Ein Löwe - die Beute

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1913
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Löwen, Menschenfresser, Jäger, Löwenjagt
Seit Wochen schon hat der ungewöhnlich kräftig gebaute Löwe die Schamba der Webi, eines Stammes der Somal, die das Osthorn Afrikas bis zum Dschubb und Tana bewohnen, beunruhigt. Er muss aus der Steppe durch die Galeriewälder von Feigenbäumen und Dattelpalmen, die den Lauf des Webi Schebeli umsäumen, bis in die Nähe der Küste, wo in einem Hain von Affenbrotbäumen die Schamba liegt, herabgewandert sein. Zuerst schlug er ein Rind auf der Weide, dann fiel er über einen Esel her, und nun hat er gar ein Weib, das auf einem Durrafeld arbeitete, angegriffen und es trotz ihres Wehgeschreis davongeschleppt.

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So geht es nicht weiter, darüber sind sich die Männer der Schamba klar. Setzt man sich nicht gegen ihn zur Wehr, dann muss man sich gewärtigen, dass er eines Nachts trotz des schützenden Dorngürtels in die Siedlung selbst einbricht. Verschiedentlich hat schon der eine oder andere der Jäger versucht, ihm nachzuspüren, aber nach kurzem verlor sich seine Fährte in dem undurchdringlichen Tamariskendickicht. Der Dorfälteste beraumt ein Palaver an, und nach lebhafter Verhandlung beschließt die Versammlung, in der nächsten Nacht eine Ziege als Lockköder auszusetzen. Das Tier wird mit Einbruch des Abends an einem Pfahl angebunden, während sich die mit Speeren bewaffneten Jäger in einem Gebüsch von Schirmakazien auf die Lauer legen. Erst gegen Morgen wird die Ziege unruhig, sie will sich losreißen und stößt zitternd ihre meckernden Angstrufe aus. Der Löwe schleicht heran. Endlich tritt er hoch aufgerichtet aus dem rauschenden Maisfeld. Er wittert, peitscht mit dem Schweif die Flanken, schreitet zögernd vorwärts, knurrt argwöhnisch und duckt sich jetzt zum Sprung nieder. In diesem Augenblick saust ein Hagel von Speeren auf ihn herab. Schreiend und die Reservespeere schwingend, stürmen die Männer auf ihn zu. Fletschend sucht er die Speere abzuschütteln, die ihn getroffen haben, dann aber wendet er sich zur Flucht. Johlend und immer von neuem Speere schleudernd, verfolgen ihn die aufgeregten Jäger. Eine breite Blutspur bezeichnet seinen Weg. Schon hat er fast ein Mimosendickicht erreicht, da schwankt er und fällt zuckend auf die Seite. Ein Speerstoß in das Herz gibt ihm den Rest. Man bindet ihm die Pranken zusammen, schiebt einen jungen Stamm hindurch und trägt ihn triumphierend als stolze Beute nach der Schamba.

Die Beute (Löwe)

Die Beute (Löwe)