Die Zwerge bei Hitzacker. (geschriebene Chronik der Stadt Hitzacker)

Aus: Volkssagen, Märchen und Legenden Niedersachsens
Autor: Gesammelt und Herausgegeben von Harrys, Herrmann, Erscheinungsjahr: 1862

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Sagen, Märchen, Legenden, Norddeutschland, Niedersachsen, Überlieferungen, Hitzacker, Schlossberg, Zwerge, Unterirdische,
Es ist eine alte Sage, welche alte Leute von ihren Großeltern und diese wieder von ihren Vorfahren gehört haben, dass vor Zeiten in den Bergen um Hitzacker und besonders in dem Schlossberge kleine unterirdische Leute als Zwerge sich aufgehalten haben, welche sich zwar sehr selten sehen lassen, doch aber gegen die Einwohner dieses Orts sehr guttätig sich erwiesen und mit ihrem Hausgeräte bei Hoch leiten und andern dergleichen feierlichen Handlungen an die Hand gegangen.

Insonderheit wird von ihnen erzählt, dass sie den Bürgern, wenn sie brauen wollen, auf ihr Begehren eine Braupfanne geliehen und hatte man in solchen Fällen nur einen Dienstboten oder Kind nach dem Berge geschickt, welche jene unsichtbaren Einwohner im Namen dessen, so dieser Willfahrung bedürftig gewesen, einen Gruß vermeldet mit der Bitte, die gedachte Pfanne oder anders Hausgeräte auf ein paar Tage zu leihen. Hierauf nun sei der Bote wieder zurückgegangen, und hat man des folgenden Morgens oder bald hernach das Verlangte am Berge stehend gefunden.

Wenn man nun solches gebraucht, hat man es wieder an die vorige Stelle gebracht, auch einen Krug frisch Bier mit einem frischen Brot darein gesetzt, nebst einer Danksagung im Namen des Hauswirts und der Wirtin. Die unterirdischen Zwerge haben dann solches geliehene Geschirr wieder in den Berg genommen, jedoch ganz unvermerkt, so dass kein Mensch erfahren können, wie es damit zugegangen.

Als einstmalen ein Handwerksbursche vorüber gegangen, hat er die Pfanne nebst Bier und Brot allda, ehe die Zwerge sie abgeholt, gefunden, und weil er vor Hunger und Durst ganz ermattet, sich daran erquickt; hat sich dann aber sehr undankbar und unverschämt erzeigt, und die Pfanne ganz verunreinigt, weshalb denn auch nach der Zeit man die Pfanne nicht mehr wie vormals gefunden, sondern bemerkt hat, dass den Bürgern vielmehr Schaden zugefügt und ihnen von den Unterirdischen das Bier in den Kellern ausgeschöpft wurde. *)

Bald darauf kam auch ein klein Männlein zu dem Fährmann und begehrte von ihm, des folgenden Tags auf bestimmte Zeit und Stunde mit der Fähre an gedachtem Orte sich einzufinden und um genügsame Bezahlung etliche Personen überzufahren. Als der Fährmann abgeredeter Maßen sich am Berge eingefunden, ist eine fast unzählige Menge kleiner Leute in die Fähre gegangen, so dass er nichts als die Köpfe sehen können, und er darauf befehligt, die Männlein ans jenseitige Ufer überzusetzen. Nachdem er solches etliche Male wiederholt, ist ihm von dem kleinen Männlein eine reichliche Belohnung an Gelde gegeben, und nach der Zeit hat man nichts mehr von solchen unterirdischen Einwohnern und Zwergen vernommen. **)

Sonst sollen sie auch den ungetauften Kindern sehr nachgestanden sein und dieselben zum öfteren vertauscht haben. So berichtet man von dem lange verstorbenen Bürgermeister Johann Schnitzen, man habe, als seine Mutter mit ihm in den Wochen gelegen, wahrgenommen, dass in der Nacht ein ganzes Heer kleiner Leute ins Haus gekommen, sich um den Feuerherd gesetzt, Feuer angeschlagen und angezündet, und dabei ein kleines Kindlein gewärmt, welches sie gedacht umzutauschen. Als aber die Mutter darüber aufgewacht und eben das Kraut Orant in der Wiegen gehabt, hätten sie deren Kind nicht mit fortbringen können, sondern fallen lassen, wovon es auch ein Zeichen an dem einen Augbraunen behalten.

*) Vergl. die Zwerghöhlen in den Harzsagen
**) Vergl. Zwergüberfahrt.

Hitzacker an der Elbe, Niedersachsen

Hitzacker an der Elbe, Niedersachsen