Da hat der Mond am blauen Bogen

Wie ein fremdes Vöglein das Waldbrünnlein verführen wollte, der Tannenbaum es aber vor ihm warnte.


Da hat der Mond am blauen Bogen
Den goldnen Webstuhl aufgezogen,
Und wirkt um dich das Brautgewand.
Dein Röslein glänzt wie Diamant;
Es locket deines Kleides Glanz
Die Fischlein im Grund zu Scherz und Tanz.
Mit silbernen Flossen auf Perlenschaukeln
Wie leuchtende Träume sie dich durchgaukeln.
Du siehst die ganze selige Nacht
Am Mühlenfenster dein Liebchen an –
Da löst am waldigen Felsenschacht
Ein lockiger Knabe den Fischerkahn,
Und schwimmt mit dir nieder im dämmernden Ried
Durch schlafende Tannen an saftigem Strand,
Und Ave Maria klingt sein Lied,
Und lockt die träumenden Fischlein heran.
Es streift des Morgenrothes Hand
Von Halm und Strauch den Flor der Nacht,
Und steckt im Thau die Lichtlein an.
Vom Tag geblendet der Grund erwacht,
Dein Herz geht rascher in funkelndem Schaum,
Du jauchzest auf aus dem minnigen Traum!
Nach Fischlein das Garn herniederschaukelt,
Und die in der Nacht beim Mondenstrahl
Als goldne Träume dich durchgaukelt,
Zieht singend der Knabe beim Morgenroth
Als helle Gedanken in sein Boot.


Nun jauchze, mein Bächlein, und weißt du auch, Was drunten so funkelt im Sonnenschein?
Nun brause hernieder durch Fels und Strauch,
O Bächlein, frohlocke, das ist der Rhein!
Des deutschen Glaubens strahlende Wiege,
Der lautre Spiegel sittiger Scheu,
Der brausende Zeuge der deutschen Siege,
Der schäumende Becher der Kraft und Treu,
Des deutschen Liedes sprudelnder Bronnen,
Der Herzensschlag im deutschen Leben!
Nun walle nieder stark und besonnen,
Du sollst dein Leben mit seinem verweben!

Seit alten Zeiten aufgegangen,
An seinem Strande, groß und klein,
Viel stolze Wasserrosen prangen
Mit wunderbarem Farbenschein.
Und Schwäne gleiten auf und nieder,
Und laden duft'ge Fracht am Strand;
Es trägt ihr silberklar Gefieder
Den Blüthenstaub von Land zu Land.
Auch du wirst bis zum Ocean
Belastet tragen deinen Schwan,
Daß dich die Bürde stets mög' mahnen,
Noch flössest du auf ird'schen Bahnen,
Und daß du nicht umsonst geflossen!
So wirst du ziehn die Mittagszeit,
Von sonnigem Gebirg umschlossen,
Drum lachendgrüne Aun gereiht
Mit saftig schwellenden Geländen.
Von waldumblühten Felsenwänden
Wird Harf' um Harfe niederklingen,
In wild geborstnen Eichen schwebend,
Vom Hauche der Erinnrung bebend,
Und dir von Streit und Minne singen.
Und wie du in seliges Rauschen versunken,
Da werden die Lüfte der Berge dich schaukeln,
Da werden des Himmels leuchtende Funken
Auf deinem kühlenden Herzen gaukeln.
Und jeder Tropfen wird dir sagen
Von frommer Kraft und heiligem Wagen;
Dir ist kein Ringen und Streben zu viel.
Da spürst du des Schwanes Last nicht mehr,
Dir macht kein Zweifel die Welle schwer;
Du fließest dahin, du weißt dein Ziel!“

Der Tannenbaum hört' lange zu,
Da ließ es nimmermehr ihm Ruh,
Wie dem Wachholderstrauch er lauschte,
Und von des Mondes Duft umsponnen
So feierlich er niederrauschte:
„Und ach um deinen reinen Bronnen,
Da werden dir entlang der Reise
Viel heil'ge Glockenblumen läuten
Von zauberhaftem Blätterbau,
Und dir mit gottesklarer Weise
Die Tiefe meiner Liebe deuten.
Und mag des Himmels lachend Blau
Mit düstrer Wolke Gram sich tauschen,
Und noch so laut das Wetter dröhnen:
In deiner Fluth mein heilig Rauschen
Wird's triumphirend übertönen.
Da werden deiner schäumenden Welle
Am Ufer längs so silberhelle
Kreuzlilien fromme Grüße winken.
Und wie du steigen mußt und sinken,
Du zagest und du murrest nicht,
Und hoffest auf das Sonnenlicht.
Da klärt sich mählig deine Fluth
Zu plätschernd leisem Wellentanz,
Und sieh', dein grünes Haupt umflicht
Mit siebenfacher Farbengluth
Der Sonne Diamantenkranz!

Und kömmt der Abend dann heran,
Da schwingt allmählig sich dein Schwan
In's Spätroth auf mit sachtem Flügel.
Zerfließend in des Abends Gluthen
Hörst scheidend du sein Danklied fluthen. Zerronnen sind die Aun und Hügel,
Die Nacht bricht an, und Nebel wallen –
Du bist zum Meeresstrand gekommen.
Noch einen Schritt – die Schleier fallen.
Und klar vom Himmelssee umschwommen,
Drin zitternd goldne Lilien beben,
Zerrinnt im Ocean dein Leben.

Dann werd' in heller Feuergluth
Ich ob den dunkeln Wassern ragen,
Und dich erlösen aus der Fluth.
Und reine Morgenlüfte tragen
Dich schimmernd heim in's Paradies,
Drin du als See wirst niedersinken.
Die Schwäne der Unsterblichkeit
Mit lichtverklärtem Silbervließ
Dir singend den Krystall durchblinken.
Und ich, ich werd' für alle Zeit
An deinem blauen Spiegel stehn,
Und rauschend mich darin besehn.
Du wirst mich den Erlöser nennen,
Und dann erst wirst du mich erkennen!“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Märchen