlichen Einigung endet (Arch. Rep. 127 Judensteuer Fasc. 2-3). Von einer Türkenkriegssteuer der Juden ist bei Priebatsch III 10 die Rede; nach I 307 hat Albrecht Achilles von den Juden, wohl der sämtlichen brandenburgischen Lande, die Summe von 3-4000 fl. an jährlichen Gefällen und Zinsen geerntet.

Mit dem Tode des Kurfürsten Albrecht Achilles endet die erste Periode unserer Geschichte. Und wir müssen sagen: Die 200 Jahre, auf die wir nunmehr zurückblicken können, bieten mit ihrem Gesamteindruck trotz einiger dunkeln Stellen, die das Ganze verunstalten, ein nicht unschönes Bild des Entstehens und Aufblühens von jüdischem Gemeinwesen hauptsächlich im obergebirgischen Teile des Fürstentums. Anders in der Periode, zu der wir uns jetzt wenden wollen. Da verschwinden allmälig all diese Gemeinwesen und Ansiedelungen völlig aus dem Gesichtsfelde. Der Neid und die Beschränktheit der Vertreter der städtischen Bevölkerung reichen der Schwäche und Haltlosigkeit der Fürsten die Hand, um das Judentum zu verdrängen vom Oberland in das Unterland und von den Städten in die Dörfer.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Geschichte der Juden im Markgrafentum Bayreuth