Montag, den 10. November 1902. - Bauernschädel - Volksschnurren - Erzengel - Himmelsvater - Eppan - Haderlump - Humor.

Mein alter Freund Torggler, dessen grauhaariger Bauernschädel ein wahres Magazin von Volksschnurren ist, hat nicht ermangelt, mir seinen Besuch zu machen, und er hat mir als Gastgeschenk auch gleich ein paar hübsche Geschichten gespendet, die wohl wert sind, aufbewahrt zu werden. Nur schade, daß man die Sprache nicht mit wiedergeben kann.

„Kürzlich,“ so etwa erzählte der Alte, „bin ich dem Baron Andre Dipauli begegnet, oben in Matschatsch (wo der Baron mitten im schönsten Buchenwalde ein kleines Schloß hat), und da hab ich ihn gefragt: Herr Baron, wissen Sie die Geschichte, wie der Herrgott mit dem Teufel hat prozessieren wollen? Nein, sagt der Baron. Also hab ich sie ihm erzählt. Nämlich, es hat einmal im Himmel sakrisch geraucht und der Herrgott hat zu einem Erzengel gesagt: „Du,“ hat er gesagt, „was ist denn das heut wieder? Das ist ja schier nimmer zum Aushalten mit dem Gestank.“ „Ja,“ sagt der Gabriel, „das ist der verflixte Teufel da unten, bei dem ist wieder mal der Rauchfang nicht gekehrt worden und die große Mauer zwischen der Hölle und dem Himmel hat nix als Löcher.“ – „Ja, die muß doch der Teufel vermörteln lassen,“ sagt der Himmelsvater, „das ist doch ein für allemal ausgemacht?“ „Freilich,“ sagt der Gabriel, „ausgemacht is, aber der sakrische Hundsknochen tut ja nie, was er soll!“ – „Also gut,“ sagte der Herrgott, „verklagen wir ihn halt. Geh’, sei so gut und hol’ mir einen Advokaten.“ Der Gabriel tut die Flügel auseinander und hui – fort.


Es dauert eine Weile, dann kommt er wieder. – „Na,“ sagt der Himmelvater, „was is? Warum hast du den Advokaten nicht gleich mitgebracht.“ – „Ja, mei’,“ sagt der Erzengel und kraute sich hinterm Ohr, „das Prozessieren müssen wir uns aus dem Kopf schlagen, Himmlischer, – die Advokaten sind alle auf dem Teufel seiner Seite; bei uns im Himmel ist keiner zu finden.“

„Was hat denn der Baron Dipauli dazu gesagt?“ fragte ich den Torggler.

„Gelacht hat er und mir dann eine andere Geschichte erzählt.“

„Auch so eine?“

„Ja. Einmal ist ein Müller in Eppan gestorben, hat er erzählt, ein recht gottloser Kerl und er ist ohne Beichte und Absolution abgefahren. So kommt er denn zum Petrus und begehrt Einlaß. Nix is, sagt Petrus, ungebeichtet kommt man hier nicht herein. – Na, so beicht ich halt hier oben, sagt der Müller. – Sagt aber Petrus: So gescheit wäre schon mancher vor dir gewesen, du Haderlump, – wenn wir nur einen Geistlichen im Himmel hätten . . .“

So predigt im heiligen Lande Tirol die Kirche Gottes, gemildert durch Humor, bei Bauern und Baronen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine kleine Herbstreise im Automobil