Die Kirche
Russen über Russland
Autor: Rosanow, Wassili Wassilijewitsch (1856-1919) russischer Religionsphilosoph und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1906
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Russische Kirche, Christen, Christentum, Juden, Wassili Rosanow, Katholizismus, Protestantismus, Klerus, Martyrium, Selbstkreuzigung, Gottesdienst, Gottesdasein, Tempel, Kirchenmusik, Kirchenmalerei, Erlöser, Gebote, Christus, Sonnenaufgang, Leiden, Krankheit, Familienleben, Vaterland, Armut, Elend, Satan, Auferstehung, Leichenhemd, körperloser Geist, Heiden, Schöpferkraft, Priesterweihe, Mönchsschule, Zölibat, Selbstentmannung, Selbstkasteiung, Unterwürfigkeit, Vergewaltigung, russische Sekten, Orthodoxie, Weltanschauung, Wort Gottes, Jungfrau Maria, Assumptionskirche, Himmelfahrt, Philosophie, Offenbarung
Die Russen sind im Jahre 988 unter dem Großfürsten Wladimir, dem Heiligen, vom griechischen Klerus zum Christentum bekehrt und getauft worden.
Inhaltsverzeichnis
Einführung
Zwar waren damals die orientalische und die okzidentale Kirche von einander noch nicht formell und endgültig geschieden, der ausschließliche Verkehr mit Byzanz hat es jedoch mit sich gebracht, dass die Russen nach der bald darauf eingetretenen Scheidung der beiden Kirchen aus dem allgemeinen, alten Strombette der christlichen Tradition in die speziellen Abzweigungen und Verästelungen der byzantinischen Kirchenbewegung hineingezogen wurden. Oder, um geschichtlich präziser zu sein, die Russen folgten Byzanz in die ruhige, den Stürmen unzugängliche aber auch jeder Lebensäußerung verschlossene Schiffsbucht, während die okzidentalen Völker vom Schiffe Roms in den Strudel von unübersehbarer Bewegung, von Gefahren, Poesie und den mit aller Kärrnerarbeit verbundenen Erniedrigungen mitgerissen wurden. Der Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung, Beschaulichkeit und Arbeit, passivem Dulden und aktivem Kampf gegen das Böse — das ist es, was, psychologisch sowie auch metaphysisch genommen, die griechisch-orthodoxe Kirche von dem Katholizismus und Protestantismus trennt; und da die Religion die Seele der Nation ist, so trennen diese Gegensätze auch Russland von den westeuropäischen Völkern.
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Zwar waren damals die orientalische und die okzidentale Kirche von einander noch nicht formell und endgültig geschieden, der ausschließliche Verkehr mit Byzanz hat es jedoch mit sich gebracht, dass die Russen nach der bald darauf eingetretenen Scheidung der beiden Kirchen aus dem allgemeinen, alten Strombette der christlichen Tradition in die speziellen Abzweigungen und Verästelungen der byzantinischen Kirchenbewegung hineingezogen wurden. Oder, um geschichtlich präziser zu sein, die Russen folgten Byzanz in die ruhige, den Stürmen unzugängliche aber auch jeder Lebensäußerung verschlossene Schiffsbucht, während die okzidentalen Völker vom Schiffe Roms in den Strudel von unübersehbarer Bewegung, von Gefahren, Poesie und den mit aller Kärrnerarbeit verbundenen Erniedrigungen mitgerissen wurden. Der Unterschied zwischen Ruhe und Bewegung, Beschaulichkeit und Arbeit, passivem Dulden und aktivem Kampf gegen das Böse — das ist es, was, psychologisch sowie auch metaphysisch genommen, die griechisch-orthodoxe Kirche von dem Katholizismus und Protestantismus trennt; und da die Religion die Seele der Nation ist, so trennen diese Gegensätze auch Russland von den westeuropäischen Völkern.
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Russisches Sittenbild
Russischer Geistlicher
Russisches Kaiserpaar in historischen Kostümen