4. Wohl fehlte die Kugel Den, für welchen sie bestimmt war; doch zerschmetterte sie die linke Hand seines neben ihm stehenden Kameraden...



Wohl fehlte die Kugel Den, für welchen sie bestimmt war; doch zerschmetterte sie die linke Hand seines neben ihm stehenden Kameraden, die dieser eben erhoben hatte, um den Feind mit einem Kolbenschlage unschädlich zu machen.


Machtlos sank Thomson’s Arm und seine Büchse rasselte in die Steine nieder; doch wie ein Tiger flog er auf den zum Tod Getroffenen zu und stieß dem schon Verschiedenen dreimal noch die breite Klinge in die Brust, bis Preston seinen Arm faßte und ihn zurückzog.

„Fort, fort,“ rief dieser, „laß Den, der hat genug, aber bald werden uns die Teufel auf der Fährte sein – fort! ich möchte nicht um alle Silberminen der Welt mit ihren fünf Messern Bekanntschaft machen!“

„Ich bin verwundet,“ flüsterte jetzt, mit verbissenem Schmerz, Thomson, „meine Hand ist zerschmettert.“

„Besser die Hand, als der Kopf,“ knirschte Preston, die Büchse vom Boden aufhebend und seinem verstümmelten Kameraden hinreichend; „komm! – in fünf Minuten ist’s zu spät;“ und mit schnellen Schritten eilte er, von Thomson, der die Nähe der Gefahr erkannte, gefolgt, eine kurze Strecke im Flußbett fort, und sprang dann an der rechten Thalwand in die Höhe, um vielleicht noch vor den Verfolgern den Gipfel des Berges zu erreichen und dann an der andern Seite desselben, unter dem Schutz der Nacht, leichter die Flucht zu bewerkstelligen.

Die zerschossene Hand vorn an der Brust geborgen, blieb Thomson, seinen Schmerz verbeißend, dicht an jenes Seite, und in wenigen Minuten waren Beide in der Dunkelheit des Waldschattens verschwunden; in demselben Augenblick aber raschelten die Büsche, und fünf finstere Gestalten brachen durch die Sträuche auf den eben von den Flüchtigen verlassenen Wahlplatz.

Einen Schreckensruf stießen sie aus, als sie den Leichnam ihres gemordeten Kameraden erblickten, und spähende Blicke sandten sie umher, die Thäter zu entdecken und ihrer Rache zu opfern: da mahnte eine schnelle, gebieterische Geberde ihres Führers zum Schweigen, und wie eben so viele, aus dunkelm Marmor gehauene Figuren standen die Männer, ohne auch nur zu athmen, da und lauschten hinein in den stillen, in heiliger Ruhe sie umgebenden Wald.

Einen Augenblick herrschte Todesschweigen, da scholl das Krachen eines dürren Astes an ihr Ohr – da noch einmal, und mit lautem Freudenruf – wie Hunde, die die Nähe ihres fliehenden Feindes, des Panthers, wittern – sprangen die fünf kräftigen Männer an der fast steilen Felswand, die das enge Thal einschloß, hinauf und folgten der Richtung, in der sie das Geräusch gehört hatten.

Schon hatten die beiden Flüchtigen, die durch einen Fehltritt und Sturz des verwundeten Thomson die Verfolger auf ihre Spur gebracht, die sechste Terrasse erreicht, und eilten in langen Sätzen einem Kastaniendickicht zu, das dunkel vor ihnen lag, als sie die Schritte des schnellsten ihrer Feinde hinter sich hörten. Preston riß gerade noch zur rechten Zeit seinen Gefährten in eine kleine Schlucht hinein, neben der, kaum zwei Schritte von ihnen entfernt, ein dunkler Abgrund sie angähnte, als eine lange, dunkle Gestalt an ihnen vorbeisprang und dem Dickicht zueilte. Dieser folgte rasch eine zweite und dritte und schon hatten die beiden Letzten den Rand der Terrasse erklommen und wollten dieselbe Richtung nehmen, als der Eine von ihnen, ob aus Zufall oder durch den Instinct, der ihm seinen Feind verrieth, getrieben, nach dem dunkeln Platze, der die beiden Verfolgten barg und der ihm verdächtig scheinen mochte, zusprang und aufmerksam darauf hinschaute.

Der Mond trat gerade hinter einer dünnen Wolke hervor und der glänzende Büchsenlauf mußte die Versteckten verrathen haben, denn ein durch die Ueberraschung ausgepreßtes

„Ha!“ entfuhr den Lippen des Spaniers. Es war aber sein letzter Laut, denn Preston, als er sah, daß sie entdeckt waren, hatte ruhig die Büchse heraufgenommen und angelegt, und bei dem Krach des Gewehres zuckte auch der sicher Getroffene zusammen und stürzte mit schwerem Fall zwischen die Steine nieder.

„Mache den andern Schuft kalt – schnell oder er entflieht,“ rief er jetzt seinem Gefährten zu, der bleich und athemlos neben ihm am Felsen lehnte.

„Nimm mein Gewehr – ich kann es nicht mehr heben,“ hauchte dieser und reichte ihm die Büchse, die Preston in fieberhafter Aufregung ergriff, um auch den andern Feind unschädlich zu machen; doch dieser trat hinter eine starke Eiche, die ihn schützend bedeckte, und sein Ruf brachte in wenigen Minuten die Anderen zur Stelle zurück, die, durch den Krach der Büchse in ihrem Lauf aufgehalten, jetzt mit wilder Freude dem Zeichen Folge leisteten.

Aber Preston war indessen nicht müßig gewesen und hatte, da er sah, daß sich der Spanier außer dem Bereich seiner Büchse hielt, Thomson’s Gewehr hingestellt, das seinige wieder geladen, und schüttelte gerade Pulver auf die Pfanne, als die dunkeln Schatten der Verfolger sichtbar wurden, wie sie schnell durch die umhergestreuten Felsstücke und Stämme einherglitten. Mit wenigen Worten beschrieb der Zurückgebliebene den Schlupfwinkel ihrer Feinde und zeigte ihnen das neue Opfer, das durch Preston’s sichere Hand gefallen; aber nur ein lauter, wilder Schrei der Rache, bei dem die beiden Verfolgten unwillkürlich zusammenzuckten, war die Antwort, und wie Tiger warfen sich die Spanier auf ihre Beute.

Preston lag im Anschlag, und der Erste, der, in der linken Hand eine Pistole, in der rechten ein Messer, kaum zehn Schritt von ihm entfernt, hinter einem Felsstück auf ihn ansprang, fiel, durch das Herz geschossen, nieder; seine Büchse dann wegwerfend, ergriff er die seines Kameraden und legte mit Blitzesschnelle auf den Nächsten an – aber harmlos berührte sein Finger den Drücker! Wohl schnappte der Hahn und die Funken flogen in die geöffnete Pfanne hinab, doch das Pulver war ihr beim Sturz entfallen und erfolglos klappte der Stein gegen den Stahl. In dem Augenblick schoß ein scharfer Blitz hinter einem dicht neben ihm liegenden Fels hervor, und mit zerschmettertem Haupt sank Preston auf seinen Kameraden zurück.

Da sprang dieser, mit Zusammenraffen seiner letzten Kraft und gezücktem Messer unter der Leiche vor und vertheidigte sich, Verwundung und Gefahr verachtend, mit wilder Verzweiflung gegen die drei auf ihn anstürmenden Feinde; doch ein Kolbenschlag machte ihn taumeln, und während er noch versuchte, sich mit der linken, zerschmetterten Hand anzuklammern, stürzte er mit dumpfem Fall und lautem Angstschrei in die tiefe, gähnende Schlucht an seiner Seite hinab.

Drei Tage waren vergangen, als ein Jäger aus den Ansiedlungen am Hurricane der Spur eines Hirsches folgte und Unmassen von Aasgeiern eine der Terrassen umkreisen sah.

Aus Neugierde, um zu sehen, was für ein Wild dort den Raubvögeln zur Beute gefallen sei, näherte er sich dem Platze und fand auf dem Berge ein, und in der Schlucht, durch die Geier geleitet, ein zweites Gerippe, nicht weit aber von dem ersten entfernt ein frisches Grab, und auf demselben, als Grabstein, einen breiträndigen schwarzen Filzhut, mit einem langen Messer auf den schnell aufgeworfenen Hügel festgespießt.

Wohl eilte er, so schnell er vermochte, in die Ansiedlungen zurück und brachte schon am nächsten Morgen alle Nachbarn, die er auftreiben konnte, auf den Wahlplatz, um von hier aus die leicht errathenen Thäter zu verfolgen und zu bestrafen; vergebens aber blieben sie, mit dem Scharfsinn der Indianer, Tage lang auf der Fährte der Maulthiere; die schlauen Spanier hatten sich und Alles, was ihnen gehörte, auf Canoes in Sicherheit gebracht und nur Einen mit den Lastthieren in’s Land geschickt, um die Verfolger, die sie nach kurzer Zeit vermuthen mußten, irre zu leiten. Dieser hatte dann die Thiere verkauft und war, ohne daß Jemand auf ihn achtete, spurlos verschwunden.

Seit dieser Zeit hat zwar Keiner der Spanier gewagt, jene Gebirge, wo ihn die Rache der wilden Grenzbewohner erwartete, wieder zu betreten, aber auch die Silbermine am Hurricane ist noch nicht wieder von den dort Wohnenden entdeckt, und vergebens haben bis jetzt die Jäger ein Geheimniß zu ergründen versucht, das zu bewahren schon so viel Blut vergossen wurde.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Silbermine in den Ozark-Gebirgen in Nordamerika.