Schluß

Nun dank' ich euch viel tausendmal,
Daß ihr so treu mir hörtet zu.
Des Herren reicher Gnadenstrahl
Auf dieser stillen Stunde ruh'!
In Frieden gehet denn nach Haus,
Gott sei mit euch auf allen Wegen!
Ich streck' die Hände nach euch aus:
Doch ach! Mir fehlt die Kraft zum Segen. –
Ein jedes Kind noch zu mir komm'!
Ich muß voll Wehmuth sie noch küssen.
O Mütter, macht sie streitesfromm,
Auch sie noch werden streiten müssen.
Und dann hab' ich noch eine Bitt':
O nehmt doch auch mein Märchen mit!
Erzählt es euern Kindern gern,
Doch nicht verstohlen nur zu Haus,
O legt mit frommem Muth im Herrn
Es draußen auch den Herzen aus,
Die glaubensvoll, die glaubensleer –
Zu Seiner, nicht zu meiner Ehr'!
Dir aber, Herr, dir leg' ich offen
Mein armes Lied zu Füßen nieder;
Ich will nicht bangen, will nicht hoffen,
Wie du mir's gabst, geb' ich dir's wieder.
Und was du wirst mit ihm beginnen,
So ist es gut, und anders nicht.
Nun bin ich still – was mag ich sinnen?
Nun komm, du menschliches Gericht!

So geh' denn heim du liebe Schaar! –
Doch horch, welch Läuten goldesklar!
Es betet auf der Bergkapelle
Des Glöckleins Mund den Engelsgruß.
O hemmt denn noch den flücht'gen Fuß,
Und kniet mit mir zur grünen Schwelle!
Ja kommt, o kommt noch hinzuknien!
Denn ach! Noch seh' ich trübe Zähren,
Manch Antlitz seh' ich düster sinnen.
Nein, nein! So laß' ich euch nicht ziehn!
Erst muß jed' Antlitz sich verklären,
Und milder muß die Thräne rinnen.
Wahrlich! Was steht ihr sinnend bang?
Hört ihr des Ave's heil'gen Klang?
Alltäglich von Millionen Glocken
Inmitten durch der Menschheit Jammern
Singt er in ewigem Frohlocken:
Der Heiland ward der Welt geboren!
Und wich' die Welt aus ihren Klammern –
Wir gehn im Heiland nicht verloren.
Und würd' der Menschheit Schmerz so groß,
Daß alles klingend Erz auf Erden
Müßt' nur zu Grabposaunen werden,
Um voll genug mit einem Stoß
Das Klaglied in die Welt zu stöhnen –
O dieses einen Glöckleins Ton
Würd' siegreich allen Schmerz versöhnen:
So dreimal heilig ist die Kunde
Vom menschgewordnen Gottessohn.
Drum aufgeblickt! Was mag uns kümmern?
Gott selber ist mit uns im Bunde.
Laßt unsrer Seelen Harfen klingen!
Noch in den eingestürzten Trümmern
Wir jauchzend das Triumphlied singen.


Ha! wie jetzt eurer Augen Stern
So leuchtend aus den Thränen bricht!
Und wie verklärt jed' Angesicht!
Ja ewig ist der Sieg des Herrn,
Wie auch von feilen Lügnerbanden
Vor neuem, heidnischem Gericht
Sein Name frech gelästert werde:
Denn er ist wahrlich auferstanden,
Als Herr des Himmels und der Erde.

Doch horch! Noch klingt des Glöckleins Lied! Und hört ihr, welch ein Mahnen zieht
So ernst durch seine sel'ge Kunde?
Was steht ihr noch? O knieet, kniet,
Und betet nach mit Herz und Munde!
Sei uns gegrüßt, du Magd des Herrn!
Du gnadenheller Morgenstern,
Aus dem die ew'ge Sonne brach!
Ja, heut' in neuer Kreuzesschmach
Dreimal gegrüßt Gebenedeite!
Wir können nicht genug dich grüßen
In soviel Feigheit, Hohn und Streite.
Und du, o Herr! Sieh', dir zu Füßen
Anbetend sind wir hingesunken,
Und strecken nach dir aus die Hand:
O schür' in uns die matten Funken
Zu lodernd hellem Liebesbrand!
Ja dich, dich wieder zu erkennen,
Du Licht vom Licht, das uns erschienen –
Mit heil'gem Stolze dich zu nennen,
In Streiterdemuth dir zu dienen,
So Volk, wie Fürst, mit freiem Muth –
An dich, als allerhöchstes Gut,
So ganz und gar sich anzuketten
Mit himmelsehrnen Glaubensringen:
Das ist der Zauber uns zu retten,
Uns stark zu schaffen, uns zu einen! –
Dann wird des Segens Bronnen springen,
Nach dem der Völker Sehnsucht lechzet,
Dann wird des Heiles Stern erscheinen,
Nach dem der Völker Blindheit ächzet! Erleuchtend wird die heil'ge Taube
Sich in die Nacht herniederschwingen
Und uns mit ewig frischem Laube
Den Oelzweig ihres Friedens bringen.
O dann! – ha, sieh', es fällt der Schleier!
Und wie mich's ahnungssüß durchgraut! –
Dann wird als demuthsvoller Freier
Mit der vom Herrn erkornen Braut
Die ganze Christenheit sich trauen!
Mein Gott! welch gnadenlichtes Schauen!
Ich sehe Feuerzungen schweben
Rings auf die nachtumflorte Erde;
Des Irrthums Schleier all' sich heben!
Bis in der Lande fernste Fernen
Sich schauend meine Blicke tragen!
Als ob's ein einzig Leuchten werde
Aus Sonne, Mond und allen Sternen,
Seh' ich den Friedensmorgen tagen –
Es wird ein Hirt und eine Heerde!
Du arme Erde, nun frohlocke!
O sieh', o sieh', in einem Strom
Versöhnet naht die Christenschaar!
Und Alle ruft nur eine Glocke,
Und Alle ziehn nach einem Dom,
Und Aller harrt nur ein Altar!
Der Weihrauch steigt – der Heiland winkt.
‘S ist ausgesehnt! ‘S ist ausgetrauert!
O kommt! Zum einen Opfer tretet,
Und einig vor ihm niedersinkt!

Doch horch! Im Tannenbaum, wie's schauert!
Er rauschet mahnend: Wacht und betet!

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Märchen