Frau Perchta und die Heimchen im Saaletal

Autor: Ueberlieferung
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In dem fruchtbaren Saaletal zwischen Bucha und Wilhelmsdorf hatte Perchta, die Königin der Heimchen, ihren Wohnsitz aufgeschlagen, und ihre unsichtbare Nähe verbreitete Glück, Gedeihen und Frohsinn über die ganze Flur. Mit den Heimchen waren die Bewohner des Tals so gut befreundet, daß sie bei ihren Feldarbeiten an den Spielen und Neckereien der Kleinen, an ihrem plötzlichen Erscheinen und Verschwinden ihre Freude hatten.

So lebten die Leute lange Zeit ein glückliches, frohes Leben. Einmal aber entstand ein Zwist zwischen den Menschen und Perchta. Das hatte folgenden Grund : Vor langer Zeit kam ein ergrauter Mann aus der Fremde und warnte die Leute, man dürfe der Perchta nicht trauen. Die Kleinen, über die sie herrsche, seien kleine Menschenkinder, die vor der Taufe gestorben und dadurch der Perchta verfallen seien. Einmal im Jahr, in der Nacht vor dem heiligen Dreikönigsfest, sei ihr die Macht gegeben, ihre Tücken an den Menschen auszuüben. Durch solche Reden wurden die Menschen mißtrauisch und begannen Frau Perchta mit ihren Heimchen zu fürchten; man mied sie ängstlich und schloß die Kinder in die Wohnungen ein.

Am nächsten Perchtenabend wurde der Fährmann aus dem Dorfe noch spät in der Nacht zur Überfahrt bestellt, es war um die zwölfte Stunde. Als er zum Saaleufer kam, sah er eine stattliche Frau, umgeben von einer großen Schar weinender Kinder. Erschrocken dachte der Mann daran, daß Perchtenzeit sei, und wollte in seine Wohnung zurückeilen. Aber die Frau forderte drohend die Überfahrt über den Fluß. Sie trat in das Fahrzeug, die Kleinen folgten und schleppten einen Pflug und eine Menge anderen Gerätes in den Kahn hinein. Dabei klagten sie laut, daß sie jetzt die schöne Gegend verlassen müßten.

Der Schiffer stieß ab, und als Perchta am anderen Ufer angelangt war, gebot sie ihm, nochmals zu fahren und die zurückgebliebenen Heimchen vollzählig herüberzuholen. Auch das geschah. Unterdessen hatte Perchta am Pfluge geschnitzt, deutete auf die Späne und sprach zum Fährmann: "Da nimm, das sei der Lohn für deine Mühe!"

Mürrisch steckte der Mann ein paar von den Spänen ein, warf sie zu Hause auf das Fensterbrett und legte sich ins Bett. Am nächsten Morgen lagen drei Goldstücke an dem Platz, wohin er die Späne gelegt hatte.

Am ganzen Saaleufer fand der brave Fuhrmann keinen der Holzspäne mehr, so eifrig er auch gleich danach suchte.