Friedrich Wilhelm Kronprinz von Preußen
Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1875
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Preußen, Kronprinz, Frankreich, Dänemark, Krieg, Bildung,
Der junge Held, der deutsche Fürstensohn, dem hoffentlich dereinst das schöne Vorrecht beschieden sein wird, ganz Deutschland als ein einziges nationales Reich unter seinem milden und weisen Zepter zu regieren und der Einheit die Freiheit folgen zu lassen, Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl, Kronprinz von Preußen, ist an dem für uns Deutsche so bedeutungsvollen 18. Oktober 1831 geboren. Möge sein Geburtstag ein glückliches Omen für sein ganzes Leben und seine Regierung sein! Er erhielt unter den Augen seiner Eltern, des biedern ritterlichen Prinzen und nunmehrigen allgeliebten Königs Wilhelm von Preußen und seiner geistvollen Mutter Auguste (einer geborenen Prinzessin von Sachsen-Weimar) eine ganz vorzügliche Erziehung in wissenschaftlicher wie in militärischer Beziehung, und entwickelte treffliche Gaben, die zu den schönsten Hoffnungen berechtigten.
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Die aufrichtige Verehrung, welche der Kronprinz sich schon frühe zu erwerben verstand, gründet vorzugsweise in der gewinnenden Offenheit, dem mannhaften Ernst, der anspruchslosen Einfachheit, Treuherzigkeit und Tüchtigkeit seines Wesens, welche an den Vater erinnern, wie andererseits die Milde des Urteils, die innige Freude an Kunst und Wissenschaft, die Freisinnigkeit in politischen Dingen und die Unzugänglichkeit für Schmeichelei, die der Kronprinz bei jeder Gelegenheit an den Tag legte, ein Erbteil von der erlauchten Mutter sind, die von ihrem elterlichen Hofe jenes warme Interesse für alles Große und Schöne und jene Vorliebe für den geselligen Verkehr mit bedeutenden Männern herübergebracht hat. Als Erholung von seinen eifrigen militärischen und wissenschaftlichen Studien suchte der Kronprinz immer zuvörderst den Umgang mit einem Kreis der bedeutendsten und hochgebildetsten Männeraus allen Fächern des Wissens auf, um sich in der offensten und naivsten Weise durch Austausch mit denselben fortzubilden. Die freisinnigen Anschauungen, welche der Kronprinz aus seinen staatswirtschaftlichen Studien und aus dem Umgang mit den eben genannten hervorragenden Geistern aus allen Lebenskreisen aufgenommen hat, und die ihn veranlasst haben, schon früher manchmal anregend und fördernd auf Zugeständnisse hinzuarbeiten, ehe ihm noch ein Einfluss auf die Regierung zustand, ermutigen zu den besten Hoffnungen für seine dereinstige Regierung. Man weiß, dass der Kronprinz die Absicht hat, eine aufrichtig parlamentarische und konstitutionelle Regierung zu führen, und dass er hierin von seiner Gemahlin unterstützt wird, welche selbst eine politische Bildung erhalten hat, wie sie der erstgeborenen Prinzessin des britischen Königshauses geziemt. Sein kleiner Hofkreis hat sich seit der Verheiratung (25. Januar 1858) mit der am 21. November 1840 geborenen Kronprinzessin Viktoria von Großbritannien mehr vertieft als erweitert, denn die Kronprinzessin ist selbst von solch' gediegener Bildung und strengen Grundsätzen, von solch' überaus gewinnender Einfachheit und Gediegenheit des Wesens, dass sie gar kein Hehl daraus macht, dass ihr eine hohe geistige Bedeutung und Bildung und persönlicher Wert beim Individuum unendlich mehr bedeuten, als Rang und Geburt. Das anziehendste gemütvollste Familienleben im Kreise seiner liebenswürdigen Gemahlin und seiner Kinder entschädigte den Kronprinzen für das, was sein Ehrgeiz vielleicht früher durch die geringe Beteiligung an eigentlichen Regierungsgeschäften vermisst haben mag. Als der dänische Krieg ausbrach, ließ es sich der Kronprinz nicht nehmen, mit seinen Preußen ins Feld zu ziehen, wenn auch in untergeordneter Stellung, um die kriegerische Feuertaufe zu empfangen. Er bewies dabei so viel militärisches Talent, dass ihm in dem Kriege des Sommers 1866 eine der wichtigsten Aufgaben überwiesen werden konnte, nämlich das Kommando der zweiten Armee, welche die Garde, das erste, fünfte und sechste Armeecorps umfasste und von Mittel-Schlesien her durch ein Gebirgsland mit schwierigem coupirtem Terrain, und schlechten Straßen und einer Menge enger Defileen in Böhmen eindringen musste. Der Kronprinz hat diese Aufgabe glänzend gelöst; er hat in den späteren Gefechten, welche er mitkämpfte, ebenso viel Mut und Kaltblütigkeit wie außerordentliche Umsicht und geübten strategischen Blick an den Tag gelegt, so dass er jener trefflichen militärischen Erziehung der preußischen Prinzen alle Ehre machte. Sein Ehrentag aber war die Schlacht von Königsgrätz, wo der Kronprinz durch sein rasches Vordringen von Königinhof nach Chlum, durch das energische sichere Eingreifen in die Aktion den Sieg der preußischen Waffen in dieser Entscheidungsschlacht wesentlich mit erfechten half, weshalb ihn König Wilhelm auch noch auf dem Schlachtfelde mit den: Orden pour le mérite schmückte, während die geschlagenen Österreicher nach den Elbübergängen flüchteten. Seither ist der Kronprinz so zu sagen Mitregent und der Liebling des ganzen Volkes geworden, und hat es deutlich genug an der unbeschreiblichen Begeisterung, womit das ganze Volk ihn an allen Orten, die er auf seinen jeweiligen Reisen berührt, erfahren, mit welcher Liebe und Verehrung die Deutschen an dem heldenhaften Prinzen hängen, der in dem gegenwärtigen Kriege die Südarmee befehligt und hoffentlich nie vergessen wird, mit welcher opferwilligen Hingebung und energischen mutigen Begeisterung auch das heutige Geschlecht wie die Väter und Großväter Anno Dreizehn in den Krieg ziehen wider die französische Anmaßung und Niedertracht, getreu und beharrlich, furchtlos u. treu, fromm und frei, mit Gott für König und Vaterland! -