Die Vermählung des Staats und der Kirche - Eine Parabel.

Aus: Freimütiges Abendblatt, Band 8 (1826)
Autor: J. Grapengießer, Beidendorf, Erscheinungsjahr: 1826
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Staat und Kirche, Landesgeschichte, Kirchengeschichte, Kultur- und Sittenbild
Der Staat, müde allein zu stehen in seinem schweren und mühevollen Beruf, fängt an sich umzusehen nach einer treuen Gattin, Gehilfin und Freundin. Er ist so glücklich eine zu finden von hoher Abkunft, ganz ausgerüstet mit allen Eigenschaften, welche erfordert werden, brauchbare, gute und fromme Kinder zu erzielen, die Kirche.

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Wer soll herrschen? So fragte man in Zeiten der Rohheit, da Gewalt für Recht gelten, und der Stärkere seiner Macht sich bedienen durfte zur Unterdrückung des Schwachen.
Wirklich bedient sich auch der Gatte des Übergewichts seiner Macht, lässt die noch junge und schwache Gattin oft die rohen Ausbrüche seines Zornes erfahren, und macht sie zur dienenden Magd.
Allein die Gattin gelangt zu größerer Bildung und einem gewissen Übergewicht des Geistes.
Sich vor Misshandlung zu sichern, wirft sie sich einem fremden Herrn und Beschützer in die Arme, und schwankt unablässig in der Treue zwischen dem eigenen und fremden Herrn.
Sonst so edel, so sanft und gut, jetzt zu leidenschaftlicher Herrschsucht aufgeregt, wird sie ein böses Weib. Sie sieht es gelingen, das stolze Werk, mit fremder Hilfe den eignen Gatten zu beherrschen und zu knechten.
Nun ist die Ehe erst unglücklich; nun ist des Misstrauens, des Kämpfens und Streitens kein Ende.
Trauernd sehen die Kinder, die unglücklichen, dem Zanke der Eltern zu; wie sie des hohen Zwecks ihrer Vereinigung vergessend, den eignen Leidenschaften sich ergeben, in blinder Wut.
Müde endlich des vergeblichen Kampfes, wirft die gerührte Gattin, dem fremden Oberherrn entsagend, sich in die offenen Arme des eigenen Gatten.
Ruhe und Friede herrscht nun in allen den Häusern, wo dies glückliche Verhältnis eingetreten, weit mehr Ruhe, als da, wo das alte Verhältnis zum Teil noch besteht.
Allein die häusliche Ruhe soll nicht in Gleichgültigkeit ausarten. Darum wollen beide Gatten oft sich erinnern, wie unentbehrlich sie sind einer dem andern, und beide zum Wohle des Ganzen sind.
Nun ist vom Herrschen nicht mehr die Rede: vielmehr tritt, bei ähnlicher Bildung, der edle Zustand der Gleichheit ein.
Zwar behält der Gatte, als der stärkere, sich vor die Regierung des Hauses, die Sorge für das leibliche Wohl, und das Recht der Bestrafung der Widerspenstigen und Bösen.
Aber auch die Gattin herrscht durch die sanfte Gewalt der Wahrheit und Liebe, einpflanzend in die zarten Gemüter der Kinder den Gehorsam gegen den Vater, die Scheu vor dem Unrecht, sie schützend und tröstend, und die Gebeugten zu himmlischer Hoffnung erhebend.
Dafür ist der Gatte auch der treue Beschützer der Gattin.
Er schützt sie bei den angebornen und erworbenen Rechten, die der Edle dem schwachen Weibe selbst auch da will erhalten wissen, wo kein Sprecher auftritt sie zu verteidigen.
Er schützt sie bei dem edlen Erziehungsgeschäft, welches sie, stets zu Hause, und durch keine andern Geschäfte zerstreut, besser wie der Gatte besorgt, und leiht ihr alle die Mittel, welche sie, in Beratung mit dem Gatten, als heilsam und nützlich erachtet.
Er schützt sie gegen die Verunglimpfungen ihrer entarteten Kinder, welche der mütterlichen Zucht entwachsen, undankbar vergessen, was sie der Mutter verdanken, und nur der Ehrwürdigen spottend, ihre sanfte Stimme verachten.
Nun ist der Gatte der Versorger und Ernährer der treuen Gefährtin, eingedenk des Wortes: „Niemand hat sein eigen Fleisch gehasset, sondern er nähret es und pfleget sein.“
Würdig ihrer edlen Abkunft und ihrer hohen Bestimmung gemäß, von Sorgen der Nahrung frei, soll sie leben; so will er es, damit sie ihr Ansehen nicht verliere durch die ärmliche Gestalt, worin sie auftritt in ihrem hohen Beruf.
Nicht im prunkenden Kleide, nicht im Flitterstaat der Eitelkeit mag er sie sehen, aber anständig, und rein, und edel, damit der Gemahl nicht zu erröten brauche ob des ärmlichen Ansehens der Freundin.
Dazu die Mittel zu haben, erwartet die Gattin um so mehr, je reicher der Brautschatz war, den sie entweder zubrachte dem Manne, oder durch welchen sie die Wiederversöhnung erkaufte.
Der edle Gatte wird nie des Weibes Vermögen zu seinem Nutzen allein verwenden, sondern, als weiser Berechner, alles mit zum Besten der Gattin verwalten.
Dafür ist die Gattin die sicherste Stütze des Mannes. Sie erleichtert ihm die schwere Pflicht der Regierung des Hauses, durch den Geist, welchen sie einhaucht den Seelen der Regierten, den Geist der Familienliebe, der Ruhe, der Bescheidenheit, der Demut, der Geduld, der Frömmigkeit.
Sie mischt sich nicht ein in die Geschäfte des Mannes, besonders nicht in die auswärtigen, welche nicht liegen im Kreise ihres Berufs.
Wohl aber teilt sie die Sorgen des Gatten mit zarter Weibestreue. Sie beuget den Unruhen des Hauses vor, indem sie die Klagenden beruhigt, die Leidenschaftlichen besänftigt, die Ehrgeizigen straft, die Rachesüchtigen versöhnt, den Kämpfenden die Friedenspalme bietet.
Sie ermuntert mit mütterlich-festem Ernst die Söhne zum Kampf, wenn es gilt, des Vaters Erhaltung und Leben, verteidigend die gute Sache mit lauter Stimme und rühmend die Großtaten derer, welche sie mit Selbstverleugnung beschützen.
Sie opfert auf von dem eignen Vermögen, wenn es sein muss, zur Rettung des Gatten, und sollte es ihr letztes Kleinod sein, überzeugt, dass der Gerettete um so dankbarer sein werde, um so treuer.
Das befürchtet sie nicht, dass der Gatte, eifersüchtig und schwach, weil sie, im Besitz stärkerer Mittel, der Kinderliebe und Vertrauen leichter gewinnet, sie ganz verlassen und traurig allein werde stehen lassen.
Ein solcher Witwenstand, ärger als der Tod oder die Scheidung, wäre gewiss der beweinenswerteste Zustand der Kinder des Hauses. *)
Beidendorf. J. Grapengießer.

*) Obige wenigen Gedanken sind veranlasst durch die von dem Herrn Konsistorialrat Ackermann gegebene Synodalfrage: Welches ist das Verhälinis des Staats zur Kirche? Einer der Herren Prediger, den ich nicht kenne, aber achte, hat den schönen Gedanken gehabt, jenes Verhältnis sei nicht das geschwisterliche, sondern das eheliche. So berichtet die meisterhafte Zusammenstellung, in welcher der würdige Herr Konsistorialrat das Resultat unseres Nachdenkens, wie gewöhnlich, schriftlich niedergelegt hat. Getroffen von der Wahrheit jenes Gedankens, der mir wert schien von mehreren beherzigt zu werden, habe ich ihn aufgefasst, und kein anderes Verdienst, als ihn weiter ausgebildet zu haben. J. Grapengießer