20. Der geigende Pfarrer.

Unweit Tangermünde liegen dicht bei einander zwei Dörfer, Ost- und Westheeren. Beide haben nur einen Pfarrer, und auch nur eine Kirche, die mitten zwischen ihnen liegt. Zu einer Zeit war der Pfarrer an dieser Kirche ein gar leichtsinniger Mann, der lieber auf dem Tanzboden, als am Altare war. Eines Tages, am heiligen Pfingstfeste, als die Bauern aus beiden Dörfern zum Tanzen versammelt waren, nahm er sogar selbst die Geige in den Arm und spielte den Bauern zum Tanze auf. Für solchen Frevel traf ihn aber der Zorn des Himmels. Denn es entstand urplötzlich ein schweres Gewitter, und es kam ein langer, scharfer Blitz, der erschlug zwanzig Bauern, und mit ihnen den Pfarrer, dem die Geige im Arme zerschmettert wurde. Dies geschah Anno 1203.

Eine andere Sage berichtet diese Geschichte aus dem Dorfe Ossemer bei Stendal. Das Gewitter soll danach vier und zwanzig Bauern getödtet, dem Pfarrer aber nur die rechte Hand, mit welcher er den Fidelbogen geführet, abgeschlagen haben.


Andreas Angelus Annales March. Brand. pag. 94.
Ueber die Altmark. I. 231. II. 302.
Geschichte der Stadt Tangermünde von Pohlmann und Stöpel S. 368.
Bünting, Braunschweig. und Lüneburgische Chronik. I. 66. 79.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Volkssagen der Altmark