Die Feier des Erscheinungsfestes in Jerusalem

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1900
Autor: Atlantic, Erscheinungsjahr: 1900

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Religion, Jerusalem, Orient, Prozession, Fest, Abendland, Jordanfluss, Taufe, Jesu, Symbol, Wasserweihe
Weihnachtsfestkreis geht mit dem auf den 6. Januar fallenden Erscheinungs- oder Dreikönigsfeste zu Ende. Mit dem griechischen Worte Epiphania! (d. i. Erscheinung) bezeichnet die christliche Kirche die Erscheinung des Weltheilands unter den Menschen, und das daran erinnernde Fest wurde im Orient bereits im 3. Jahrhundert gefeiert. Es war insbesondere dem Andenken an die Taufe Jesu im Jordan gewidmet und deswegen zugleich ein Tauftag der Katechumenen. Im Abendland wurde seine Bedeutung eine etwas andere; es ward zum Feste der Offenbarung Christi an die Heiden, als deren Symbol die Anbetung der Magier oder heiligen drei Könige aus dem Morgenlande galt.

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Dieser Unterschied in der Auffassung des Epiphanien oder Erscheinungsfestes ist bestehen geblieben Die griechische Kirche begeht noch immer am 6. Januar die Wasserweihe oder das Jordansfest zum Andenken an die Taufe Jesu im Jordan, indem die Geistlichkeit in Prozession an die in der Nähe befindlichen Flüsse oder Seen zieht, diese weiht und die Umstehenden mit dem Wasser besprengt, dem das Volk nun Wunderkraft zuschreibt.

In Jerusalem wird diese eigenartige Feier an das Ufer des Jordanflusses selbst verlegt, wo sie in der auf S. 313 dargestellten Weise vor sich geht. Die griechisch-katholische oder orientalisch-orthodoxe Gemeinde von Jerusalem ist die zahlreichste unter den dortigen christlichen Gemeinden; sie zählt über 4.600 Seelen und steht unter den Patriarchen von Jerusalem. Am Morgen des Erscheinungsfestes segnet der letztere, umgeben von seinem ganzen Klerus, beim Schlusse des feierlichen Gottesdienstes zunächst alle Früchte und sonstigen Gegenstände, welche die Gläubigen mit zur Stelle gebracht haben, und dann bildet sich eine große Prozession, welche über den Ölberg nach dem Jordan zieht. Gewöhnlich finden sich mehrere tausend Personen zu dieser Zeremonie am Ufer des Flusses zusammen; orientalische und europäische Trachten erscheinen darunter in buntem Gemenge, und die Sonnenschirme werden über Köpfen aufgespannt, die teils Hüte, teils Fes und Turbane bedecken.

Der Patriarch von Jerusalem, angetan mit seinem prächtigen Ornate, tritt an den Fluss heran, spricht die vorgeschriebenen Gebete und weiht dann dessen Wasser! Kaum ist die Wasserweihe vollzogen, so legen manche von den anwesenden Laien einen Teil ihrer Kleider ab und gehen dann in das an dem Ufer ziemlich seichte Wasser des Flusses, bis es ihnen etwa bis zur Hälfte des Körpers reicht, um eine Zeitlang unter stillem Gebet darin zu weilen! Schließlich kehrt dann die ganze Prozession wieder nach Jerusalem zurück.

Die Feier des rscheinungsfestes in Jerusalem, Ankunft der Prozession am Jordan

Die Feier des rscheinungsfestes in Jerusalem, Ankunft der Prozession am Jordan