3. Er wurde einmal aus dem Rohrdickicht heraus beantwortet und darauf war Alles wohl eine halbe Stunde lang still wie im Grabe...



Er wurde einmal aus dem Rohrdickicht heraus beantwortet und darauf war Alles wohl eine halbe Stunde lang still wie im Grabe; dann scholl derselbe Ruf wieder aus dem Thal heraus. Die Schildwache, denn etwas Anderes konnte die hoch aufgerichtete dunkle Gestalt, die, an einem Stamm lehnend, dem geringsten Laut zu horchen schien, nicht sein, antwortete wie das vorige Mal, stieg dann den Weg, den sie gekommen, wieder hinunter, und in wenigen Minuten, als ihre Schritte in der Entfernung verhallt waren, lag die ganze Gegend so einsam und verlassen, als ob sie noch nie von einem menschlichen Fuß entweiht worden wäre.


Wohl noch eine Viertelstunde blieben die beiden Männer in ihrem Versteck, dann aber, als Alles sicher zu sein schien und sie glauben konnten, daß sich die Fremden wieder entfernt hätten, hob Thomson den Kopf, schaute einen Augenblick in das von dem jetzt hoch stehenden Monde erhellte Thal und wandte sich gegen seinen älteren Kameraden, der indessen ebenfalls aufgestanden war und wiederum nach dem Schloß seiner Büchse schaute, ob durch das Niederlegen des Gewehrs das Pulver nicht von der Pfanne gefallen sei.

„Nun, Preston, was hältst Du von der Erscheinung? – mir gefiel sie gar nicht; ich hatte einmal große Lust, vorzuspringen und dem langen Burschen das Messer in die Kehle zu stoßen – es wäre einer weniger gewesen!“

„Das würde so unbesonnen als thöricht gewesen sein,“ entgegnete mit halb unterdrückter Stimme der Angeredete, „und hätte unsern ganzen Plan nicht allein verderben, sondern uns auch der Rache sämmtlicher brauner Schurken preisgeben können. Nein – mir ist es jetzt klar geworden – die Burschen müssen mit ihrer Beute im Thal herabkommen und zwar im felsigen Bett des Bergstromes selbst, sonst hätte ich in früheren Jahren ihre Spur gefunden, und dieser lange Gesell war nur hier oben aufgestellt, um sie vor irgend einer Ueberraschung von unten her zu sichern, während sie indessen ihre Last zum Sammelplatz brachten, um dort nachher Alles bequem zusammen aufladen zu können. Wir haben aber jetzt keine Zeit mehr zu verlieren, denn wer weiß, ob sie den Weg noch mehr als einmal machen, und finden wir sie nicht beim Graben beschäftigt, so daß ich mir den Platz genau merken kann, so hilft unser ganzer Zug nichts.“

„Sie können aber doch unmöglich all’ das beste Erz in der Nacht finden und werden sicher ihre Arbeit noch nach Tagesanbruch fortsetzen,“ antwortete Thomson.

„Was sie am gestrigen Tage erbeutet haben, schaffen sie jetzt in Sicherheit und vernichten wieder alle Spuren, die sie hinterlassen könnten,“ entgegnete Preston; „nein, nein, auf Tagesanbruch dürfen wir nicht warten, überdies scheint es, als ob sie Verrath ahnten, was der Posten zur Genüge beweist. Komm also in’s Thal hinunter, wir schleichen durch den Schilfbruch, wo sie schwerlich eine Wache zurückgelassen haben und folgen leise dem Lauf des Flusses. Finden wir sie bei der Mine beschäftigt, so merken wir uns den Platz und entfernen uns wieder so schnell und leise als möglich, denn ich vermuthe nicht ohne Grund, daß sie diesmal in stärkerer Anzahl als gewöhnlich da sind. Laß sie dann, was sie gesammelt haben, mit fortnehmen, – wenn sie das nächste Mal wieder kommen, sollen sie’s schwerer finden, ihre ledernen Felleisen zu füllen, als bisher, das Silber müßte denn haufenweis in den Bergen vorkommen.“

Die Jäger stiegen jetzt vorsichtig in das enge Flußthal hinab, und krochen, Schlangen gleich, in den nicht sehr dicht stehenden kleinen Schilfbruch hinein, aufmerksam dabei auf das Geringste achtend, was ihnen Gefahr oder Entdeckung drohen konnte. Aber keine Wache war bei den Maulthieren, die ruhig weideten und die Anschleichenden gar nicht zu beachten schienen, zurückgelassen, und hoch aufathmend erreichten sie wieder den offenen Wald oberhalb des Schilfes, wo Preston schnell weiter eilen wollte, als ihn Thomson am Arme hielt und frug, ob sie nicht lieber das Silber erst aufsuchen sollten, was die Spanier schon irgendwo hierher getragen haben mochten.

„Geh zum Henker mit Deiner Thorheit!“ entgegnete mürrisch Preston – „nicht wahr, die Zeit hier mit Kinderspielen versäumen, um eine Sache aufzufinden, die wir nicht einmal anrühren dürfen, ohne augenblicklich Entdeckung fürchten zu müssen. – Komm, komm, wir können jeden Augenblick den wieder zurückkehrenden Schuften begegnen, und es wäre doch zu wünschen, daß wir sie hörten, ehe sie von unserer Nähe eine Ahnung hätten.“

Mit diesen Worten machte er sich von Thomson’s Hand los und glitt mit unhörbarem Schritt über die runden, glatten Kiesel des Flußbettes, von seinem Kameraden eben so geräuschlos gefolgt, wie zwei den Gräbern entstiegene dunkle Schatten der Unterwelt.

Wohl eine Meile mochten sie ungestört und ununterbrochen ihren Weg fortgesetzt haben, ohne auch nur das Geringste zu vernehmen, was die Nähe lebendiger Wesen hätte verrathen können, als sie plötzlich, dicht vor sich, Stimmen hörten, und kaum noch Zeit behielten, sich in den Schatten einer umgestürzten Platane zu werfen, ehe fünf dunkle Gestalten, mit kleinen Säcken auf den Rücken, die übrigens, dem gebückten Gehen der Männer nach zu urtheilen, ein bedeutendes Gewicht haben mußten, ihnen gerade entgegenkamen und lautlos, von einem großen Stein auf den andern tretend, dem Schilfbruch zuwanderten. Als sie nur noch wenige Schritte von dem Versteck der Jäger entfernt waren, blieb der Führer stehen und richtete einige Worte in spanischer Sprache an die ihm Folgenden; gleich darauf aber setzte er wieder seinen Weg fort und war bald mit seinen Begleitern an einer Biegung des Hurricane hinter einer Felsecke verschwunden.

„Verstandest Du, was der lange Schuft da in den Bart murmelte?“ fragte Thomson seinen neben ihm liegenden Gefährten.

„Nicht ein Wort,“ entgegnete dieser, „es ist das erste Mal, daß ich Spanisch reden höre; komm aber schnell, wir dürfen keinen Augenblick verlieren, vielleicht können wir die Mine noch entdecken, ehe Jene zurückkehren, denn, hol’s der Teufel, es sind ihrer doch mehr, als ich dachte, und die Burschen führen scharfe, lange Messer.“

Schnell und leise verfolgten Beide wieder wohl noch mehrere tausend Schritt den Lauf des kleinen Stromes, als Preston plötzlich stehen blieb und auf mehrere Hacken und Hämmer deutete, die zerstreut gerade in einem ausgetrockneten Theil des Flußbettes umherlagen.

„Da, beim Himmel!“ rief er, krampfhaft Thomson’s Schulter erfassend, der neben ihn getreten war – „wir sind im Nest!“

„Und was ist das Dunkle dort, was da unter dem Busch liegt?“ fragte Thomson, indem er mit vorgestrecktem Oberkörper der fraglichen Stelle näher trat und sich niederbog, um den Gegenstand, der seine Aufmerksamkeit erregt hatte, zu erkennen. Aber mit einem Ruf des Schreckens und Erstaunens sprang er zurück, denn nur wenige Zoll von den seinigen entfernt blitzten ihm die dunkeln Augen eines Mannes entgegen, der auch in demselben Augenblick mit gezogenem Messer auf die Füße sprang und einen lauten Nothruf ausstieß.

„Teufel!“ schrie Preston, der bei der ersten Bewegung des Fremden sein Messer ebenfalls aus der Scheide gerissen hatte, „Teufel!“ und sprang von der Seite auf den Spanier los. Gar verderblich würde aber der Sprung für ihn gewesen sein, hätte nicht zufällig die Büchse, die er in der linken Hand hielt, den sichern Stoß des Angegriffenen abgewandt, dem in demselben Augenblick das breite Messer des Jägers in der Brust saß, daß er aufschreiend zu Boden stürzte; im Falle selber aber riß er noch eine Pistole aus dem Gürtel und brannte sie auf den von ihm Zurückschreckenden ab.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Silbermine in den Ozark-Gebirgen in Nordamerika.