Cocumella, den 2. Juli 1902.

Wir müssen an die Rückreise denken, und seltsam, wir denken gerne daran. Nach diesem ruhigen Verweilen tut uns wieder Bewegung not, und wir sehnen uns, seit der herrlichen Fahrt nach Amalfi, mehr denn je nach unserm Adlerwagen. Aber die Fortsetzung des Reisewegs bereitet einiges Kopfzerbrechen. Sollen wir wieder über Rom und dann durch die Maremmen nach Pisa und Genua, oder sollen wir durch die Abruzzen hinüber nach dem Adriatischen Meere und über Ancona zurück? In diesem Falle würden wir Rimini noch einmal berühren und, um nach Mailand zu gelangen, von wo aus wir den Rückweg über die Schweiz nehmen wollen, über Bologna, Modena, Parma fahren. Die Abruzzen locken, die eben genannten Städte auch, während die Maremmen im Rufe stehen, von der Malaria noch stärker heimgesucht zu sein, als die pontinischen Sümpfe. Trotzdem werden wir diesen Weg nehmen. Er läßt sich besser in große Tagesreisen einteilen, und solchen haben wir jetzt vor, um zuletzt auch diese Seite des Laufwagenreisens genauer kennen zu lernen: das schnelle Durcheilen größerer Strecken. Wir wollen von hier nach Monte-Cassino zu den gastfreundlichen Benediktinern, von da nach Rom; von da nach Grosseto; von da nach Pisa; von da nach Genua. Gewalttouren sind das noch immer keineswegs, denn die ganze Strecke umfaßt nur etwa achthundert Kilometer. Aber wir würden, wollten wir mehr „machen“, unserm Grundsatze untreu werden müssen, nach dem wir ja reisen und nicht rasen wollen. Auch gedenken wir wie bisher so fernerhin weder Mensch noch Tier an seinem Leben zu schädigen, und auch unsren guten Führer Riegel wollen wir gesund nach Hause bringen. Ob dies aber so sicher wäre, wenn wir ihm mehr zumuteten, bezweifle ich. Man kann wohl einmal eine übermäßige Tagestour riskieren; wünscht man aber mehrere Tage hintereinander ohne längere Ruhepause stark zuzufahren, so wird man auf Gewaltleistungen verzichten müssen, denn die Lenkung eines Motorwagens im südlichen Sonnenbrande ist eine Arbeit, die angreift. Auch darf man nicht vergessen, daß der Chauffeur, wenn er den Wagen glücklich an Ort und Stelle gebracht hat, nicht sogleich der wohlverdienten Ruhe genießen kann, vielmehr noch ein paar Stunden scharf am Wagen zu arbeiten hat, soll dieser am nächsten Tage fahrbereit und sauber zur Verfügung stehen. Mit einem überanstrengten Chauffeur zu reisen, wäre aber nicht nach meinem Geschmack, ganz abgesehen davon, daß das seine Gefahr hätte. Denn das muß man immer im Auge behalten bei einer Laufwagenfahrt: vom Maschinisten hängt ebensoviel ab, wie von der Maschine. Oder eigentlich noch mehr, denn die Maschine und ihre Leistungsfähigkeit, hängt von ihm ab. Es ist ein ganz ähnliches Verhältnis wie zwischen Kutscher und Pferd, nur daß Verfehlungen des Maschinisten in den Folgen noch bedenklicher sind, denn ein zu Schanden getriebenes oder durch schlechte Behandlung krankes Pferd kann eher ersetzt werden, als ein Motor, der einen Knacks weg hat. – Überdies bin ich überzeugt, daß die meisten der vielen Automobilunfälle, wenn nicht auf Unvorsichtigkeit so auf Überanstrengung des Chauffeurs zurückzuführen sind. – Ein bißchen Vernunft und Maßhalten gehört auch zu diesem Vergnügen, das durch nichts so sehr kompromittiert wird, wie durch die törichte Maßlosigkeit vieler, die sich ihm hingeben und so sich wie andere gefährden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Eine empfindsame Reise im Automobil