Der Schiffbruch

Aus einem Gespräche, das sich mit dem Alten leicht anknüpfen ließ, erfuhr ich, er sei der Deichgraf und stehe diesem Amte schon ein halbes Menschenalter vor. Ein Wort gab das andere, und nach wenigen Fragen, die ich bezüglich der Landeseigentümlichkeiten an ihn richtete, war er mitten im Erzählen. Den nächsten und mächtigsten Anstoß zu seinen Mitteilungen gaben die schief gebogenen Obstbäume in der Nähe des schilfreichen großen Kolkes, dessen Entstehung er schaudernd erlebt hatte. Was diesem schrecklichen Naturereignisse voranging und wie dasselbe tiefe Bekümmernis über zahlreiche Familien des Landes brachte, das Alles erfuhr ich unaufgefordert, nachdem sich erst das Band seiner Zunge gelöst hatte. Den Hauptinhalt seiner Erzählung, welche in jenem Naturereignis nur ihren Abschluss fand, will ich in folgender Geschichte wiederzugeben versuchen.

Zu Anfang der neunziger Jahre im vorigen Jahrhundert war Klaus Ketel Lübken einer der angesehensten Männer im Kirchspiel Oldenwöhrden, das von jeher in der Geschichte Dithmarschens eine hervorragende Rolle gespielt hat, und das Vertrauen seiner Landsleute ernannte ihn zum Vollmacht, das heißt zum Voigte oder Schulzen, eine Stellung, die er bis zu seinem spät erfolgenden Tode bekleidete.


Klaus Ketel Lübken gehörte zu den größten und reichsten Hofbesitzern des Landes. Sein in altsächsischem Styl erbautes Haus enthielt manch altes, kostbares Gerät von Silber und Gold, denn der Hof war seit Jahrhunderten in der Familie geblieben, die zu dem weitverzweigten Geschlecht der Wollermannen gehörte. Niemand konnte es dem tüchtigen Manne verargen, dass er auf das hohe Alter seiner Familie gebührenden Welt legte, und dass er sich mit Stolz einen freien dithmarsischen Bauer nannte. Etwas Anderes wollte er gar nicht sein, aber was er von seinen Vorfahren ererbt hatte, das zu erhalten ließ er sich mit Fleiß angelegen sein.

Obwohl seit Jahrhunderten viele uralte und eigentümliche Landeseinrichtungen ihre Bedeutung auch in Dithmarschen verloren haben, vermochte die Zeit doch nicht Alles, woran die Eingeborenen mit Liebe und Zähigkeit hingen, von Grund aus auszurotten. Dazu gehörte das feste Zusammenhalten jener berühmten Bauerngeschlechter, die so oft und mit so großem Erfolge in blutigen Schlachten für die Erhaltung ihrer Unabhängigkeit gekämpft haben. Die alten Verbrüderungen und Bündnisse, welche die Vorfahren zu gegenseitigem Schutz gegründet und geschlossen hatten und aus denen die sogenannten Kluften entstanden waren, gab es freilich der Form nach nicht mehr, der Geist aber, der sie geschaffen hatte, lebte doch noch fort in gar manchem Geschlecht, und in Zeiten der Gefahr machte sich sein Wehen deutlich bemerkbar.

Vollmacht Lübken verstand es, durch sein Ansehen diesen Geist immer frisch zu erhalten und bei schicklicher Gelegenheit wach zu rufen. Der Kreis, den früher die alte Kluft umspannte, welcher die Wollermannen angehörten, war ein sehr weit gezogener gewesen. Er erstreckte sich bis Büsum und Wesselburen west- und nordwärts, und lief östlich über Hemmingstedt bis nach Meldorf.

Anspruch auf Bildung, die über seinen Stand hinausging, machte Lübken nicht. Er wollte nicht mehr und nicht weniger sein als ein freier dithmarsischer Bauer alten Schlages, der vertraut war mit den Sitten und Gebräuchen des Landes. Diese aufrecht zu erhalten, so weit es sich tun ließ, hielt er für seine Pflicht, ohne das etwa bessere Neue verächtlich von sich zu weisen. War er persönlich auch nicht jeder Neuerung leicht zugänglich, so prüfte er sie doch ohne vorgefasste Meinung, und fand er, das Land könne Nutzen daraus ziehen, so rief er die Kluft zusammen, beriet sich mit ihr und traf darauf Anstalt, das, was für ihn selbst nicht mehr passend war, dem heranwachsenden Geschlecht zugänglich zu machen, damit es mit der Zeit fortschreite und hinter der allgemeinen Bildung derselben nicht zurückbleibe.

Was der verständige Vollmacht allen seinen Landsleuten zu verschaffen bemüht war, das konnte er selbstverständlich den nächsten Verwandten und insbesondere seiner eigenen Familie nicht vorenthalten. Von drei Kindern war ihm nur eine Tochter übrig geblieben, ein schlankes, tadellos gewachsenes Mädchen von schneeweißem Teint. Meta war zur Zeit, wo unsere Erzählung beginnt, zwanzig Jahre alt und entschieden die erste Schönheit in Oldenwöhrden, wenn nicht gar in Norder-Dithmarschen. Mit Fug und Recht konnte der Vater auf diese Tochter stolz sein, denn wie sie ihre Mitschwestern durch körperliche Schönheit überstrahlte, so zeichnete sie sich auch vor den Meisten durch geistige Gaben und mancherlei gefällige Talente aus. Meta besaß einen scharfen, praktischen Verstand, fasste Alles schnell und eignete sich dadurch eine Menge Kenntnisse an, die sie gewissermaßen über ihren Stand erhoben. Es schien das indes nur so, denn ihr praktischer Verstand sagte der Tochter des reichen Vollmacht, dass ihr größeres Wissen nachteilig für sie werden müsse, sobald sie sich verleiten lasse, den alten, einfachen Sitten und den herkömmlichen Lebensgewohnheiten zu entsagen.

Vater und Mutter — Letztere war eine höchst einfache Frau, die nie die Grenzen des kleinen Ländchens überschritten hatte — billigten Metas Verfahren und ließen es, so oft sie es für nötig hielten, an Ermahnungen und guten Lehren nicht fehlen.

So war und blieb denn das schöne Mädchen, das leidlich gut Englisch sprach, ganz artig Klavier spielte und mit ihrer vortrefflichen Stimme manches Liedchen fehlerlos zu singen verstand, in allem Übrigen eine echte Tochter Dithmarschens. Man sah sie jede landesübliche Arbeit heiteren Sinnes verrichten, sowohl im Hause wie auf dem Felde. Als Spinnerin und stinke Weberin übertraf sie leine ihrer Genossen, und wenn es galt, in Zeiten der Not einen Nachen zu steuern, so wusste Meta das Ruder mit der Geschicklichkeit eines Bootsmannes zu führen.

Bei so vielen Vorzügen, die Jedem in die Augen sielen und die von allen Bewohnern des eigentümlich gearteten Landes gleich hoch geschätzt wurden, konnte es dem schönen Mädchen, dem dereinst eine reiche Erbschaft zufiel, an Verehrern und Bewerbern nicht fehlen. Meta jedoch zeigte keine Lust, sich leichten Kaufes erobern zu lassen. Sie gefiel sich in ihrer unbegrenzten Unabhängigkeit im elterlichen Hofe, mochte es wohl dulden, dass junge Hofbesitzer ihr Artigkeiten sagten, zeichnete aber Keinen aus.

Die Mutter war eine sehr starke und etwas phlegmatische Frau, hätte es wohl gerne gesehen, dass Meta eine Wahl getroffen, drängen aber mochte sie das Mädchen nicht, da es ihr überall zur Hand ging und eine gute Partie schließlich doch gesichert blieb. Dem Vater dagegen war es sehr recht, dass seine Tochter vom Heiraten nichts hören wollte, denn Meta war sein Augapfel, und das Herz zitterte ihm, wenn er der Stunde gedachte, in welcher ein Fremder ihm dereinst sein größtes Kleinod für immer entführen würde.

So lagen die Dinge, als der Herbst mit seinen Nebeln und Stürmen hereinbrach. Es ist das die Zeit, welche oft wochenlang den Verkehr in Dithmarschen zwar nicht geradezu aufhebt, wohl aber sehr erschwert und wenigstens zwischen manchen Orten unterbricht. Da nämlich der oft wiederkehrenden Hochfluten wegen die großen Spülschleusen an den Seedeichen, welche das in den Marschen sich ansammelnde Wasser zur Zeit der Ebbe ins Meer abfließen lassen, geschlossen werden müssen, so staut sich an vielen Orten, besonders bei anhaltendem Regenwetter, das Binnenwasser, steigt über die breiten und sehr tiefen Gräben, welche jede Feldmark umfriedigen, und die meistenteils einzeln gelegenen Marschhöfe zu kleinen, schwer zugänglichen Festungen machen. In solchen Zeiten kann ein Nachbar den anderen nur besuchen, wenn er das am Gartentor angekettete Boot löst und zum Ruder greift, oder den bequemen Klutstock aus dem Pesel holt, um sich mit Hilfe desselben über Gräben und überflutete Untiefen zu schwingen.

Nach einigen nebeltrüben Tagen fiel starkes Regenwetter ein. Gleichzeitig erhob sich der Wind und ging alsbald in den heftigsten Weststurm über. Solche Stürme dauern gewöhnlich drei Tage, erreichen am zweiten ihre größte Heftigkeit und hören nicht selten ganz plötzlich auf. Diesmal schwoll der Sturm schon am ersten Tage fast zum Orkane an, so dass überall Vorkehrungen getroffen wurden, um einer etwaigen ungewöhnlich hohen Sturmflut begegnen zu können. Unter den furchtbaren Schlägen der schwer rollenden Wogen zitterten alle Deiche, und das Gebälk selbst der festesten Häuser begann zu knistern und zu ächzen. Die starken Erdwälle aber mit ihren zyklopischen Quadervorbauen taten ihre Schuldigkeit; die Wogen zerschlugen sich an dem fest gefügten Gestein, liefen schäumend die schrägen Erdböschungen hinan und stürzten dann machtlos zurück in den kochenden Abgrund der tobenden See.

Mitten in der zweiten Sturmnacht lief von den stark bewachten Teichen die Nachricht ein, es sei auf den gefährlichen Untiefen des Watt ein Schiff gestrandet, und die häufig sich wiederholenden Notsignale ließen annehmen, dass sich die Mannschaft in Todesgefahr befinde.

Bei solchen Hiobsbotschaften pflegen Küstenanwohner in der Regel große Tätigkeit und eine staunenswerte Energie zu entfalten, ohne sich aus ihrer angeborenen kühlen Ruhe bringen zu lassen. Man ist sofort entschlossen und bereit, Hilfe zu bringen, überstürzt aber nichts.

Der Deichgraf mit den übrigen Beamten des Kirchspieles, zu denen auch Klaus Ketel Lübken gehörte, eilten, von vielen Bewohnern Oldenwöhrdens gefolgt, an den Strand. Anfangs konnte man nur die Richtung erkennen, in welcher das unglückliche Schiff liegen musste, dies selbst aber nicht. Es war Neumond und die Nacht bei schwer bewölktem Himmel sehr finster. Auf gut Glück mit verhältnismäßig doch immer schwachen Booten in die brüllende See hinauszurudern, wäre Tollkühnheit gewesen. Man musste, ehe überhaupt etwas geschehen konnte, zuvor ganz genau die Lage des Schiffes kennen. Ein paar Leuchtkugeln von Hellem Glanz zeigten den am Teiche versammelten Männern das verunglückte Fahrzeug mit gebrochenem Maste, auf der Seite liegend und von wilden Sturzseen übergossen.

„Unsere Hilfe kommt zu spät“, sagte Vollmacht Lübken zu dem damals noch jungen Deichgrafen. „Bei so fürchterlich brechenden Seen können sich die stärksten Menschen keine Viertelstunde im Takelwerk halten.“

„Angst und Not verleihen der Kreatur übernatürliche Kräfte“, versetzt ein erfahrener Kapitän, der seit einigen Jahren die feste Scholle mit dem zerbrechlichen Schiffskiel vertauscht hatte. „Ich habe auch einmal so gehangen zwei Tage lang und eine Nacht, und als ich endlich an Land kam, waren mir nur die Finger ein Bisschen scharf verklammt. Seeleute haben ein zähes Leben.“

Er sprang in eins der bereit liegenden Boote und erfasste das Steuer, andere kräftige Männer folgten seinem Beispiel. Man löste das Tau und hinein in den zischenden Gischt der ausspritzenden dunkelgrauen Wogen schoss der zerbrechliche Nachen.

Lange mussten die Boote, deren drei abstießen, mit den hochrollenden Wellen kämpfen, ehe sie das Schiff, eine Schoonerbrigg, erreichten. Glücklich gelang es den kühnen Dithmarschen, den Rest der Mannschaft zu retten. Schiff und Ladung dagegen, die aus Havanna kamen und nach Hamburg bestimmt waren, mussten verloren gegeben werden. Ein gewaltiger Leck hatte den Raum bereits mehrere Fuß hoch mit Wasser gefüllt, und die brechenden Sturzseen spielten dem Wrack so übel mit, dass voraussichtlich schon nach einigen Tagen kaum noch wenige zusammenhängende Planken davon übrig sein konnten.

Sehr gedrückt und niedergeschlagen zeigte sich der noch junge Kapitän weniger des Verlustes wegen, den er an Eigentum erlitten hatte, indem ein Teil der kostbaren Ladung ihm selbst gehörte, sondern über den Tod dreier tüchtiger Matrosen, die ihm treu ergeben waren, und des einzigen Passagiers, der sich auf dem Schiffe befand. Alle vier waren von einer Sturzsee über Bord gespült und ein Raub der Wellen geworden.

„Der arme, liebe, junge Herr!“ rief der Kapitän einmal über das andere, und stützte sein sorgenschweres Haupt in beide Hände. „So jung, so lebenslustig, so gesegnet mit Glücksgütern, und nun muss er an dieser traurigen Küste elendiglich umkommen! . . . Und er war mir so warm empfohlen, gleichsam auf die Seele gebunden! ... Es ist ein entsetzliches Unglück, das mich betroffen hat! . . .“

Lübken und der Deichgraf, welche die Schiffbrüchigen am Lande mit Herzlichkeit begrüßten und bereits für Wagen zu deren Weiterbeförderung gesorgt hatten, suchten den bekümmerten Mann, so gut sie vermochten, zu trösten. Insbesondere ließen sie es sich angelegen sein, dem Kapitän die Überzeugung beizubringen, dass ihn keine Schuld für das Fortspülen einiger wackerer Männer in so schwerem Sturmwetter treffen könne.

Das sah der junge Seemann zwar ein, denn er selbst wusste und die gerettete Mannschaft konnte es ihm bezeugen, dass er bis zum letzten entscheidenden Augenblicke in jeder Beziehung seine Pflicht getan. Trotzdem aber wollte er sich nicht beruhigen und kam immer wieder zurück auf die verloren gegangenen vier Menschenleben.

„Der Schmerz der Mutter bricht mir das Herz!“ rief er aus, und drückte dem Vollmacht, der neben ihm auf dem offenen Stuhlwagen saß, krampfhaft die Hand. „Sie überlebt diesen Schlag nicht, denn sie hat in Don Miguel ihren einzigen Sohn verloren! Und welch’ einen Sohn! ... Nie habe ich einen liebenswürdigeren jungen Mann kennen gelernt! ... Zum Vergnügen und um in Europa sich noch mehr Bildung anzueignen, trat er hoffnungsvoll die Reise an. ... Wie ein Kind freute er sich auf Hamburg, von dem er in seiner Heimat oft hatte sprechen hören. Er drückte sich schon ganz leidlich im Deutschen aus und versäumte keine Gelegenheit, sich mit mir Deutsch zu unterhalten. Sein Tod geht mir zu nahe!“

Vollmacht Lübken gab jetzt seine Tröstungsversuche auf und erkundigte sich teilnahmsvoll nach den Verhältnissen des verunglückten jungen Mannes, dessen jäher Tod ihm selbst zu Herzen ging.

Den Kapitän schien diese Teilnahme zu erfreuen. Unaufgefordert erzählte er sein Bekanntwerden mit der Familie Don Miguel Saltieros und seine Aufnahme im Hause des reichen Pflanzers, der erst vor einigen Monaten ganz unerwartet an den Folgen eines vernachlässigten Fiebers gestorben war.
„Damit der Sohn sich zerstreue und den Verlust des Vaters leichter verschmerze“, erzählte der Kapitän weiter, „bat mich seine Mutter, Seniora Dolores, ich möge Don Miguel mit nach Europa nehmen und dafür folgen, dass er von dem Besuch der alten Welt dauernden Nutzen fürs ganze Leben habe. Was soll ich nach diesem namenlosen Unglück der beklagenswerten Frau schreiben? Hätte die Woge mich doch statt seiner über Bord gespült!"

Der Morgen begann eben zu dämmern, als die Wagen mit den Schiffbrüchigen Oldenwöhrden erreichten.

„Sie bleiben in meinem Hause, Herr Kapitän“, sagte der Vollmacht, „bis Sie sich vollkommen erholt haben. Wir wollen Ihnen schon die Zeit möglichst angenehm vertreiben. Vielleicht lässt sich auch, wenn es erst aufhört zu wehen, doch noch Einiges von der Ladung Ihres Schiffes retten. Freilich, Havanna-Zigarren und Gewürze sind Artikel, die mit Salzwasser nicht in Berührung kommen dürfen, wenn sie etwas taugen sollen.“

Der Kapitän fügte sich gern den Anordnungen des gastfreien Dithmarschen. Er verabschiedete sich von seinen mitgeretteten Leidensgefährten, die in verschiedenen Höfen freundliche Aufnahme fanden. Jeder beeilte sich, den bedauernswerten Männern etwas zu Liebe zu tun und sie ihr Unglück möglichst vergessen zu machen.

Schon unter der großen Tür trat die wohlbeleibte Frau des stattlichen Vollmacht und deren schöne Tochter dem Geretteten entgegen. Beide sprachen dem Kapitän in herzlichen Worten ihre Teilnahme aus und versicherten ihm, wie früher der Vollmacht, dass es ihm an liebevoller Pflege, so lange er deren bedürfe, nicht fehlen solle.

Auf den Kapitän machte die Erscheinung Metas einen ungemein wohltuenden Eindruck. In dem durchsichtig klaren Auge des schönen Mädchens lag eine Herzensoffenheit, die Jeden auf den ersten Blick gewinnen musste. Dabei trat Meta so sicher und entschlossen auf, als liege schon ein langes Leben voll reicher Erfahrungen hinter ihr.

Nachdem der Vater ihr von dem Vernommenen Mitteilung gemacht hatte, sagte Meta: „Wir wollen dem braven Manne den gehabten Verlust durch liebevolles Entgegenkommen nach Kräften zu ersetzen suchen. Allenfalls könnte ich an die Mutter des ertrunkenen Spaniers schreiben. Einen Brief in englischer Sprache bringt ich wohl zu Stande, und etwas Englisch versteht die havannesische Dame gewiss, wenn auch die dortigen Pflanzerfrauen eben keine große Gelehrten sein werden.“

Der Vollmacht lächelte, klopfte der Tochter auf die blühende Wange und entgegnete: „Denken wir zuerst an das, was vor Allem Not tut. Unser Gast braucht trockene Kleider, kräftige Speise und einen stärkenden Trunk. Darum wird mein kluges Kind vorerst wohl zweckmäßiger der aufmerksamen Mutter in Küche und Keller zur Hand gehen müssen. Den Schreibtisch wollen wir einstweilen unbeachtet lassen.“

Es lag ein leichter Vorwurf in diesen Worten des Vaters, den Meta sich nicht recht zu erklären wusste und auch nicht verdient zu haben glaubte. Von Jugend auf aber an Gehorsam gewöhnt und überzeugt, dass die Ansicht des Vaters die richtige sei, folgte sie dessen Weisung. Man hörte bald ihre helle Stimme eines ihrer Lieblingslieder anstimmen, während sie am Herde der Beschäftigung einer rührigen Köchin oblag.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Braut von Oldenwöhrden