Es hat so Mancher schon geglaubt

Ich schwärme.


Allen Müttern.


Es hat so Mancher schon geglaubt,
Weil Gott auch in mein Lied gehört,
So sei gesenkt und bleich mein Haupt,
Mein Auge finster und verstört;

So müß' ich schwer mit Menschen gehn,
Da ich in alten Wahn verstrickt.
Und hat mich Einer dann gesehn,
Wie hat er scheu mich angeblickt!

Dann hab' ich herzlich oft gelacht,
Wie's traun zum Trübsinn nimmer paßt;
Doch wenn ich sinnend mir's bedacht,
Hat weicher Ernst mich angefaßt. –

So stoßt denn weg das zarte Kind,
Wenn es sich schmiegt zum Mutterschoos!
Wo Freunde noch beisammen sind,
Da reißt sie von einander los!

Und wo der Mann sein Weib umschlingt,
Da stürzt mit euerm Schwert herbei!
Wo noch die Braut dem Liebsten singt,
Da schlagt die Laute ihr entzwei!

Erstickt jed' Lied zum Preis des Herrn,
Verdorren heißet Wald und Flur!
Löscht aus denn Sonne, Mond und Stern,
Und schlagt in Stücke die Natur!

Streicht aus, streicht aus den Namen Lieb'
Für ewig aus der Menschheit Buch!
Und wo noch Einer liebend blieb,
O den verfolgt mit euerm Fluch!

Ja, ja! So sei's! – Die Lieb' zum Herrn,
Der doch von Ewigkeiten an
Des Liebens einz'ger Born und Kern,
Die Lieb' zu Gott ist ja nur Wahn!

So aber bist du arme Welt!
Wer nur an Gott sich nimmer kehrt,
Der ist von dir schon hoch gestellt,
O der ist vornehm und gelehrt.

Dem Buben, der mit feilem Spott
Vorlaut das Kreuz vom Banner reißt,
Die Achsel zuckt beim Namen Gott,
Dem huldigst du als freiem Geist!

Und ist sein Herz auch noch so schlecht,
Ist nur die Zunge flink und spitz,
So ist das große Wort sein Recht,
Und Gott und Menschen sticht sein Witz.

Doch wem des Wissens dunkeln Grund
Des Glaubens Leuchte hat durchspürt,
Und wer als reichsten Gnadenfund
Zum Tag den Gott der Dreiheit führt;

Und wer ihn dann, ein offner Christ,
Als Liebesschatz im Herzen trägt,
Und wenn er auch ein Sänger ist,
Zu seinem Ruhm die Harfe schlägt:

Wie wirst du Welt an dem so klug!
Wie mäkelst du dann so besorgt,
Ob nicht sein Glaube nur Betrug,
Der ihm nur Gold und Ehren borgt!

Wie folgst du ihm auf Schritt und Tritt
Als tausendäugiger Spion!
Und schleppst den Prangerpfahl schon mit,
Und freust dich auf des Schauspiels Hohn!

Und findest auf der Häscherspur
Du leider ihn von Makel rein,
So schiltst du dann ihn Schwärmer nur,
Und der, ihr Herren, will ich sein!

Ja stoßt mich höhnisch nur hinweg!
Will nicht bei euch in Ehren stehn.
Unmöglich kann auf einem Steg
Der Spötter mit dem Schwärmer gehn.

Doch wißt nur, daß ihr so mich heißt,
Drauf bild' ich mir nicht wenig ein;
Von euch der Hohn nur doppelt preist,
Ja, ja! Ein Schwärmer will ich sein!

Doch nicht wie der ein Schwärmer ist,
Der zwischen Erd' und Himmel treibt,
Im Nebel Gott und Welt vergißt,
Und nebelhafte Lieder schreibt:

Ich schwärme, wie zur Frühlingszeit
Ihr erstes Lied die Lerche singt;
Ich schwärme, wie im ersten Streit
Ein heilig Schwert der Reiter schwingt.

Ich schwärme wie der Sonnenstrahl,
Wenn er der Rosen Kelch erschließt;
Und wie der See im Alpenthal,
Darein der Mondglanz sich ergießt.

Ich schwärme wie der Frühlingswind,
Wenn er durch junge Blätter rauscht;
Wie im Gebet ein knieend Kind,
Wenn es dem Klang der Orgel lauscht.

Und wie die Braut im Hochzeitreis,
Wenn aus dem Mund das Jawort bebt;
Wie auf dem Sterbebett der Greis,
Wenn er die Hand zum Segen hebt.

Pfingsten 1850



Und nun, ihr deutschen Herrn und Frauen,
Nun glaub' ich doch, ihr dürft mir trauen,
Und leidet nicht bei mir Gefahr;
Denn meine Schwärmerei, fürwahr!
Thut keinem Kinde was zu Leid.
So lad' ich denn euch jetzt zu Gast,
Kehr' mich an Glauben nicht und Kleid,
Wenn ihr nur treue Herzen seid,
Und ein Vertrauen zu mir faßt.
Zwar biet' ich euch nicht leckre Kost,
Nicht glänzt am Tische der Damast,
Nicht glüht aus Gold der süße Most;
Es lockt zum Saale nicht der Reigen.
Ich hab' auch sonst kein Spiel zu zeigen,
Nach dem das Aug' es gern gelüstet;
Mein Haus ist karg nur ausgerüstet,
Mir sind als Wirth nur Lieder eigen:
Da bleibt dem Gast nicht viel zu wählen.
Und doch, wenn ihr mein Plätzchen wüßtet,
Und wie sich's dort so traut verschwiegen
Ein armes Märchen läßt erzählen:
Vielleicht daß doch auf meinen Ruf
Ihr ließet Haus und Arbeit liegen!
Denn heut zu Tage, wo die Zeit,
Ein wildes Roß mit wundem Huf,
Verhetzt, bis sich's vom Zaum befreit,
Durch wetterschwüle Gassen läuft,
Bald stolz sich bäumt und wiehernd schnaubt,
Daß ihm der Schaum vom Buge träuft,
Bald auf die Steine stürzt, bestaubt,
Mit blut'ger Mähne, halbverschieden: –
Wüßt' ich ein reicher Gastmahl kaum,
Als Frühlingsluft und Frühlingsfrieden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Ein Märchen