Die Tuilerien.

Der kluge König Ludwig XII sagte in einem Anfall von Unwillen, „wir sparen vergeblich, der dicke Junge wird wieder Alles verderben.“ Hiermit meinte er seinen Nachfolger Franz I, der auch nur gar zu bald den königlichen Schatz leerte. — Nicolaus Neuville, derselbe, dem dieser Franz, als er Geld brauchte, im Jahr 1522 um die Summe von 50,000 Franken das Einkommen aller Gerichtsstuben und Obergerichte zu Paris verkaufte, besaß damals noch außerhalb der Hauptstadt ein Haus nebst Garten, in dessen Nähe man Ziegel brannte, und diese Gegend wurde im vierzehnten Jahrhundert, la Sabloniere (die Sandgrube) genannt. Carl VI gab ihr aber den Namen Tuileries (Ziegelbrennerei.) Er befahl zu gleicher Zeit, daß alle Schlächtereien von Paris künftig außerhalb der Stadtmauern verlegt werden sollten, und zwar in die Nähe der Tuileries Saint Honore, die an dem Seinefluß liegen.

Franz I machte die Besitzung der Neuville, welche er durch einen für sich sehr nachtheiligen Tausch, indem er das Gut Chantelon bei Montluzi dafür gab, an sich gebracht hatte, seiner Mutter Louise von Savonen zum Geschenk, die ihren bisherigen Aufenthalt, das Hôtel des Tournelles, für ungesund ansah.


Nur kurze Zeit bewohnte die Königin Mutter das Hotel der Tuilerien. Im Jahr 1525 übergab sie es dem Haushofmeister des Dauphins und seiner Gattin zum lebenslänglichen Genuß. —

Als Catharina von Medicis eine besondere Wohnung für sich zu haben wünschte, und nicht länger mit ihrem Sohne im Louvre zusammenwohnen wollte, der auch 1564 durch ein Edikt das Niederreissen des Schlosses Tournelles befohlen hatte, wählte sie die Tuilerien zu ihrem künftigen Wohnort, kaufte noch mehrere Gebäude und Ländereien, welche die Ziegelbrennerei umgaben, und ließ im Monat Mai 1564 die Grundlage zu dem neuen Gebäude legen. Die Gärten wurden nun mit einer hohen Mauer von dem einen Ende umgeben, und zum andern Ufer der Seine wurde eine Bastion angelegt, zu welcher der König den 11. Januar 1566 den Grundstein legte.

Mehrere Baumeister, unter ihnen Delorme, hatten ihre Pläne zu einem Schloß vorgelegt, welches noch größer geworden wäre, als das welches jetzt steht, die jedoch nicht vollständig ausgeführt wurden.

Zuerst wurde der große Pavillon des Centrums aufgeführt, der nebst den beiden Seitengebäuden und den zwei Pavillons, die sie flankiren, lange Zeit den Palast der Tuilerien ausmachten.

Unter Heinrich IV wurden auf derselben Linie, gegen Süden und Norden noch zwei Corps de Logis und ein großer Pavillon hinzugefügt, so daß die Fa?ade, welche unter Carl IX nur 80 Toisen Länge betrug, jetzt 168 hatte. Erst unter Ludwig XIII wurden die beiden Pavillons an den äußersten Enden vollendet, und noch gegen das Ende seiner Regierung standen in dem Hofe des Schlosses die Oefen der Ziegelbrennerei, und waren im Gebrauch, der Garten aber war durch eine Straße von dem Schlosse selbst getrennt. Im Jahr 1664 trug Ludwig XIV dem Baumeister Levau auf, den Pallast der Tuilerien zu vollenden. Der Pavillon in der Mitte erhielt statt der bisherigen runden Kuppel einen viereckigen Dom, und zwei neue Arkaden, eine im corinthischen, die andere in einem gemischten Styl, nur das Rez-de Chausée (gleicher Erde) blieb unverändert, wie es Philibert de l’Orme erbaut hatte, auch noch andere Veränderungen fanden statt, es hielt aber Levau und seinem Schüler Orbay schwer, eine gewisse Einheit in das ganze, in so verschiedenen Zeiten, Formen und Stylen erbaute Gebäude zu bringen. Die Gallerie, welche die Tuilerien mit dem Louvre verbindet, wurde schon unter Heinrich IV errichtet, das Innere desselben aber erst im Jahre 1862 während der Republik vollendet, und der Fußboden gelegt.

Das Rez-de Chausée der beiden Fa?den des Urgebäudes ist mit Pilastern und Säulen von jonischer Ordnung geschmückt, allein in den Verzierungen herrscht weit mehr Ueberfluß als Geschmack. Ludwig XIV sah mehr auf das Aeußere als auf das Innere, er ließ die Bas-Reliefs an den großen Pavillons verfertigen, so wie alle die, welche man an den Gallerien, sowohl nach der Seine hin, als nach dem Carousselplatz zu erblickt. Unter diesen Bas-Reliefs, die alle in einem sehr schönen Style gearbeitet sind, findet man einige Emblemen, (Sinnbilder) welche sowohl den lächerlichen, eingebildeten Hochmuth dieses Königs, als die niedrige Schmeichelei seines Hofgeschmeißes verkünden. Da erblickt man in ihm die Sonne, welche die Welt durch ihre Strahlen befruchtet, und den Ueberfluß aus zwei Füllhörnern schüttet, dann wieder die Sonne (einen Ludwig XIV vorstellend) wie sie die Weltkugel erleuchtet, u. s. w. und diese Sonne stand doch unter dem gestrengen Pantoffel einer Maintenon, nachdem sie so manche andere zweideutige Schönheit hatte, wo nicht erleuchten, doch erwärmen müssen, und ging endlich total verfinstert unter.

Der früher durch die Straße der Tuilerien getrennte Garten enthielt ein großes Vogelhaus, einen Teich, einen Kaninchengarten, eine Menagerie und eine Orangerie, und war durch eine dicke Mauer, einen Graben und eine Bastion geschützt. Nahe an derselben war ein Stadtthor, das Conferenzthor genannt.

Le Notre erhielt 1565 den Auftrag, den Garten neu anzulegen. Er wurde nun gänzlich umgestaltet, zwei Terrassen mit Bäumen bepflanzt, umgaben denselben; durch einen Zwischenraum, den man offen ließ, konnte man ganz die elisäischen Felder übersehen. Mehrere Vasen, Statuen, Buchsbaum, zu den verschiedenartigsten Figuren beschnitten, und ein Parterre mit Taxus bepflanzt, machten dessen Herrlichkeiten unter Ludwig XIV aus. Jetzt ist er abermals und sehr glücklich verändert. An das Parterre stößt ein großes Bosquet, jenseits desselben befindet sich ein weites Bassin. Alle Parthien, die Terrassen und der Garten sind mit einer großen Anzahl Vasen, Bildsäulen und Marmorgruppen verziert, die theils den Antiken nachgezeichnet, theils durch die Talente der berühmtesten Bildhauer der neueren Zeit erschaffen würden. Die vorzüglichsten Kunstwerke sind: die Gruppe, wie Aeneas nach der Einnahme von Troja seinen Vater Anchises entführt, und seinen Enkel Askan an der Hand führt, von Lepautre. Der Tod der Lukretia von Thédow in Rom begonnen, und von Lepautre beendigt. Eine vollendete Vestalin von Legros. Vier kolossale Gruppen, von denen zwei den Nil und den Tiber vorstellen, die beiden andern Piedestale tragen eins die Seine und die Marne, das andere die Loire und den Loiret, alle durch Franzosen verfertigt. An dem Gitter, welches auf die elisaischen Felder führt, sieht man zwei sehr schöne Marmorgruppen, von denen die eine das Renommée vorstellt, wie sie auf einem geflügelten und ungezügelten Roß sitzend, in eine Trompete stößt, und über eine Trophäe setzt; die andere ist ein Merkur, gleichfalls auf einem Vogelpferd sitzend, das über ein Waffenbund (Fasces) setzt, aber gezügelt ist. Leicht ist zu errathen, warum der Künstler Coizevor, die Renommée ungezügelt davon fliegen läßt, während Merkur sein Roß am Zaum hält. 1819 wurden an die beiden Enden der Terrasse, welche auf den Platz Ludwig XV geht, noch zwei große schöne Löwen von weißem Marmor aufgestellt. Die ganze Länge dieses jetzt mit breiten Gängen und Alleen durchschnittenen Gartens ist 376 Toisen, seine Breite 168.

Im Jahre 1717 hatte man an der Seite, welche auf die elisäischen Felder führt, eine Dreh-Brücke, eine Erfindung des Augustiner-Mönchs Nicolaus Bourgeois, angelegt, über welche man am Tage über den Graben in den Garten gelangt, während sie des Nachts getheilt, an den Rand der Mauer gestellt wurde, und so gleich einer Zugbrücke den Graben offen ließ. Dem Czar Peter I gefiel diese Erfindung außerordentlich und machte ihm viel Spaß, als er in Paris war.

Catharina von Medicis bewohnte das für sie mit ungeheuren Kosten erbaute Schloß nur sehr kurze Zeit, und ließ bald eine prachtvolle neue Wohnung für sich aufführen. Warum? — ein Astrolog hatte ihr geweissagt, daß sie an einem Ort sterben würde, der St. Germain genannt würde, und die Tuilerien lagen im Kirchsprengel von St. Germain l'Auxerrois. Von diesem Augenblick an mied dieses eben so abergläubische, schwachsinnige und furchtsame, als hochmüthige ränkevolle und grausame Weib, alle Orte und Kirchen, die den Namen St. Germain führten, mit äußerster Behutsamkeit. Mit abermals enormen Kosten ließ sie jetzt das Hotel Soissons für sich erbauen. Aber auch hier hatte die schändliche Urheberin und thätige Theilnehmerin der Pariser Bluthochzeit, die Vergifterin ihres Stiefsohnes, unter deren Herrschaft Frankreich in jeder Hinsicht in das tiefste Elend versunken war, eben so wenig Ruhe. — Wie konnte dieß auch anders bei einem Weibe seyn, das auf der einen Seite so gefürchtet war, als es Ursache hatte, sich zu fürchten, und dem dümmsten Aberglauben unterlag, dessen sich heut zu Tage ein altes Höckerweib schämen würde. Ein jeder alter Wahrsager mit braungefärbten, eingefallenen Wangen reichte hin, durch seine elenden Orakel die Frau Königin in die sichtbarste Angst auf Monden lang zu versetzen.

Seit Ludwig XIII hatten die Könige immer nur auf kurze Zeit in den Tuilerien residirt. Unter Ludwig XIV und seinen Nachfolgern befand sich der ganze Hof fast immer in Versailles. Der unglückliche Ludwig XVI schlug gegen das Ende des verhängnißvollen Jahres 1789 seine Residenz daselbst auf, um von hier in den Kerker, und von da auf das Schaffot zu gelangen. Die furchtbar-merkwürdige Einnahme dieses Schlosses in dem Jahre 1792, theilen wir unsern Lesern aus dem Werke „Unsere Zeit“ im Auszug mit. —