Die Liebesbriefe der Marquise. Teil 1

Roman in Briefen.
Autor: Braun, Lily (1865-1916) deutsche Schriftstellerin, Sozialistin und Frauenrechtlerin, Erscheinungsjahr: 1912
Themenbereiche
    Einleitung.
    Mädchenzeit.
  1. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Schloss Etupes, am 16. Juni 1771.
  2. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Schloss Montbéliard, am 12. Dezember 1771.
  3. Johann von Altenau an Delphine. Schloss Etupes, am 16. Januar 1772
  4. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Schloss Montbéliard, den 19. Juni 1772.
  5. Johann von Altenau an Delphine. Paris, den 3. Juli 1772
  6. Graf Guy Chevreuse an Clarisse. Paris, am 8. August 1772.
  7. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Paris, am 8. August 1772.
  8. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Schloss Montbéliard, den 19. September 1772.
  9. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Paris, am 28. Dezember 1772.
  10. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Paris, am 30. Dezember 1772.
  11. Johann von Altenau an Delphine. Paris, am 31. Dezember 1772.
  12. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Paris, am 30. Januar 1773.
  13. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Paris, am 3. März 1773.
  14. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Paris, den 15. März 1773.
  15. Marquis Montjoie an Delphine. Paris 1773. Am Tage der Verkündigung Mariä.
  16. Die Schlossfrau von Froberg.
  17. Marquis Montjoie an Delphine. Paris, im Juli 1773.
  18. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Am 20. Juli 1773.
  19. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Am 26. Juli 1773.
  20. Marquis Montjoie an Delphine. Paris, den 5. August 1773.
  21. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Abtei Rémiremont, im September 1773.
  22. Graf Guy Chevreuse an Delphine. Paris, am 21. Februar 1714.
  23. Lucien Gaillard an Delphine. Paris, März 1774.
  24. Lucien Gaillard an Delphine. Am 22. März 1774.
  25. Johann von Altenau an Delphine. Paris, am 30. März 1774.
  26. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Paris, den 3. April 1774.
  27. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Montbéliard, 30. April 1774.
  28. Marquis Montjoie an Delphine. Paris, am 8. Mai 1774.
  29. Prinz Friedrich-Eugen Montbéliard an Delphine. Montbéliard, am 10. Mai 1714.
  30. Johann von Altenau an Delphine. Paris, im September 1774.
  31. Johann von Altenau an Delphine. Paris, am 3. Oktober 1774.
  32. Johann von Altenau an Delphine. Paris, am 20. Oktober 1774.
  33. Lucien Gaillard an Delphine. Froberg, den 20. November 1774.
  34. Marquis Montjoie an Delphine. Froberg, den 22. November 1774.
  35. Eine deutsche Tragödie
  36. Prinz Louis Rohan an Delphine. Straßburg, den 21. Februar 1775.
  37. Marquis Montjoie an Delphine. Froherg, am 25. Februar 1775
  38. Prinz Louis Rohan an Delphine. Straßburg, am 27. Februar 1775.
  39. Marschall Maxim von Contades an Delphine. Straßburg, am 28. Februar 1775.
  40. Karl von Pirch an Delphine. Straßburg, den 30. Februar 1775.
Einleitung.

Wenn die alte Gräfin Laval, in ihrem tiefen Lehnstuhl behaglich zurückgelehnt, ein heiter sinnendes Lächeln um die feinen Lippen, von Delphine Montjoie zu sprechen begann, so pflegte ihre strenge Tochter, mit einem vielsagendem Blick auf die Jugend im Zimmer, ein „aber Mamachen“ warnend dazwischen zu werfen. Sie unterbrach sich dann stets, eine zarte Röte überzog ihre Elfenbeinhaut, – ob aus Ärger, ob aus Verlegenheit? –, und für den Rest des Abends blieb sie schweigsam.

Kam eine ihrer Enkeltöchter allein zu ihr, so bedurfte es keiner langen Bitten und sie erzählte der gespannt Aufhorchenden von der Ahnfrau, die das Zaubermittel besessen hatte, alle Herzen an sich zu fesseln. Der lachende Geist des Rokoko – halb Liebesgott, halb Faun – hatte seine Schäferlieder an ihrer Wiege gesungen, das Heldenepos Napoleon hatte ihr Alter umbraust; um ihr duftendes Lockenköpfchen hatte der Sturm von 89 getobt, und von dem Gewitter der Julirevolution war ihr eisgraues Haupt noch berührt worden. Schleifende Menuettschritte, rauschende Kleider, klappernde Stöckelschuhe, Sturmläuten, Kanonendonner, dazwischen ein Flüstern, ein leises Lachen, ein verhaltenes Schluchzen, – das war ihre Geschichte.

Als eines Winters der tiefe weiche Schnee um ihr Schloss zu Füßen der Vogesen jeden Laut erstickte, da verklang ihr Leben. „Kurz vor ihrem Tode“, – so erzählte die Gräfin Laval –, „hatte sie noch sorgfältig Toilette gemacht. Mir schien, als hätte sie sogar ein wenig Rot auf ihre Wangen gelegt, und ihre immer noch schönen schwarzen Augen ganz, ganz zart unterstrichen. ›Mein letzter Gast‹, sagte sie lächelnd, ›soll sich über einen Mangel guter Lebensart nicht zu beklagen haben‹.“

Ihre Enkelkinder erbten das alte Schloss, aus dem alles Leben gewichen schien, und die langen Schnüre von Perlen, die aus Sehnsucht nach dem blendenden Nacken und den weißen Armen der Herrin all ihren Glanz verloren hatten. Die Gräfin Laval, ihre Nichte, nahm nur ein Päckchen vergilbter Briefe mit nach Haus. Sie waren mehr wert, als ihre toten Schätze, denn in ihnen klopfte das Herz der Marquise.