Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Paris, den 3. April 1774.

Teuerste Delphine, unvergeßliche Freundin,
meinen heißen Dank für die Wohltat, die Sie mir erwiesen haben, muß ich Ihnen persönlich, nicht nur durch Ihren treuen Boten, auszudrücken versuchen. Sie können in Ihrer Reinheit nicht ermessen, was Sie für mich getan haben; Sie retteten mir vielleicht mehr als das Leben, nachdem Sie mich in einen schlimmeren Abgrund als den des Todes gestürzt hatten. Ich war auf dem Wege, mich selbst zu verlieren –, ach, ich möchte Ihnen das Alles beichten dürfen, und von Ihnen eine Absolution empfangen, die mich sicherer von allen meinen Sünden frei sprechen würde, als wenn der Papst in eigener heiliger Person es täte.

Mir ist Paris verleidet; ich kann seine schwere stickige Luft nicht mehr atmen; mich verlangt nach dem kräftigen Vorfrühlingsbrodem, den die heimatliche Erde ausstrahlt. Sobald meine Verwundung die Reise möglich macht, will ich nach Montbéliard zurückkehren, und dort bleiben, bis die tiefere Verwundung meines Herzens es mir erlaubt, nach Etupes – unserem schönen Etupes – überzusiedeln. Noch weiß ich nicht, wie sie zu heilen ist: die Vergnügungen von Paris haben sich nur als der Verband eines ungeschickten Chirurgen erwiesen, denn die Trennung von Ihnen war wie fressendes Pfeilgift, das die Vernarbung verhindert. Wird ein Wiedersehen sie schließen machen? Einerlei Und wenn ich im Voraus wüßte, daß ich daran verblute, ich würde keine Minute zögern, es herbeizuführen. Nur Ihre Ablehnung, meine Freundin, würde wirken, wie Königsbann. Aber ich weiß, Sie vermögen nicht, sie auszusprechen. Monsieur Gaillard wußte nicht, was höher zu preisen sei: Ihre Schönheit oder Ihre Güte Der arme Kerl, der sich wie ein Nachtfalter am Licht Ihrer Augen die grauen Flügel verbrannte.


Ich werde Sie wiedersehen, und werde versuchen, zu vergessen, daß es die Marquise Montjoie ist, die ich begrüße. Verzeihen Sie die zitternde Greisenschrift dieses Briefes. Sie dürfen sich darum nicht sorgen, liebste Delphine, – so sehr mich auch diese Sorge beglückt –, denn es ist weniger die Schwäche, die sie verursacht, als die Erregung. Ich weiß jetzt, wie einem Wüstenwanderer zu Mute ist, der mit ausgedörrter Kehle und zerrissener Haut, dem Tode nahe, die schattende Kühle hoher Palmen, die klaren Wellen sprudelnden Quells vor sich sieht.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Liebesbriefe der Marquise. Teil 1