Ein Seitenstück zu Rothschilds Jagd.

Die Gartenlaube, illustriertes Familienblatt.
Autor: M. K., Erscheinungsjahr: 1863
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Ein Seitenstück zu „Rothschild’s Jagd“. Fast die gesamte Presse des kultivierten Europas schenkte der großen Jagd, welche der französische Börsenkönig seinem Kaiser veranstaltete, eine außergewöhnliche Aufmerksamkeit. Die französischen Journale wussten nicht genug Worte zu finden für die Pracht, welche Rothschild bei dieser Gelegenheit entfaltete, und für die Leutseligkeit, mit welcher ihm ihr Kaiser begegnete. Die englischen Blätter ergossen sich in beißendem Witz, und die deutschen belächelten und bespöttelten - den gastfreien Juden. Gerade der deutschen Presse, gerade die reaktionären Blätter der preußischen Metropole fehlt alles Recht solche zur Ehre des Regenten gegebene Feste für ihre Zwecke zu benutzen, gerade sie sollten auf die Geschichte ihres Königshauses zurückblicken, dann würden sie finden, das die preußischen Könige, die alten Stammhalter des preußischen Regentenhauses, es nicht verschmähten, sich von ihrem Juden fetieren zu lassen. Freilich ist noch ein himmelweiter Unterschied zwischen der Rothschild’schen „Jagd“ und den Feten der Berliner Juden. Rothschild lud Napoleon freiwillig zum Jagen eine; die preußischen Könige meldeten sich ungebeten bei ihren Juden und nötigten dieselben zu eitlem Aufwand, den sie sonst wohl füglich hatten bleiben lassen.

Das Fest, welches wir als Seitenstück zur Rothschild’schen „Jagd“, unseren Lesern vorführen wollen, versetzt uns in die preußische Hauptstadt und in das letzte Lebensjahr des zweiten preußischen Königs, Friedrich Wilhelm I. Er war bekanntlich nicht nur ein ausgemachter Gegner alles Aufwandes, sondern sogar von einer Sparsamkeit besessen, die oft ans unglaubliche grenzte, wie sich das namentlich aus seiner Korrespondenz mit seinem „ungeratenen“ Sohne, dem großen Friedrich, deutlich ergibt. Freigebig war er nur, sobald es sein Heer betraf - um dieses so glänzend wie möglich aufmarschieren zu lassen, scheute er die größten Summen nicht und war ihm keinerlei Steuer zu hoch - wenn es darauf ankam, gekrönten Häuptern zu imponieren. Um sich und seinem Hofe eine Kurzweil zu verschaffen, wurde die Berliner Judenschaft in Contribution gesetzt: auf besonderen Befehl mußte in dem in der Spandauer Straße gelegenen Hause des bekannten Juweliers und Münzmeisters Beitel Ephraim am 7. Januar 1740 ein großes Fest stattfinden. Kommt der bei dieser Gelegenheit „auf höchsten Befehl“ entfaltete Luxus dem der Rothschild'schen Jagd auch nicht gleich, so müssen die Verhältnisse und Persönlichkeiten, der hohe Gast und der einäugige Gastgeber in Betracht gezogen werden. Soviel ist gewiss, Ephraim hatte Alles prächtig arrangiert. Das Haus war zu beiden Seiten mit kostbaren Teppichen behangen und das Innere desselben gleichsam in einen türkischen Bazar verwandelt. In dem einen Zimmer hatten verschiedene jüdische Kaufleute allerhand Brabanter Spitzen feil, in einem andern waren Galanteriewaren ausgelegt; dem gegenüber befand sich ein Saal mit reichen französischen Stoffen. In einem vierten Zimmer hatte der Juwelier selbst mit Juwelen seinen Stand. Von da trat man in zwei Säle, von denen der eine mit reichgestickten Kleidern, der andere mit feinen und seltenen Schildereien aus Italien und Holland ausgeputzt war. Vom Eingang des Hauses bis zum Ende des großen Hofes waren die Fußböden mit prächtigen Brabanter Tapeten belegt, die Wände mit Orangerien bekleidet und mit vielen hundert Lampen und Lichtern illuminiert. Auf dem Hofe zur rechten Hand waren die Zimmer zur „untertänigsten“ Aufwartung für die königlichen Herrschaften kostbar meublirt. Nachmittags gegen 3½ Uhr gelangte die königliche Familie in Begleitung der Braunschweig-Wolfenbüttelschen Herrschaften und vieler Standespersonen vor Ephraime Haus, an dessen Eingänge sie von dem „riesenhaften“ Juden und seinen galanten Söhnen empfangen wurden. Nachdem sie einige Erfrischungen angenommen hatten, schritten sie zur Besichtigung der für sie ausgelegten Kostbarkeiten und geruhten einige als Geschenk huldvoll entgegen zu nehmen, andere durch Kauf an sich zu bringen. Sodann wohnten die hohen Herrschaften einer Festlichkeit bei, welche von Ephraim „auf besondern Befehl“ seiner Gäste mit dem königlichen Besuche in Verbindung gebracht worden. Es war die eheliche Verbindung eines von dem reichen Ephraim erzogenen jüdischen Waisenpaares. Die Trauung fand nach damaligem Gebrauch auf freiem Hofe unter einem mit Silber und Gold gewirkten Trauhimmel statt. Nach beendeter Feier begann der Tanz der jungen Leute, dem die „höchste Gesellschaft“ noch einige Zeit zuschauten und sich dann nach Hofe zurück begaben.

Dieses Fest wurde von der königlichen Familie gewiss schneller vergessen, als die Jagdlust des Königs von den Juden. Friedrich Wilhelm war ein besonderer Freund der Sauhetze. Im Jahr 1729 wurden allein in der Mark und in Pommern 3602 wilde Säue erlegt. Bei seinem Geize wollte er seine Beute auch versilbern und kam daher auf den glorreichen Einfall, der Judenschaft eine große Menge wilder Schweine zuzuteilen. Da er wusste, daß die Juden ihrem Religionsgesetze zufolge sich des Genusses des Schweinefleisches enthielten. so verordnete er zugleich, nach erfolgter Zahlung das Wild an die Armenhäuser und das große Hospital zu schicken.