Geschichte und Beschreibung der Stadt.

Frankreichs und der Moden Hauptstadt, und beinahe seit einem halben Jahrhundert der Feuerheerd, an dem alle europäische Revolutionen wenn nicht geschmiedet, doch entzündet werden, der Tummelplatz aller sogenannten unruhigen Köpfe, und der Hauptplatz und Markt des Papier-Schachers, einer moralischen Cholera, an der alle, die damit befallen sind, zuletzt drauf gehen müssen.

Ihr Ursprung verliert sich in die Finsterniß der grauen Vorzeit. Ungefähr 50 Jahre vor der christlichen Zeitrechnung fand Cäsar auf der Insel, welche man jetzt die Cité nennt, einen ärmlichen Flecken, von den Galliern Lutetia oder Leutitia genannt; einige Geschichtsschreiber wollen diesen Namen von einem gallischen Prinzen Lucus ableiten, andere von dem lateinischen Wort lutum, welches soviel als Koth, Schlamm, bedeutet, weil der Ort von Morästen umgeben war, das Wahrscheinlichste ist aber, daß es aus dem Celtischen abstammt. Das Wort Paris aber verdankt seinen Ursprung dem Volk, dessen Hauptstadt es war, und welches Cäsar, Strabo, Ptolomäus u. a. mit dem Namen Parisii bezeichnen, und das eine der 64 Provinzen bewohnte, welche den Staat der Gallier bildeten. Lächerlich ist die Fabel, durch welche mehrere ältere französische Geschichtsschreiber das Wort Paris von dem trojanischen Paris ableiten wollen, indem sie behaupteten, die Stadt Paris sey durch einen Prinzen Namens Francus, einem Sohne Hektors, gegründet worden, der bei der Zerstörung von Troja dem Tod entgangen, und nachdem er die Stadt Troyes in der Champagne erbaut hätte und König in Gallien geworden wäre, die Stadt Paris gegründet habe, welcher er den Namen seines Oheims, des schönen Paris beigelegt habe. — Diese kühnen Ursprungs-Fabrikanten sind aber hierbei nicht stehen geblieben, sondern haben sogar ganze Geschlechtsregister von trojanischen Fürsten, die über Gallien geherrscht haben sollen, fabricirt, und um ihre Behauptungen zu unterstützen, diesen Prinzen direkt von Samothes, dem Sohne Jephtha's und Noah's Enkel abstammen lassen, indem diese so unwissenden als unsinnigen Schreiber, gleich dem stupiden Erbadel wähnten, daß das älteste Herkommen auch zugleich das ehrenvollste seyn müsse. Nicht minder abgeschmackt ist die Meinung derjenigen, die das Wort Paris von einem gewissen König Isis oder der Göttin Isis ableiten wollen, und welche sie beide mit Francus als die Gründer von Frankreichs Hauptstadt anzusehen vorgeben. Niemals hatte dieses Volk einen Cultus der Isis, und ein dem Jupiter geweihter Altar, den man unter dem Chor der Hauptkirche Notre Dame entdeckte, enthielt alle Namen der römischen und gallischen Gottheiten, welche die Parisii verehrten, aber der der Isis war nicht darauf zu finden. Auch erwähnt Cäsar, welcher der erste Schriftsteller ist, der von diesen Völkern redet, von all diesen Mährchen nichts, die erst viel später erfunden und leichtgläubigen Schwachköpfen von Schmeichlern und Pfaffen aufgebürdet wurden. — Wie dem nun auch sey, so war doch Lutetia lange Zeit die Hauptstadt der Parisii, d. i. der Gallier, die beinahe ganz das heutige Isle de France besaßen, als Cäsar nach Gallien kam. Er wollte sich derselben bemächtigen und schickte Truppen gegen diesen Ort, der damals nur aus einigen hölzernen Häusern, mit Rohr gedeckt, bestand, und ungefähr den Theil der heutigen Insel Notre Dame einnahm. Da die Einwohner noch keine Brücke hatten, so trieben sie mit kleinen Fahrzeugen ihren Handel. So wagten sie auch, den römischen Truppen auf ihren platten Fahrzeugen entgegen zu gehen, und wurden geschlagen. Cäsar, nachdem er sich der Stadt bemeistert hatte, umgab sie mit Mauern, befestigte sie mit Thürmen und baute daselbst einen Pallast für den Proconsul und die übrigen Beamten. Man glaubt, daß dieser Pallast in der Gegend lag, wo jetzt das Palais de Justice steht. Der Kaiser Julian hielt sich daselbst auf. Zu jener Zeit gelangte man zur Stadt auf zwei hölzernen Brücken, wovon die eine gegen Mittag, die andere gegen Mitternacht sich befand. Nachdem sie die Residenz der fränkischen Könige geworden war, vergrößerte sie sich schnell. Im 6ten Jahnhundert betrug die Länge dieser Stadt 380 Toisen, so wie ihre Breite 150*).


Das heutige Paris hat ohne seine 10 Vorstädte einen Umfang von nicht weniger als 42,000 Fuß, und mit denselben 54000 (8 Stunden), und liegt auf einem 10,000 Morgen großen Flächenraum in einer sehr schönen mit herrlichen Villen und Gärten geschmückten und trefflich bebauten Ebene, die gegen Norden der bekannte Hügel Montmartre begränzt. Die Seine theilt die Stadt und bildet drei beträchtliche Inseln. Ueber 4000 Reverberen und mehr als 10,000 Laternen erleuchten jede Nacht die ungeheure Stadt, die in 12 Munizipalitäten und 48 Quartiere getheilt ist. Sie hat jetzt 1093 Straßen, 110 Plätze, 150 Sackgassen, bei 160 Durchgänge, ein halbes hundert Carafours, 22 Boulevards, 32 Kai's, 8 Häfen, 10 Hallen, an 40 Märkte, weit über 30,000 Häuser und nach der letzten Zählung im Jahre 1828 nahe an 800,000 Einwohner. — Die Straße St. Honore ist 860 Toisen lang. Ueber die Seine führen 16 Brücken und 58 Barrieren führen in die Stadt. Kirchen zählt Paris nur 40, unter denen 4 protestantische sind, dagegen aber über 400 Palläste, Hotel's genannt, unter denen 22 Ministerial- und Administrationsgebäude sind. 84 große öffentliche Brunnen versehen die Stadt mit Wasser, 26 davon schöpfen es aus der Seine, die übrigen aus dem Oureg Kanal, außerdem sind noch 7 Reservoirs vorhanden. Eine Universität, 4 Liceen, 12 Seminarien, 40 Institute, 24 Spezialschulen, die polytechnische Schule, das Conservatorium der Musik, die Musikschule, die Mosaik-Lehranstalt die der schönen Künste, der Steinschneiderei, zwei Zeichenschulen, das Institut der Taubstummen, das der Blinden, sorgen nebst noch 70 Privatanstalten und Congregationen für den hohen und niederen Unterricht jeder Art, und für alle Stände und Gewerbe sind Künstler und Handwerksschulen da. Ein Dutzend Krankenspitäler für jedes Geschlecht, Alter und Bedürfniß, zum Theil mit vortrefflichen Einrichtungen und sorgsamer Pflege, besonders wo Nonnen die Krankenwärterinnen sind, öffnen ihre mildthätigen Pforten der leidenden Menschheit. An 13 Theater und Circus, mehr als 400 öffentliche Gärten, unter denen einige, wie l’Elysée, der türkische Garten, Paphos, Frascati, Tivoli u. s. w. die mannigfaltigsten und seltensten Parthien enthalten, sorgen nebst den vielen öffentlichen Spaziergängen für das Vergnügen der Pariser, so wie 3000 Kaffeehäuser, und eben so viel Restaurationen, über 600 Garküchen, und noch mehr Limonadieren, an 2000 Cabarets und Tabagien nebst 80 großen Gasthöfen und 600 Hotels-garni für das Bedürfniß Hungriger, Durstiger und Müder sorgen. 2000 Fiaker, anderthalbtausend Stadtwagen, 2000 Wagen, 3000 Cabriolets, eine Menge Omnibus, Dames blanches u. s. w. sind fortwährend mit dem schnellen Transport der Einwohnerschaft beschäftigt. Man rechnet, daß die ungeheure Stadt jährlich an 80,000 Ochsen, 20,000 Kühe, über 100,000 Kälber, 200,000 Hämmel, 550,000 Schweine, 200,000 Centner Fische, bei 2 Millionen Stück Geflügel aller Art; Millionen Krebse, mit 20 Millionen Maaß Wein, 40,000 Tonnen Bier und Cider und 10,000 Tonnen Brandwein verschlingt. Eier, Buttern, u.s.w. lassen sich kaum berechnen, und Tabacksrauch geht für beinahe 1 Million Gulden in die Luft, Brennholz für noch mehr, und der Caffeebohnen werden mehr als Sand am Meer geröstet und zermahlen. Auch Millionen Austern muß das Meer alljährlich für Paris produciren.




*) Eine Toise ist ein Längemaaß von 6 Pariser Fuß.