Vorwort

Der vorliegende schwache Versuch, die Völker Europas in kurzer und populärer Weise zu schildern, entstand aus einer Reihe von Vorlesungen, die ich im Verlaufe von zwei Wintern vor einem kleinen Publikum von Herren und Frauen aus den gebildeten Ständen in meiner Vaterstadt Bremen hielt. Mein Plan bei diesen Vorlesungen war folgender:

Nach einer allgemeinen Schilderung unseres Kontinents, so wie nach einem Hinblick auf die benachbarten Weltteile Afrika im Süden, und Asien im Osten, sowie auf die Einwirkung ihrer Bevölkerung auf Europa, gruppierte ich die Völker Europas in zwei große Abteilungen, eine östliche und eine westliche.


An die Spitze der östlichen Gruppe stellte ich die Betrachtung der Griechen, ihrer Nachbarn und Nachfolger, ging dann zu den slawischen und weiterhin den finnischen Völkern über, indem ich dieser östlichen Gruppe zugleich die Juden und Zigeuner anschloss.

An die Spitze der westlichen Gruppe stellte ich die Bewohner Italiens, ließ ihnen die anderen romanischen Völker folgen, und schloss das Ganze mit einer Schilderung Deutschlands und der Deutschen, des Herzens und der Mitte Europas, um die ich mich gleichsam im Kreise herumbewegt hatte.

In jedem der einem besonderen Volke gewidmeten Abschnitte bemühte ich mich zuerst, nach einer kurzen Schilderung der Natur und Begrenzung des Wohnsitzes, die frühesten Urbewohner, über die wir mit unserer mangelhaften Geschichte nicht hinaus können, nachzuweisen, — dann die wichtigsten der geschehenen Einwanderungen, welche gleichsam die Bestandteile oder Elemente zu der mit ihrer Hülfe sich ausbildenden Nationalität hergaben, hervorzuheben, — und endlich das aus diesem Werde-Prozesse fertig gewordene Volk selbst zu porträtieren, — dabei seine Grund- und Haupt-Anlagen und die ihm anerzogenen Eigenschaften anzudeuten, und endlich die Rolle, welche es in Folge davon in unserer Kulturgeschichte gespielt hat, und die Stellung, welche es in dem „europäischen Konzert“ behauptet, in den wichtigsten Momenten zu bezeichnen.

Bei diesem Unternehmen, über dessen Schwierigkeit ich hier nichts weiter sage, benutzte ich zum Teil die eigenen Beobachtungen, die ich auf verschiedenen Reisen gesammelt hatte, und die Ansichten, die sich dabei in mir von Land und Leuten gebildet hatten. Weit nützlicher aber noch waren mir dabei die Werke anderer Schriftsteller, Geographen, Historiker und Reisenden, deren Aussprüche ich, wenn sie mir treffend schienen, meinen Auslassungen einverleibte. Das Buch gehört daher kaum zur Hälfte mir selber an. Es kann größtenteils nur als eine Zusammenstellung der Meinungen Anderer gelten, bei der ich mich indes nach Kräften bestrebte, kritisch zu verfahren. Häufig habe ich meine Gewährsmänner genannt. Wenn es nicht immer geschehen ist, so mag dies darin eine Entschuldigung finden, dass es mir hier kaum möglich war, alle Werke, denen ich etwas entlehnte und verdankte, auch nur dem Titel nach zu bezeichnen

Bremen, im Oktober 1867 und November 1872.
Der Verfasser.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Völker Europas