2. Das realistische Schulwesen Bayerns im 18. Jahrhundert.

Ein Realschulwesen gab es erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Bekanntlich machte der Hallenser Pietist Semmler die ersten Versuche auf diesem Gebiete. Im Iahre 1747 gründete Hecker in Berlin die erste Realschule, welche diesen Namen verdient. In der Folge haben die Philanthropen die humanistischen Gymnasien nach der neuen Methode des Sachunterrichts grundstürzend geändert und auch den realistischen Anstalten immer mehr die Wege geebnet.

In Bayern gehen die Anfänge des Realschulwesens in die Zeit des unvergesslichen Kurfürsten Max. III. Joseph zurück, der seine in der Entwicklung weit zurückgebliebenen Länder durch bessere Bildung zu heben und zu fördern bestrebt war. Einerseits knüpfte die Entwicklung des Mittelschulwesens an die Gründung der Akademie der Wissenschaften, andrerseits an verschiedene ausgezeichnete Persönlichkeiten, wie Freiherr v. Ickstadt, Heinrich Braun und andere an, welche der aufgeklärte Fürst um sich zu versammeln wusste. Freiherr von Ickstadt war 1741 als Erzieher des jungen Kurfürsten nach München gekommen und hatte in verschiedenen verantwortungsvollen Stellungen, hauptsächlich als Direktor der Universität Ingolstadt, sich unvergleichliche Verdienste um sein neues Vaterland erworben. In Mathematik, Physik, Staats- und Völkerrecht, aber auch in Philologie und Literatur gleich gut bewandert, hatte er auf ausgedehnten Reisen in Frankreich und den Niederlanden seine Bildung erhöht und sich besonders mit den Problemen der Erziehung und des Unterrichts bekannt gemacht. Dabei war ihm nicht entgangen, wie weit in der Fremde die Fürsorge für Ausbildung des Bürgerstandes zu den mannigfachen Ämtern der Industrie und des Handels den heimatlichen Einrichtungen überlegen war.


Eine Schulgattung für die bürgerlichen Zwecke des Lebens fehlte in Bayern gänzlich. Wer nicht die Lateinschule besuchte, wuchs fast ohne Unterricht auf, da das niedere Schulwesen überall im argen lag. „Die bayerischen Gelehrtenschulen“, schreibt Lori in einer Denkscherift vom 6. September 1777, „waren ausschließlich auf den geistlichen Stand berechnet und alle künftigen Minister, Edelleute, Räte, Offiziere, Beamte, Kaufleute haben sich nach den gemeinen Leisten eines Landpfarrers oder Religiosen erziehen lassen müssen.“ Ein unermesslicher Zudrang fand zu den Studien statt, aber es waren meist Anwärter für den geistlichen Stand, keine tauglichen Subjekte für Gewerbe und Handel. Die deutsche Sprache, Geschichte,- Physik und deutsche Lektüre waren im Unterricht entweder gar nicht oder nur höchst unvollkommen vertreten. Allgemein ertönte der Ruf nach besserer Erziehung und Bildung der bürgerlichen und bäuerlichen Kreise um der Verwilderung der Sitten zu steuern. Schon im Jahree 1770, in seiner akademischen Rede ,,Von dem Einfluss des Nationalfleißes und der Arbeitsamkeit der Untertanen“, verlangte deshalb Ickstadt - neben Verminderung der Gymnasien und Lateinschulen - bessere Organisation der niederen Schulen in Markt und Stadt für künftige Handwerker, Geschäftsleute und Künstler, Realschulen, wo Mathematik und Naturwissenschaften im weitesten Umfang zu lehren und durch Instrumente und Experimente begreiflich zu machen wären. Seit dieser Zeit verlor Ickstadt diese hochwichtige Sache nicht mehr aus dem Auge. Die Reformen von Rochow und Felbiger wurden ihm gleich geläufig. Besondern Einfluss gewann auf ihn die treffliche Organisation der kurmainzischen Trivial-, Real- und Mittelschulen vom Jahre 1773.

Den nächsten Anstoß zu einer Besserung in Bayern gab die im Juli 1773 erfolgte Aufhebung des Jesuitenordens, dessen reiche Güter dem Staate zufielen. Das höhere Schulwesen lag fast ganz in den Händen dieses Ordens. Indem der Staat dessen Erbschaft antrat, übernahm er vor allem die Verpflichtung für passende Lehrkräfte zu sorgen. Das zugefallene Vermögen - über sechs Millionen Gulden - war aber so erheblich, daß sich auch weitergehende Schulzwecke damit fördern ließen. Eine provisorische Schulkommission, als deren Leiter der geistliche Ratsdirektor Peter von Osterwald aufgestellt war, sollte auch über die Einrichtung von realistischen Anstalten beraten. Mit besonderen Vorschlägen in diesem Betreff traten Heinrich Braun und Ickstadt hervor. Jener, vom Kurfürsten aufgefordert einen Reformplan auszuarbeiten, legte seine Anschauungen über die Organisation der Schulen in der Schrift ,,Gedanken über die Erziehung und den Unterricht in den Trivial-, Real- und lateinischen Schulen nach den katholischen Schulverfassungen Oberdeutschlands“ nieder. Ickstadt reichte unaufgefordert seine Ideen und Wünsche ein, welche sich im allgemeinen mit seinen in der Rede über den Einfluss des Nationalfleißes entwickelten Gedanken deckten. Er nahm auch am 28. März 1774 bei Gelegenheit der Stiftungsfeier der Akademie abermals Veranlassung ausführlich darauf zurückzukommen und ihnen durch die festliche Veranstaltung ein besonderes Gewicht zu verleihen. Der Verfasser geht von dem Satze aus, daß „alle und jede Landeinwohner und Untertanen ein auf dem gesellschaftlichen Verband gegründetes Recht haben, dass man sie in ihrem Stand und Beruf in jenen Gegenständen, Kenntnissen und Wissenschaften unterrichte, ohne welche sie weder ihren häuslichen Geschäften, noch bürgerlich-gesellschaftlichen Pflichten, insoweit es eines jeden Standes Vollkommenheit erfordert, ein Genügen leisten können“. Die Realschule, welche er als der Erste in Bayern verlangt, umfasst einen vierjährigen Kursus. Mit dem achten oder neunten Lebensjahre fallen die Schüler aufgenommen werden. Wenn die Eltern ihre Kinder vor der Erfüllung des 12. Jahres bei Handwerkern oder Künstlern aufdingen lassen, so müssen die Lehrmeister angewiesen werden, den Lehrjungen täglich zwei Stunden frei zu lassen um in jenen Gegenständen, deren sie bei ihren Professionen am meisten bedürfen, einen guten Unterricht zu erlangen. Als Unterrichtszeit werden täglich die Stunden von 7 1/2 bis 10 Uhr und von 1 ½ - 4 Uhr in Aussicht genommen. Als Lehrfächer findet man in der 1. Klasse Religion, Sprachlehre, die fünf Spezies in einfachen Zahlen, Zoologie, Botanik, Mineralogie, Einleitung in Geographie und Geschichte nebst Chronologie. In der 2. Klasse treten dazu deutsche Syntax, Aufsatz, die Lehre von den Brüchen, kurze Begriffe über Land- und Staatswirtschaft, Einleitung in die Genealogie, Heraldik und Grundsätze der allgemeinen Geschichte. In der 3. Klasse erweitert sich der Kursus durch Metrik, Poetik und Rhetorik mit Erläuterungen der besten Redner. Die Arithmetik bringt die Proportionen, Regeldetri, Potenzieren und Radizieren, während in der Geschichte die Kenntnis der europäischen Staaten als Lehrziel aufgestellt wird. Für die 4. Klasse sind Kirchengeschichte, Einleitung in die lateinische Grammatik mit Deklinieren und Konjugieren, desgleichen die Anfangsgründe des Griechischen vorgeschrieben. Geometrie und Trigonometrie vervollständigen das mathematische Pensum, während römische und deutsche Antiquitäten, Mythologie, insoweit solche Dichtern, Malern und Bildhauern nötig ist, sowie kurze Staats- und Naturgeschichte van Bayern die Realien beschließen.

Diese vierklassige Realschule bezeichnete er als niederes Gymnasium, das dem doppelten Zwecke der Vorbereitung für das praktische bürgerliche Leben einerseits und für das darauf sich aufbauende, in 5 Klassen abgestufte, höhere Gymnasium anderseits hatte. Der klassische Sprachunterricht setzte in der letzten Klasse ein, während die unteren 3 Klassen vollständig die Verfassung einer höheren deutschen Bürgerschule hatten. Bemerkenswert ist die starke Betonung von Mathematik und Naturwissenschaften, welche bereits in den Schulen Nord- und Mitteldeutschlands eine bessere Stätte gefunden hatten und dem Verfasser durch frühere Studien besonders lieb und vertraut geworden waren. Ob sich Ickstadts Programm bei der damaligen Ausbildung der Lehrer und dem festgesetzten Stundenmaß überhaupt durchführen ließ, kann hier unerörtert bleiben.

Im Gegensatz zu Ickstadt verlangte Braun eine dreikursige Realschule. Waren dort die einzelnen Klassen stufenförmig, also eine auf die andere aufgebaut, so erscheinen sie bei Braun nebeneinander, also fächerartig angeordnet. Auch im Braunschen Plan war das Latein nicht vollständig ausgeschieden, für Erlernung des Französischen und Italienischen wenigstens Gelegenheit geboten. Doch sollte die von ihm geplante Realschule vorwiegend eine gehobene Fortbildungsschule sein und den rein prakrischen Bestrebungen und Bedürfnissen der gewerbetreibenden Bürgerschaft dienen. Rechnen, Lesen und Schreiben. Arithmerik, die wichtigsten Ereignisse aus der Weltgeschichte, sowie Geographie waren die Hauptgegenstände. Dazu kam noch praktische Messkunde, das Nötigste aus der Naturlehre und Naturgeschichte, die allgemeinen Regeln der Haushaltungskunde, endlich Zeichnen. Mythologie und etwas Archäologie. In dem 1. Kurs (bürgerliche Nahrungs- und Haushaltungswirtschaftsklasse) sollten die Söhne der Handwerker und der übrigen gewöhnlichen Bürger Gelegenheit finden sich für ihren Lebensberuf vorzubereiten. Hier trat der Unterricht in der Stadt- und Landwirtschaft in den Vordergrund der Belehrung. Auch Handwerksgeschichte nebst Material- und Werkzeugskunde wurde vorgetragen. Die Söhne vornehmer Bürger und Künstler wurden in eine 2. Klasse, die der bürgerlichen Philosophie, aufgenommen. Hier lernten sie die Anfangsgründe der Logik, Geometrie, Mechanik und Baukunst. Auch Zeichnen und Ästhetik traten als Unterrichtsfächer auf. In den letzten Kursus (die bürgerlich-rhetorisch und historische Klasse) traten diejenigen Schüler ein, welche sich den Gymnasialstudien widmen wollten. Während man im Deutschen sie in die Grammatik einführte und zur Fertigung von Aufsätzen, Briefen, Erzählungen und Bittschriften anhielt, wurden diejenigen, welche gute Befähigung bekundeten und dereinst sich dem Beruf eines Wundarztes, Apothekers oder eines Künstlers widmen wollten, auch in den Anfangsgründen des Lateinischen nnd Griechischen unterrichtet, um ihnen die Möglichkeit des Übertritts in das Gymnasium zu gewähren. So war diese Schule der sozialen Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft recht gut angepasst, da sie deren mannigfachen Bedürfnissen Rechnung trug.

Über den Braunschen und Ickstadtschen Entwurf sollte sich die niedergelegte Schulkommission gutachtlich äußern. Braun betrieb persönlich die Genehmigung seiner Vorlage, während Ickstadt wohl zu den Beratungen geladen, aber nicht erschienen war. Tatsächlich bestand schon im voraus eine von der Geistlichkeit, besonders von den Ex-Jesuiten genährte Mißstimmung gegen seine Reformideen, da man die starke Pflege der Mathematik und Naturwissenschaften für den Glauben des Volkes schädlich hielt. Gegen einige in seiner Akademierede ausgesprochene Grunbsätz hatten die Ordinariate von Freising, Regensburg und Eichstätt ohnehin beim Kurfürsten Beschwerde erhoben. Den Sieg trug deshalb Braun davon, welcher mehr als Ickstadt zur humanistischen Richtung hinneigte, aber sein Entwurf wurde nur mit dem Vorbehalt genehmigt, daß die Kommission daran nach Gutdünken ändern dürfe.

Als es an die Verwirklichung desselben ging, brachten die Kommissionsmitglieder Kohlmann und Steeb das Braunsche Projekt überhaupt zu Fall und setzten unter dem 8. August 1747 einen eigenen Entwurf an dessen Stelle. Im allgemeinen suchen die letzten Autoren die Mängel des Ickstadtschen und Braunschen Planes zu beseitigen, indem sie die von Braun nicht berücksichtigten mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächer in dem Umfang aufnahmen, wie sie Ickstadt gelehrt wissen wollte, während die deutsche Sprache, der wiederum Ickstadt zu wenig Bedeutung beigemessen, in ausgedehnterem Maße berücksichtigt wurde.

Am 8. August 1774 wurde diese Schulordnung publiziert, aber den gewünschten Fortgang nahm die Sache doch wieder nicht. Braun zog sich verlebt zurück und übte abfällige Kritik an dem ganzen Unternehmen. Schließlich wurden die beiden k. Oberschuldirektoren Steeb und Kohlmann der Freigeisterei, des Atheismus und Deismus bezichtigt. Ein von Westenrieder verfasster Katechismus gab Veranlassung zu heftigen Streitigkeiten darüber, ob die Religion in gebührender Weise berücksichtigt worden sei. Um dem unerquicklichen Streit zwischen den Vertretern der humanistischen und realistischen Richtung ein Ziel zu setzen, übertrug der Kurfürst die Überprüfung der vorliegenden Pläne Wiener Schulmännern.

Das Ergebnis war ein dritter Plan, der wieder einen Kompromiss zwischen Braun einerseits, Steeb und Kohlmann anderseits darstellt. Jetzt trat allmählich Beruhigung ein und in den Jahren 1775-77 konnten die Schuldirektoren Steeb und Kohlmann in unbeugsamer Tatkraft die Errichtung von Realschulen an kleineren Orten des Landes betreiben. Hierbei wurde auch mit der bisherigen Gewohnheit nur Geistliche als Lehrer zu verwenden in weitgehendent Maße gebrochen. Wo das Bedürfnis sich zeigte, wurden Parallelabteilungen ins Leben gerufen. Die Berichte über den Unterrichtsbetrieb bekundeten erfreuliche Resultate. Dies gilt auch von der Realschule in Ingolstadt, welche Ickstadt mit Erlaubnis des Kurfürsten nach eigenem Ermessen einrichten durfte. Westenrieder, gewiß ein zuverlässiger Berichterstatter über seine Zeit, bezeichnet gerade die Periode von 1774-77 als unvergleichlich und für immer unvergesslich und einzig dastehend.

Einen schweren Verlust für das Realschulwesen bedeutete des greisen Ickstadt Tod im Jahre 1776. Braun, welcher sich durch sein Organisationstalent der Regierung empfahl, trat wieder auf den Plan; aber seine Maßnahmen kamen mehr dem Gymnasium zu gute, waren übrigens durch eine weit getriebene Sparsamkeit diktiert. In Verfolgung seines früheren Planes teilte er die vorhandenen Realklassen in eine Realklasse und eine Prinzipienklasse als Vorbereitungsklasse für das Gymnasium. An kleineren Orten vereinigte er die beiden Klassen miteinander und stellte Repetitoren auf, damit die Schüler, welche sich später dem Gymnasium widmeten, getrennt von den künftigen Studierenden unterrichtet wurden. Wurden dadurch die Ausgaben für den Personalstatus um etliche 10.000 Gulden reduziert, so entfremdete sich Braun einen Teil des Publikums dadurch, dass er die Realschule als eine Art Schule zweiten Grades behandelte, in welche er alle Gymnasialschüler mit geringerer Begabung verwies. Doch waren die Verhältnisse im allgemeinen nicht ungünstig. Es geschah trotz aller Sparsamkeit von aufgeklärten Männern manches für die Schule nach den Grundsätzen einer verbesserten Methode.

Als Karl Theodor den Thron bestieg, versuchten die reaktionären Elemente in einem geschlossenen Ansturm die auf moderne Gestaltung abzielenden Einrichtungen und Bestrebungen über den Haufen zu werfen. In der ersten Zeit jedoch leistete der Kurfürst diesen Versuchen energischen Widerstand. ,,Die bayerischen Schulen“, wie Westenrieder in seiner „Geschichte der Akademie“ schreibt, „waren 1778 und blieben noch einige Jahre musterhaft bestellt. Man hatte damals den seligen Mittelweg gefunden und von den beiden Abwegen des Zuwenig und zuviel sich zu entfernen gewusst. Indem man auf den bäuerlichen Gymnasien die gründlichste Erlernung der klassischen Sprachen für ebenso wichtig als die vollkommenste Erlernung der vaterländischen Sprache und Literatur hielt, hatte man sich mit behutsamer Klugheit vor dem Zeitgeist gehütet, die jugendlichen Köpfe ganz und gar zur Unzeit mit einer Flut von sogenannten philosophischen Gegenständen zu überschütten und Lehrern und Schülern alles wirkliche Lernen verhasst zu machen.“ Auch Nikolai in seiner Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781 gibt eine Besserung des Schulwesens zu. Sie bestand in guten Schulbüchern, in der Besetzung von Schulstellen auch mit Weltlichen und nicht bloß mit Geistlichen allein. In der Folge bereitete ein verhängnisvoller Schritt des Kürfürsten allen erfreulichen Ansätzen und Entwicklungen ein frühzeitiges Ende.

Um seinen nicht thronbürtigen Sohn zu versorgen, gründete Karl Theodor aus den Gütern des Jesuitenordens, welche bisher den Schulfond gebildet, einen bayrischen Zweig des Malteserordens. Für die Schule mussten deshalb andere Hilfsquellen erschlossen werden. Waren bisher ihre Real- und Personalexigenz aus den Zinsen des Schulfonds bestritten worden, so mussten die Schulen jetzt wieder den Prälaten überlassen werden, welche Lyzeen, Gymnasien und Realschulen mit Lehrern besetzten. Zugleich wurden in die Schuldirektion Männer berufen, welche ebenfalls dem Prälatenstande angehörten. Im Gegensatz zu dem fanatischen Aufklärer Nikolai, der über die Mönche als Lehrer zetert und klagt, daß Jesuiten und andere Ordensleute um die Schule rauften, muß anerkannt werden, daß die vom Staate gänzlich verlassene Mittelschule eine dankenswerte Zufluchtsstätte bei der Kirche gefunden hatte. Aber wenn unter der neuen Leitung die modernen realistischen Studien keine besonderen Fortschritte machten, kann das nicht wunder nehmen. Die führenden Männer waren ja selbst nicht auf diesen Gebieten bewandert und mussten dem Gymnasium als Bildungsstärke für dte künftige Geistlichkeit wieder ihr Hauptaugenmerk zuwenden.

So war die Realschule ein Stiefkind der Schulverwaltung geworden. Eine immer stärker einsetzende politische Reaktion, durch die der alternde Kurfürst namentlich nach der Aufdeckung des Illuminatismus jede freiheitliche Regung niederhielt, und die traurigen Wirren und Unruhen im Gefolge der französischen Revolution, welche die Aufklärung wie das Studium der Naturwissenschaften bei den Regierungen in Verruf brachten, waren der Entwicklung des realistischen Schulwesens gewiss nicht günstig. Da trat in Bayern um die Wende des 19. Iahrhunderts ein folgenschwerer Thronwechsel ein. Mit Max III. Josef aus dem Hause Zweibrücken-Birkenfeld bestieg der Fürst den bayrischen Thron, welcher mit seinem Staate auch das Schulwesen vollständig neu zu gestalten willens war.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die bayerische Oberrealschule vor 100 Jahren.